4. Auf Gedeih und Verderb. Lebens-, Geschäfts- und Einkommensverhältnisse im Hofer Druckerei- Verlags- und Pressewesen bis zum Industriezeitalter. Mit einer neuen Dokumentation alter Quellen

Einleitung und Strukturierung

Dank der Öffnung des Archivs der Firma Mintzel-Druck kann dieser Beitrag auf zahlreiche bisher unbekannte und unveröffentlichte Dokumente aus dem 17. 18. und 19. Jahrhundert zurückgreifen. Der ehemalige Inhaber der traditionsreichen Hofer Firma, Stephan Hoermann, hat mir im Jahre 2005 das gesamte Archivmaterial der Firma zur Sichtung, Auswertung und Publikation übergeben. Die im alten, seit Generationen geführten Archiv entdeckten Dokumente aus mehreren Jahrhunderten – Originalhandschriften, Aktenvermerke der Landeshauptmannschaft und der markgräflichen Regierung, Gesuche um Konzessionen, amtliche Berichte und geschäftliche Beschwerden – verändern nicht das Bild, das die oberfränkische Gewerbe- und Kulturgeschichte bisher von der historischen Entwicklung des Hofer Druckerei-, Verlags- und Pressewesen entworfen hat. Sie bieten aber neue überraschende Einblicke und lassen Vorgänge und Zusammenhänge genauer beschreiben. Akteure bleiben nicht länger Schemen in einem vagen historischen Kontext, sondern treten uns in ihren Gesuchen, Beschwerden und Korrespondenzen als Persönlichkeiten entgegen, die ihre geschäftlichen Ziele verfolgen und ihre Lebenssituation verbessern wollen. Dieser Beitrag ist als ein dokumentarischer Nachtrag zu meiner zweibändigen Publikation „Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie“ zu verstehen, der Ergänzungen, Korrekturen und Präzisierungen enthält.

Firmengeschichten folgen häufig einem trockenen chronologischen Muster: „Am einfachsten […] ist die Firmengeschichte in Form der sachlichen Aufzählung: A gründete und tat das; auf ihn folgte Sohn B und tat jenes; B starb kinderlos und die erben verkauften an C; C unternahm diese und jenes; auf ihn folgte sein Sohn D, und der regiert noch heute: Neckischer Zusatz: D junior ist drei Jahre alt und somit die Kontinuität gesichert.“ Dieses lebensferne, knöcherige Schema hatten im 18. Jahrhundert der Hofer Rektor Paul Daniel Longolius und an der Wende zum 19. Jahrhundert der Bayreuther Gelehrte Georg Wolfgang Augustin Fikenscher in ihren Firmengeschichten der Druckereien im Markgrafentum Bayreuth angewandt. Longolius hatte sich mit einer stupenden, um nicht zu sagen stupiden Faktensammlerei begnügt. Fikenscher war nicht weit darüber hinausgegangen. Auch die späteren Firmengeschichten, welche die Firma Mintzel-Druck aus Anlass von Jubiläen publizierte, folgten diesem einfachen Schema. Damit konnten Übergänge von einem Inhaber zum anderen schön „geglättet“ werden, als habe es keine Brüche gegeben, keine geschäftlichen Fehlentscheidungen, als wären alle Inhaber nur tüchtige, weitsichtige Persönlichkeiten gewesen. Longolius und Fikenscher wiesen in ihren knappen chronologischen Skizzen zwar auf geschäftliche Konkurrenz- und Konfliktlagen hin, beließen es aber bestenfalls bei Andeutungen.

