Die CSU - Anatomie einer konservativen Partei
Alf Mintzel, 1975: Die CSU. Anatomie einer konservativen Partei 1945 – 1972. Mit einem Vorwort von Otto Stammer. Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin, Band 26. Opladen: Westdeutscher Verlag. (2. Auflage 1978). 776 Seiten. ISBN 3-531-11278-3 (vergriffen).
Inhaltsangabe
Der vorliegende Band ist die erste umfassende Analyse des Strukturwandels der CSU. Der Autor untersucht die organisationspolitische Entwicklungsgeschichte und die inneren Verhältnisse der Partei sowie die spezifische Rolle der CSU im Parteiensystem der Bundesrepublik.
Die Strukturanalyse gibt detaillierte Auskünfte über die Gründungsgeschichte, über Organisationsprinzipien und Organisationspolitik, über die Grundorganisation und ihre landes- und sozialgeschichtliche Verankerung, über Mitgliedschaft und Mitgliederpartizipation. Zugleich vermittelt sie zuverlässige, vielfach fast unbekannte Informationen über die Bürokratisierung, Technisierung, Zentralisierung und Rationalisierung der Parteiorganisation, über den publizistischen Apparat der CSU, über ihre Finanzen, über Führungsstruktur und Selektionsprozesse, die Flügelkämpfe der Gründungs- und Aufbauperiode ebenso wie über Gruppenbildung in neuerer Zeit.
Diese historisch orientierte, empirisch soziologische Strukturanalyse ist gleichermaßen ein Beitrag zur Parteiensoziologie in der Bundesrepublik wie zur bayerischen Landesgeschichte. Für die neueste bayerische Landesgeschichte ist sie in unentbehrliches Quellenwerk.
Besprechung in Wissenschaft und Medien
„Die Monographie einer regional beschränkten politischen Partei […] erweitert Mintzel zu einem monumentalen Werk der organisatorischen Entwicklung der bayerischen Unionspartei, wie sie vergleichbar nicht einmal für eine der großen Parteien SPD und CSU vorliegt […] Es ist also kein Buch der didaktisch aufbereiteten politischen Bildung oder der großen zeithistorischen Geste, sondern ein akribisch gesammeltes und geordnetes Archiv, dessen Anhang mit 250 Seiten Anmerkungen, Tabellen, Nachtrag, Bibliographie und Registern allein manches veritable Buch an Umfang übertrifft.“
Prof. Dr. Ulrich von Alemann, in: Das Parlament vom 05.03.1977.
„Noch nie ist ein Röntgenbild einer konservativen Partei mit einer so tiefgehenden Diagnose angefertigt worden […] Das Buch ist weder in der Form der Darstellung noch im Stil faszinierend. Aber es überzeugt durch seine vorbildliche Sachlichkeit und die Überfülle des Materials. Es wird ein unentbehrliches Standardwerk werden.“
Vorwärts Nr. 17 vom 22.04.1976.
„Mintzel hat, enorm fleißig, mit zahllosen Tabellen und mit Hilfe eines großen historischen Teils diesen Entwicklungsprozeß [der CSU] nachgezeichnet, eine Lektüre die manchmal spannend und immer informativ ist.“
Herbert Riehl-Heyse, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 121, 26./27. Mai 1976, Das politische Buch.
„Das umfangreiche Werk ist das Ergebnis langjähriger Beschäftigung mit der politischen Soziologie Bayerns und einer intimen Kenntnis der CSU. Eine zweite monographische Studie soll bald folgen […] Ein umfangreicher Apparat, Tabellen, ausführliches Literaturverzeichnis und Register sorgen dafür, daß dieses Buch für absehbare Zeit das Standardwerk zum Thema bleiben wird.“
Prof. Dr. Martin Greiffenhagen, in: Das historische politische Buch. Heft 14/7, Jg. 1976, S. 215.