Die im Anhang wiedergegebenen Dokumente aus dem Firmenarchiv ermöglichen in Verknüpfung mit anderen, teilweise schon bekannten Quellen noch mehr Licht in die vorindustriellen Lebens-, Geschäfts- und Einkommensverhältnisse im Hofer Druckerei- Verlags- und Pressewesen zu bringen. Missliche Umstände, Existenz gefährdende Konkurrenzsituationen, betriebliche Schwierigkeiten und wirtschaftliche Fehlentscheidungen kommen noch deutlicher ans Tageslicht. Damals griffen vor allem obrigkeitliche Entscheidungen immer wieder tief in die Situation der Gewerbe ein. Das Druckerei-, Verlags- und Pressewesen war in besonderer Weise den obrigkeitlichen Gewerbe- und Polizeiordnungen unterworfen. Evangelische Pastoren, insbesondere die Superintendenten, und die Rektoren des Gymnasiums mischten sich ein und trugen zum Gedeihen, aber auch zum Schaden der Betriebe bei. Die Einkommensverhältnisse wurden, wie im Folgenden aufgezeigt wird,  von einer Mehrzahl von Wirkfaktoren bestimmt. Auch soziale und gewerbliche Netzwerke waren daran beteiligt. Verwandte Familien und benachbarte Berufskreise wie Buchbinder und Kleinverleger halfen Notzeiten zu überstehen. Generell müssen wir zwischen dem so genannten freien Handwerk und freien Erwerbsformen und dem zünftigen Handwerk unterscheiden. Buchdrucker, Buchhändler und Papiermacher zählten zu den freien, das heißt, zu den nicht in Zünften organisierten Handwerken. Sie waren folglich keiner Zunftordnung unterworfen.[ii] Sie unterstanden direkt obrigkeitlichen Verordnungen und Kontrollen. Die Buchbinder waren hingegen in einer Zunft zusammengeschlossen.

Die bestimmenden, wirkungsmächtigen Faktoren können nach einem groben Schema aufgezeigt werden. Für das Hofer Druckerei- und Verlagswesen, und das gilt mutatis mutandis, also mit den notwendigen lokalen Varianten, für die Markgrafschaft Bayreuth allgemein, lässt sich eine „stille“ Wirkkraft erkennen. Nach einem „ehernen Gesetz“ konnte an den Druck- und Verlagsorten jeweils nur ein Druckereibetrieb wirklich florieren. Die obrigkeitliche Zulassung einer zweiten Offizin führte unter den gegebenen sozialen und gewerblichen Rahmenbedingungen regelmäßig zu geschäftlichen Einbußen der ersten und zu einem ruinösen Konkurrenzkampf unter beiden. Mal obsiegte die eine, mal die andere. Ich werde diese „stille“ Wirkkraft an vier Beispielen demonstrieren und ihre Auswirkungen auf die Lebens-, Geschäfts- und Einkommensverhältnisse sichtbar machen.

Es gab noch ein zweites „ehernes Gesetz“, oder sagen wir eine notgedrungene Regelmäßigkeit in diesen Branchen, nämlich Erwerbstätigkeiten neben dem erlernten Hauptberuf nachgehen zu müssen. Mitunter erhielten „Nebenerwerbstätigkeiten“ wahrscheinlich das Gewicht des Hauptberufes. So waren bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts und noch darüber hinaus so gut wie alle Hofer Druckereibesitzer, seien es gelernte Drucker oder Schriftsetzer gewesen, gelegentlich oder dauerhaft auch als Verleger tätig. Sie waren Druckerverleger. Sie handelten außerdem mit Schreibzubehör wie Papier, Federkiele, Schreibfedern und nicht zuletzt auch mit Altpapier. Man könnte sagen, die Druckereien führten zugleich einen Schreibwarenladen. In Konkurrenz zu, aber auch in Kooperation mit diesen Druckerverlegern und gleichzeitigen Kleinhändlern traten Futteralmacher, Buchbinder und Handelsleute, die allerlei Druckschriften verlegten (Johann Siegmund Strauß; Johann Christoph Leidenfrost; Johann Gotthard Püttner; Georg Stephan Ritter). Eine dritte Gruppe bildeten die gelernten Buchhändler, die in der Regel ebenfalls mit Verlagsgeschäften für sich eine weitere Einkommensquelle erschlossen. Es waren bekannte Verlagsbuchhändler wie Johann Gottlieb Vierling (1711 – 1782) und seine Nachfolger Carl Johann Albrecht Meyer (? -1793) und Gottfried Adolph Grau (1765-1827), die mit der Zeit die Druckerverleger auf diesem Erwerbsfeld zurückdrängten. Hofer Verlagsbuchhändler traten zudem auch als Leihbibliothekare und Versicherungsagenten auf. Vierling führte nebenbei ein Leihbücherei[iii], die erste private in Hof.[iv] Grau führte die Vierlingsche Leihbücherei fort und handelte außerdem mit Versicherungspolicen.[v] Aus diesen Tatsachen können wir schließen, dass in der Regel das Einkommen aus dem erlernten Hauptberuf zum Lebensunterhalt nicht voll ausreichte, vor allem wenn größere Familien ernährt werden mussten. Die Einkommensverhältnisse setzten sich folglich aus mehreren Komponenten zusammen. Für quantitative Angaben über die Anteile der Einzelerträge aus den verschiedenen Erwerbsfeldern fehlen allerdings einschlägige Quellen. Wir müssen es bei einer Art qualitativen Analyse belassen. Aus verschiedenen amtlichen Dokumenten und anderen Quellen erfahren wir zumindest punktuell einiges über Lebensverhältnisse und Geschäftssituationen. Die Konkurrenten kamen sich immer wieder ins Gehege, es gab den sprichwörtlichen Handwerkshader. Es kam zu Streitigkeiten über angebliche oder tatsächliche geschäftliche Beeinträchtigungen und Privilegien. Die Obrigkeit wurde angerufen und deren Machtwort erbeten. Handschriftliche und gedruckte Quellen enthalten darüber Auskünfte zu unseren Fragestellungen. Beide wirtschaftlichen Wirkkräfte, die ruinöse Konkurrenz zweier Druckereien, und die Notwendigkeit nebenberuflicher Erwerbstätigkeiten, bestimmten über zweihundert Jahre, bis zum Beginn des Industriezeitalters Mitte der 1850er Jahre, die Erwerbsverhältnisse in diesen Branchen.

Folgendes ist noch allgemein zu bedenken: Es gab noch keine sozialstaatlichen Gesetze, keine Arbeitslosenversicherung, keine Sozialversicherung, keine Krankenversicherung, keine Altersversicherung, keine Pflegeversicherung und – außer der christlich-karitativen Kranken- und Altenpflege und dem Almosenkasten – keine garantierte öffentliche Fürsorge. Ein Pensions- oder Rentenalter war eben so wenig bekannt wie ein Stichjahr für den Eintritt in den Ruhestand. Gearbeitet wurde so lange, wie es die körperlichen und geistigen Kräfte ermöglichten. Die Familie war die unersetzbare materielle und immaterielle Versorgungs- und Schutzgemeinschaft, Kinder waren die Alters- und Pflegeversicherung. Alle arbeitsfähigen Familienmitglieder mussten dazu beitragen, die materielle Versorgung der Familie sicher zu stellen. In der Arbeits- und Lebensgemeinschaft und im Regelwerk des Alltags kam der Ehefrau des Betriebsinhabers, der Prinzipalin, eine zentrale Rolle zu. Sie hatte für die Beherbergung, Verköstigung und Pflege des Druckereipersonals zu sorgen. Sie nahm noch unmittelbar teil am Alltag des Betriebes, sie war noch in den Rhythmus des Arbeitsablaufes mit eingebunden. Sie wurde deshalb häufig „die Seele des Betriebes“ genannt.

Die Aufzählung der drei beruflichen Hauptgruppen, die in den fokussierten Branchen und weiteren Erwerbsfeldern tätig waren, zeigt, dass im Rahmen dieses Beitrages ein Schwerpunkt gesetzt werden muss. Ich lege ihn auf das Druckerei- und Verlagswesen und befasse mich hauptsächlich mit den Einkommensverhältnissen der Hofer Druckerverleger und Zeitungsverleger seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert.