„Mintzels Mitteilungen zur Materiallage machen freilich deutlich, in welchem Maße bereits Verluste an Quellen zur Nachkriegsgeschichte der politischen Parteien zu verzeichnen sind. Die im Anmerkungsapparat ungewöhnlich ausführlich mitgeteilten Zitate verfolgen daher, wie M. ausdrücklich hervorhebt, auch das Ziel einer »Beweissicherung« für andere, vor allem landesgeschichtliche Forschungsanliegen.“
Peter Franke, in: Blatter für Deutsche Landesgeschichte 116 (1980), S. 717–719.
„Diese voluminöse Detailstudie über Mitglieder und die politische Entscheidungsstruktur der CSU reflektiert eindrucksvoll die Stärken und Schwächen einer politischen Soziologie, deren analytische Fähigkeit durch die Anstrengungen, die Masse der empirischen Daten zunächst einmal zu beschreiben, beeinträchtigt wird. Dennoch ist das gründliche Buch als »ergiebige Quelle für ein überlegtes wissenschaftliches Raisonnement« (O. Stammer) wichtig.“
Blätter für deutsche und internationale Politik, 21. Jg., H. 12/1976, S. 1413.
„Der Berliner Politikwissenschaftler; Jahrgang 1935, hat es unternommen, auf fast 800 Druckseiten eine präzise Forschungsarbeit über Aufbau, Strukturwandel und Organisationspolitik der bayerischen Christsozialen vorzulegen. Ihm und dem Westdeutschen Verlag ist zu diesem mutigen Schritt zu gratulieren – dem an Parteipolitik und Parteienforschung Interessierten ist die Arbeit als Musterbeispiel deutscher Gründlichkeit ans Herz zu legen. Für die langsam die Eierschalen abwerfende heimische Politikwissenschaft stellt das Buch jedenfalls eine gewaltige Herausforderung dar, ist ja doch über keine österreichische Partei ein auch nur annähernd vergleichbares Werk erschienen oder in Sicht.“
P. Diem, in: österreichische monatshefte 11/76, Zeitschrift für Politik 32. Jg., November 1976, S. 32.
„Ausgestattet mit dem Rüstzeug der Jurisprudenz, der Soziologie, Psychologie, der Politik- und Geschichtswissenschaften hat ein Forscher sich in jahrelanger Feinarbeit der Mühe unterzogen, die »Staats- und Ordnungspartei« der Bayern wesentlich durchsichtiger zu machen. Der Assistenzprofessor Mintzel von der FU Berlin neigt zum understatement, wenn er sich mit dem ersten Standardwerk über die CSU als politiksoziologischer Anatom ausweist. […] er beschreibt in seiner »Verlaufsanalyse der Struktur- und Entwicklungsgeschichte« eben weit mehr als einen anatomischen Status. […] Er eröffnet dem Leser detaillierte Einblicke und Verständnismöglichkeiten in die Entstehungs-, Wachstums- und Wandlungsprozesse jenes politischen Organismus, den er einerseits als »moderne« und andererseits als »konservative« Partei apostrophiert.
Da aber »moderner Konservatismus« als ein in sich widersprüchlicher Begriff empfunden werden könnte, kommt Mintzels Pilot-study eine nicht nur Bayern und Deutschland betreffende Allgemeinbedeutung zu.“
Klaus Bloemer, in: DIE ZEIT Nr. 13 vom 19. März 1976, S. 13 (Politisches Buch).
„Mintzels dokumentarisches Buch ist mit einem Preis von 90 Mark zwar ungewöhnlich teuer, bietet dafür aber auch überdurchschnittliches, was die Qualität angeht. Es ist zweifellos das erste Standardwerk über die bayerische Christlich-Soziale Union.“
Deutsche Welle / Deutsches Programm. Abteilung Politik, 31.05.1976.
„Dieses Buch ist so gründlich und wissenschaftlich gearbeitet, daß es sich einer Kurzrezension entzieht. […] Man kann nur darauf verweisen, daß jeder, der vorurteilsfrei über die CSU sprechen oder schreiben will, dies Arbeit kennen muß. Sie wird eines der wenigen politischen Standardwerke werden.“
WAZ Nr. 137 vom 26.06.1976, S. 2 (Das politische Buch).