Mit der Gründung der Bayreuther Druckerei 1659/60 verlor das Hofer Druckerei- und Verlagswesen sein Monopolstellung, das es in der Markgrafschaft Kulmbach-Bayreuth hundert Jahre lang innehatte. Seither kam es auch an anderen so genannten Hauptstädten der Markgrafschaft zur Gründung von Druckereien und Verlagen, welche die Erwerbsbasis des Hofer Druckereigewerbes schmälerten.[vi] Der Hofer Druckerverleger Gottfried Mintzel (1642 – 1713) beschwerte sich deshalb in den 1670er und 1690er Jahren bei der markgräflichen Regierung, konnte aber die Entwicklung nicht aufhalten. Im Jahre 1692 kam es dann am Ort zur Gründung einer zweiten Druckerei. Ein junger Drucker namens Johann Nikolaus Martius (1661 – 1729), ein Pfarrersohn aus dem benachbarten Berg, ließ sich in Hof nieder. An diesem Punkt beginne ich mit meinen speziellen Analysen.

  1. Das “eherne Gesetz“: Der einen Gedeihen ist der anderen Untergang

Beispiel 1: Die ruinöse Konkurrenz  Gottfried Mintzel / Johann Nicolaus Martius,

 1692 – 1703

Mit der Gründung der Offizin des Martius trat dessen Betrieb in Konkurrenz zur Mintzelschen. Wie sich rasch herausstellen sollte, hatte der Wettbewerb um Druckaufträge und um Einnahmequellen für beide Seiten ruinöse Auswirkungen. Für zwei Druckereien gab es in Hof nicht genug zu tun, um florieren zu können.

Wer war dieser Johann Nikolaus Martius? Er stammte aus der kinderreichen Familie des markgräflichen Predigers Nicolaus Martius. Er war 1661 in Geroldsgrün als neuntes Kind des Pfarrerehepaars Martius zur Welt gekommen. Das Buchdruckerhandwerk hatte er zur Zeit der türkischen Belagerung Wiens erlernt. Im Jahre 1683 war er in Wien als Buchdruckergeselle beschäftigt. Danach war er nach Tyrnau in Ungarn gegangen, um dort in der Buchdruckerei der Jesuiten als Faktor zu arbeiten. Etwa 1691/92 hatte ihn sein Weg zurück in die Heimat geführt, wo er sich in Hof als Drucker niederließ. Seine Hoffnung, in Hof könne seine neu gegründete Offizin neben der Mintzelschen gedeihen, gründete wohl in den väterlichen Beziehungen zur markgräflichen Beamtenschaft. Vater Martius hatte, bevor er im Jahre 1690 in Berg bei Hof Pfarrer wurde, verschiedene Pfarrstellen inne und anscheinend das besondere Wohlwollen und die Unterstützung des Hofer Superintendenten Joseph von Waldeck genossen. Von Waldeck hatte den Vater zum Senior des Kapitels bestellt, ein Ehrenamt, das Pastor Martius vierzig Jahre lang begleitete. Die guten Beziehungen zum Superintendenten dürften dabei hilfreich gewesen sein, bei der markgräflichen Regierung eine Druckerei- konzession zu erwirken. Die Herren Geistlichen waren, dessen dürfen wir ziemlich gewiss sein, nicht „marktorientiert“, oder etwas präziser ausgedrückt, zu wenig am Bedarfsmarkt[vii] orientiert. Sie hatten als Autoren ihre eigennützige Sicht der Verhältnisse und verfolgten in hohem Maße eigene Interessen.

Als sich dann rasch herausstellte, dass in Hof zwei Druckereien nebeneinander auf Dauer nicht existenzfähig waren und eine im ruinösen Wettbewerb unterzugehen drohte, rieten wohl die Geistlichen Herren den beiden Druckern , Gottfried Mintzel und Johann Nikolaus Martius, sich zusammen zu tun. Am 6. Mai 1693 schlossen die beiden Druckerherren einen Kooperationsvertrag, Mintzel und Martius wurden Kompagnons. Einzelheiten des Kooperationsvertrages sind nicht überliefert, so dass manches unklar bleibt. Aber auch diese Hilfsmaßnahme erwies sich schon nach kurzer Zeit als nicht tragfähig. Erneut versuchte der Superintendent von Waldeck, dessen eigennützige Fehleinschätzungen die Misere vermutlich mit heraufbeschworen hatten, einzugreifen. Er wollte in dieser Situation, wie er meinte, beiden Druckern „gerecht“ werden. Er teilte zum Beispiel 1699 seine Leichenpredigtensammlung „Ehren-Gedächtnis der Gerechten“ in einen ersten und zweiten Sammelband auf und ließ den ersten bei Martius und den zweiten bei Mintzel drucken. Beide Druckwerke glichen sich bis auf geringe Abweichungen wie ein Ei dem anderen. Dem „Ersten Theil“ wurde ein Frontispiz mit dem Konterfei des Autors vorangestellt. Beide Drucker sollten wohl nicht sagen können, der Autor habe einen benachteiligt. Mintzel und Martius gaben ihr Bestes und zeigten, was sie typografisch zu leisten vermochten. Allerdings konnte diese Form einer vermeintlich „gerechten“ Verteilung von Druckaufträgen bei dem auf kleine Kreise beschränkten kulturellen Leben in Hof und seiner Umgebung den Bankrott einer der beiden Druckereien nicht aufhalten. Das eherne ökonomische Gesetz, dass sich bei gegebener „Bedarfsmarktlage“ nur eine halten konnte, wurde mit ganzer Wucht wirksam: Martius musste im Jahre 1703 aufgeben. Unser Gewährsmann, der Bayreuther Gelehrte Georg Wilhelm Augustin Fikenscher (1773 – 1813) brachte es später in seinem kleinen Werk über die „Geschichte des Buchdruckerwesens in dem Burggrafthum Nürnberg oberhalb Gebürgs“ auf den Punkt. Er schrieb 1802: „Denn ob er [Martius] gleich auf seine Druckerei viel verwendete, sich gute Schriften anschafte und für das äußere Empfehlende der ihm zu Drucken anvertrauten Sachen sorgte, so war Hof damals der Ort nicht , an welchem sich zwei Buchdrucker nähren konnten. Mintzel, der sich auch über ihn beklagte, litt daher durch ihn, und er selbst [Martius] gerieth in Verfall, worauf es ihm ziemlich hart gieng, bis er endlich im Dezember 1729 verstarb.“ Fikenscher bezog seine Informationen aus der Schrift von Paul Longolius, der 1741 geschrieben hatte, die ruinöse Konkurrenzsituation habe nicht nur Martius in den Bankrott getrieben, sondern auch die alteingesessene Offizin Mintzel geschädigt. Deren Einnahmen hatten sich so verringert, dass sie in den Betrieb zur Verbesserung der Qualitätsstandards nicht genügend investiert konnte.

Wohlgemerkt: Es gab im 17. Jahrhundert in Hof keinen wirklich anonymen, offenen Markt, auf dem die Druckerzeugnisse hätten an jedermann verkauft werden können. Für die meisten Druckerzeugnisse, besonders für die in lateinischer Sprache, gab es nur einen äußerst beschränkten Bedarfsmarkt für kleine akademische Kreise und für wenige betuchte Interessenten. So dienten zum Bespiel die zum Teil in lateinischer Sprache verfassten Beiträge der Rektoren Christoph Lyriz und Johann Christoph Weiß zur „Historia Curiana“, die in den Jahren von 1685 bis 1694 bei Gottfried Mintzel gedruckt worden waren, der lokalen Geschichtsschreibung und dem Prestige des Hofer Gymnasiums als einer herausragenden regionalen Bildungsstätte.[viii] Bezeichnender Weise waren sie von ihren Autoren an „die Ersten der Stadt Hof und an alle Gebildeten“ sowie an „alle Gönner der Wissenschaften“ gerichtet, an ortsansässige, illustre Kreis also.[ix] Darüber hinaus konnte nur mit einem geringen Absatz der Druckwerke gerechnet werden. Einige Exemplare wurden wahrscheinlich auf den Leipziger Messen feilgeboten. Mit dem Verkauf auf dem kleinen „Bedarfsmarkt“ sollten die Druck- und Herstellungskosten gedeckt und darüber hinaus ein bescheidener Ertrag gewonnen werden. Eine Druckerfamilie hatte damit ein hinlängliches Auskommen, für eine zweite reichte es nicht aus. Für die lokale und engere regionale Bedarfsdeckung genügte, wie die Beispiele zeigen, eine Druckerei.