„Von dem offenbar in solchen Fällen unvermeidlichen Gelehrtenstreit der Politik-Wissenschaftler diverser Herkunft abgesehen, gilt doch: Wer versuchen will, die CSU zu begreifen, kommt an Mintzel nicht vorbei. […] Der zuerst von Sontheimer geäußerte Vorwurf, Mintzel habe die politischen Aspekte vernachlässigt, trifft nicht ins Schwarze. […] Natürlich lässt sich das Werk auch benützen, um vorgefaßte Meinungen zu bestätigen. Das wichtigste daran ist jedoch, daß es endlich ein solches Buch gibt.“
Schwäbische Zeitung, 24.01.1978.
„Fatti recenti e meno recenti possono confermare l’importanza di uno studio della CSU, il partito bavarese die Franz Josef Strauss (cfr. Il nostro saggio nel n. 2 del 1976 die questa rivista), così analitico come quello che ad essa ha dedicato il Mintzel e che non ha riscontro nella bibliografia sui partiti politici tedeschi per nessuna delle due maggiori formazioni, né della SPD né della CDU, fino a ieri il partito fratello della CSU. In effetti, condotto con un felice intreccio die metodo storico e di analisi sociologica ma non senza qualche pesantezza che poteva essere evitata, il denso studio del Mintzel richiama l’attenzione su un fenomeno unico nella sua specificità ma non privo di interesse al di là del ristretto orizzonte bavarese: il modello di un moderno partito conservatore die massa, che è certo il risulatto di un capillare lavoro organizzativo promosso e realizzato sotto la guida di Franz J. Strauss, ma che è anche la risultante di processi politici, sociali e culturali più complessi. Basterebbe l’accurata analisi dello sviluppo politico-sociale nel quale si inseriscono la vicenda e l’evoluzione della CSU – la reticente accettazione della società industriale con toni di anticapitalismo romantico tipici del cattolicesimo reazionario ottocentesco e la specifica tradizione particolatista bavarese – per rendersi conto del tipo di stratificazione sociale e di ideologia politic ache ha consentito I clamorosi successi della CSU nelle più recenti elezioni, totalizzando il 60 per cento e oltre del voto bavarese.
Sotto questo profile, pertinente ci pare l’osservazione del prefatore del volume Otto Stammer, laddove sottolinea la necessità di andare più a fondo nell’analisi dei capillary rapporti esistenti tra l’apparato del partito e quello dello Stato bavarese, rapporti che tuttavia a nostro avviso non ridimensionerebbero la definizione della CSU come »partito dell’industria« ma ne completerebero soltanto la fisionomia. Se un appunto va mosso ad uno studio tanto minuzioso e puntiglioso, e d’altronde così istruttivo sulla capacità di integrazione politica e sociale che la CSU è riuscita a sviluppare pur in mezzo a contrastanti spinte di interessi e di evoluzione all’interno della Baviera, esso riquarda una sorta di neutralità asettica dell’A., tipica del resto di tanti studiosi e manipolatori di strumenti politologici, quasi che egli si trovasse ad operare sul terreno di una astratta fenomenologia dei partiti politici e non investisse viceversa un momento immediatamente politico, uno dei nodi fondamentali dell’equilibrio politico della Repubblica federeale e pertanto anche al di fuori di essa. Un rilievo che non tocca tanto l’A. quanto piutosto una tendenza degli studi ed una metodologia che tendono ad esaurire le proprie possibilità nell’esasperazione e nella acribia della ricerca rifiutando di declinare le proprie generalità politico-culturali.”
Rivista di storia contemporanea, Heft 1, 1977, S. 132.