Die Buchdruckerfamilie Mintzel lebte bis Mitte des 18. Jahrhunderts zwar nicht in ärmlichen Verhältnissen, sie musste aber doch ein bescheidenes Leben führen. Sie wohnte von 1642 bis 1760/61immerhin in ihrem eigenen Haus in der Ersten Gasse nahe am Oberen Tor, in der heutigen Ludwigstraße 85.

Beispiel 2: Die ruinöse Konkurrenz Mintzel/Schultze bzw. Hetschel/Schultze,1733 – 1741

Nach dem Ableben Johann Christoph Mintzels (1676 – 1733), der in der Generationsfolge der Hofer Druckerdynastie Mintzel der dritte Drucker gewesen war, kam es von 1733 bis 1741 erneut zu einer hoch dramatischen und wiederum für beide Konkurrenzparteien existenziell bedrohlichen Situation. Zwischen 1733 und 1741 spielte sich ein gewerblicher Existenzkampf auf Gedeih und Verderb ab. Kaum war der verstorbene Buchdrucker Johann Christoph Mintzel im Juni 1733 auf dem Sankt Lorenzfriedhof begraben worden, da fand sich schon Anfang Juli 1733 beim Magistrat der Stadt Hof ein Buchdrucker aus Schneeberg/Sachsen ein und übergab unter dem Datum des 3. Juli 1733 sein Gesuch, in Hof eine eigene Druckerei eröffnen zu dürfen. Es war der Buchdrucker Johann Ernst Schultze (1704 – ?), ein gebürtiger Dresdner,[x] der anscheinend über die neue Situation in Hof gut informiert und beraten gewesen sein muss. Mintzel hatte vier noch unmündige Kinder hinterlassen, darunter zwei minderjährige Söhne, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Lage gewesen waren, die Druckerei weiterzuführen.[xi] Schultze hatte sich anscheinend gute Chancen ausgerechnet die Mintzelsche Druckerei sich aneignen und mit seiner mitgebrachten zu einem größeren Betrieb vereinen zu können. Er erwarb die seit 1729 verwaiste Druckerei des verstorbenen Martius[xii] und strebte in Hof unverkennbar eine Monopolstellung an. Die überlieferten Quellen lassen keinen Zweifel zu, Schultze setzte alles daran, in Hof zum alleinigen Druckerverleger aufzusteigen. Verständlicherweise war der kleine Kreis der akademischen und gewerblichen Oberschicht der Stadt Hof daran interessiert, möglichst bald wieder einen Drucker am Ort zu haben. Die Interessen beider Seiten kamen sich entgegen.