Übersetzung:
“Kürzliche und weiter zurückliegende Ereignisse können die Bedeutung einer so analytischen, wissenschaftlichen Forschungsarbeit über die CSU, die bayerische Partei von Franz Josef Strauß (vgl. unseren Artikel in Nr. 2 1976 dieser Zeitschrift) bestätigen, wie diejenige, die Mintzel ihr gewidmet hat, und die in der Bibliographie der politischen deutschen Parteien einzigartig ist. Keine der beiden größten Parteien, weder die SPD noch die CDU – bis vor kurzem die Schwesterpartei der CSU, weist ihresgleichen auf. Die umfassende Arbeit von Mintzel, in einer glücklichen Verflechtung von Quellenstudien und soziologischer Analyse, nicht ohne eine gewisse Schwere im Ausdruck, die hätte vermieden werden können, ruft die Aufmerksamkeit auf ein in seiner Spezifizität einmaliges Phänomen, das auch jenseits des engen bayerischen Horizontes nicht ohne Interesse ist: das Modell einer modernen konservativen Massenpartei. Sie ist gewiss das Resultat einer haarkleinen, organisatorischen Arbeit, von Franz J. Strauß angeregt und verwirklicht, jedoch auch das Ergebnis von komplexeren, politischen, sozialen und kulturellen Prozessen. Die akurate Analyse der politsch-sozialen Entwicklung, in der sich die Wechselfälle und die Evolution der CSU einreihen – die zurückhaltende Annahme der industriellen Gesellschaft mit einer romantischen, antikapitalistischen Haltung, typisch für den reaktionären Katholizismus des 19. Jahrh. Und die besondere Tradition des bay. Partikularismus – würden genügen, um sich ein Bild von der Art der sozialen Schichtung und der politischen Ideologie zu machen, die zu den aufsehenerregenden Erfolgen der CSU in den letzten Wahlen beigetragen haben, in denen sie 60% und mehr der bayerischen Stimmen erreicht hat.
Unter diese Gesichtspunkt erscheint uns die Bemerkung von Otto Stammer in seinem Vorwort zutreffend, wo er die Notwendigkeit unterstreicht, in der Analyse der engen Beziehungen zwischen Parteiapparat und Staatsapparat mehr auf den Grund zu gehen, Beziehungen, die jedoch unserer Meinung nach, nicht die Definition der CSU als »Partei der Industrie« verändern würden, sondern nur ihre Physionomie vervollständigen. Wenn einer solch detaillierten und eigenwilligen Arbeit, bezüglich der Kapazität der politischen und sozialen Integration, die die CSU inmitten von kontrastierenden Interessenverbänden, und von Entwicklungen innerhalb Bayerns durchgemacht hat, so lehrreichen Arbeit ein Vorwurf gemacht werden kann, so betrifft dieser eine Art keimfreier Neutralität, typisch im übrigen für sehr viele Gelehrte und Manipulatoren von politologischen Argumenten, als ob der Autor auf dem Terrain einer abstrakten Phänomenologie der politischen Parteien arbeitete und nicht selbst unmittelbar in seinem Werk einen politischen, fundamentalen Augenblick erfassen würde, einen wesentlichen Punkt des politischen Gleichgewichtes der Bundesrepublik und damit auch ausserhalb von ihr. Eine Bemerkung, die nicht so sehr den Autor betrifft als vielmehr eine Tendenz in der Forschung und eine Methodologie, die dazu neigen, die eigenen Fähigkeiten bis zur Gereiztheit zu erschöpfen und in der Akribie der Forschung, wobei sie sich jedoch weigern, die eigenen politischen und kulturellen Überzeugungen zu erklären.“
„526 pages de texte, 150 pages de notes serrées, 100 pages d’annexes, de bibliograhies at d’index, une cinquantaine de tableaux – ces quelques indications chiffrées donnent une idée de l’importance des longues recherches d’A. Mintzel, bavarois d’origines, du développement, des transformations, des lutes de tendance, et de la structure sociologique d’un parti, conservateur par son idéologie mais très moderne par sa remarquable organisation. A. Mintzel a surtout vu le parti sous l’angle de la sociologie, un autre volume sur le programme et la politique de la CSU doit suivre. La mise en parallèle du développement socio-économique de la Bavière et de l’extension de la CSU est frappante.”
Revue d’Allemagne, Heft 1–3, 1977.