Schultze betonte in seinem Gesuch, er, ein Bürger Schneebergs und dort etablierter Buchdruckerherr, habe keinen Grund, den Ort zu wechseln. Aber unter gewissen Bedingungen wäre für ihn eine Niederlassung in Hof vorteilhaft. Auch die Stadt Hof hätte von seiner großen Druckerei viel Nutzen, denn er brächte zahlreiche ausländische Aufträge mit und somit ausländisches Geld herein. Er habe insbesondere einen Großauftrag aus Halle, der seine Pressen für längere Zeit auslaste. Er beschäftige zwanzig Gesellen und fünf Lehrlinge. Was er zunächst nur andeutete, um sein Gesuch interessant zu machen, legte er dann offen: Es handle sich um das „das ieziger Zeit größte gelehrte opus nehmlich das sogenannte Universal-Lexikon in 26. folianten stehend“, das er „pro parte zu drucken unter Händen habe.“ Schultze machte sein Gesuch mit beredten Worten schmackhaft, kehrte durch viele lateinische Wendungen sein „gebildetes Handwerk“ hervor und gerierte sich wie ein erfolgreicher Großunternehmer. Er trat selbstbewusst auf und ging zielstrebig aufs Ganze. Er unterstellte in seinem Gesuch, das Mintzelsche Druckereiprivileg sei mit dem Ableben des alten Druckers Mintzel erloschen. Es könne nun einem Bewerber, nämlich ihm, ein neues Privileg gewährt werden. Schultze bedingte sich aus, außer seiner Buchdruckerei dürfe „keine andere künfftighin in Hof […] errichthet“ werden. Ihm müsse folglich das jus prohibendi [das Recht des Verbietens] erteilt werden. Er forderte zudem, dass ihm die ehemaligen Steuerprivilegien der Mintzels übertragen werden. Das Gesuch zeigte einen Bewerber, der genaue Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse hatte und sich ziemlich sicher wähnte, unter vorteilhaften Bedingungen nach Hof berufen zu werden. Am Ende seines Gesuches gab sich Schultze noch gönnerisch. Er erbot sich, der Witwe Mintzel, es war Anna Regina Mintzel (1698 – 1765), damit ihr kein Übel geschehe, ihre Offizin zum Schätzpreis abzukaufen. Seine Absichten waren klar und unmissverständlich. Er wollte den endgültigen Untergang der Mintzelschen Buchdruckerei herbeiführen und in den alleinigen Genuss des Hofer Druckereiprivilegs kommen.

Kenner der damaligen Verhältnisse erraten unschwer, wer hinter dem selbstbewussten Auftritt Schultzes stand. Es war der Rektor des Hofer Gymnasiums, nämlich Paul Daniel Longolius (1704 – 1779), der seit 1735 die Rektorenstelle innehatte. Bevor ich aber auf dessen Rolle zu sprechen komme, muss ich Anna Regina Mintzels couragierte Abwehr der, wie wir heutzutage sagen, „feindlichen Übernahme“ ihrer Offizin schildern. Ich muss mich kurz fassen. Anna Regina Mintzel wehrte sich entschieden und tapfer gegen die Absichten Schultzes und seiner einflussreichen Helfer und Befürworter. Sie durchkreuzte deren Pläne mit einem lebensklugen Schachzug. Sie wollte unter allen Umständen die Mintzelsche Druckerei fortführen und dachte zunächst daran, sie zu verpachten.[xiii] Dann ergab sich unverhofft, wie das Leben so spielt, eine andere Situation.

Mit Schultze war aus Schneeberg der Druckergeselle Johann Andreas Hetschel (1707-1791) nach Hof gekommen, um dort mit Schultze sein Glück zu finden. Neben dem offiziellen Schauplatz der Verhandlungen, die im Rathaus stattfanden, ergab sich situativ und im Stillen noch ein zweiter, ganz privater. Der junge Hetschel erkannte anscheinend rasch, dass in der Hofer Druckereisituation und bei den gegebenen Verhältnissen der Druckerfamilie Mintzel noch eine andere, für ihn womöglich günstigere Chance gegeben sein könnte. Die Witwe Mintzel, die im 34. Lebensjahr stand[xiv], brauchte für sich und ihre Kinder einen Ernährer und wollte zu diesem Zweck die Druckerei fortführen.[xv] Der Druckergeselle, erst 25 Jahre alt[xvi], sah, wie energisch sich Anna Regina Mintzel gegen die Absichten Schultzes wandte. Lag es da nicht nahe, sich mit ihr zu verbünden? Bot sich ihm nicht gar eine günstige Gelegenheit zur Einheirat? Hetschel ergriff die Initiative und diente sich der Witwe als Helfer und Faktor an.

Die Witwe fand Gefallen an ihm und machte ihn zum Betriebsleiter ihrer Offizin. Witwe und Faktor, zunächst noch unverheiratet, fanden sich nicht nur geschäftlich, sondern auch im Bett und betrieben nach damaligen Konventionen und kirchlichen Vorschriften „Unzucht“. Das mag das geschäftliche Bündnis obendrein bestärkt haben. Beide unternahmen nun alles, eine „feindliche Übernahme“ zu verhindern und fanden auch im Stadtmagistrat Fürsprecher. [xvii]

Der langwierige Streit lief 1734 am Ende darauf hinaus, dass beide Parteien ihre Forderungen zurückstecken mussten. Schultze erhielt für seine Druckerei, die er inzwischen nach Hof überführt hatte, die gewünschte Konzession und Steuerbefreiung.[xviii] Zur Versorgung seines Haushalts, und dazu zählte sein vielköpfiges Druckereipersonal, gestand die Bayreuther Regierung Schultze sogar zu, jährlich zwei Rinder und vier Schweine ohne Aufschlag (Steuer) schlachten lassen zu können und ein ganzes Gebräu Bier Hofes Maßes (15 Eimer Bier zu je 64 Maß) ohne Zahlung einer Biersteuer brauen zu dürfen.[xix] Schultze musste sich jedoch damit einverstanden erklären, dass der Mintzel – Hetschelsche Betrieb, der das alte Mintzelsche Privileg aus dem Jahr 1645 verlor, weiter existiert und berechtigt sei, alle Schriften aus dem Gymnasium zu drucken. Mit diesen obrigkeitlichen Entscheidungen bahnte sich wiederum eine unheilvolle Entwicklung an. Es war von oben eine ungleiche „Arbeitsteilung“ verfügt worden, die der geschäftlich waghalsige Schultze zunächst zu seinen Gunsten entscheiden konnte. Dennoch ging seine Rechnung nicht auf. Johann Andreas Hetschel und Anna Regina Mintzel heirateten Mitte Oktober 1734, Reginas Schwangerschaft war nicht mehr zu verbergen.[xx] Vier Monate später kam das Kind zur Welt.[xxi] Das Ehepaar ging schweren, entbehrungsreichen Jahren entgegen. Von den schmalen Einkünften aus dem Druck von Schriften aus dem Gymnasium allein konnte eine kinderreiche Familie nicht ernährt werden. Die Lehrer zählten selbst zu den am schlechtesten bezahlten in der Markgrafschaft.[xxii]

Ein treibender und eigennütziger Befürworter der Niederlassung Schultzes in Hof war ohne Zweifel Longolius, der Rektor des Hofer Gymnasiums. Der Verleger Johann Heinrich Zedler (1706.-.1763)[xxiii], der sich vorgenommen hatte, neben der Encyclopedie Diderots und -da´Alemberts[xxiv] das größte Lexikon aller Zeiten herauszubringen, hatte den Altphilologen Longolius für die Kompilation und Redaktion der Bände 17 und 18 gewinnen können. Der ehrgeizige und Ruhm beflissene Longolius war für seine stupende Gelehrsamkeit, seinen außerordentlichen Fleiß und für seine „Vielschreiberei“ (Ludwig Philipp von Weitershausen) bekannt gewesen. Das Verlagsunternehmen Zedlers war auf seine schriftstellerischen Ambitionen und bunt gewürfelten historischen Interessen und philosophischen Interessenfelder geradezu passgenau zugeschnitten. Also machte sich Longolius bienenfleißig an die Arbeit, sammelte, kompilierte, verfasste, redigierte und schuf in den ihm aufgetragenen Bänden 17 und 18 Tausende von Lemmata-Waben und füllte sie mit dem Honig seiner literarischen Ausflüge. Er setzte seinen ganzen Ehrgeiz und seine unermüdliche Schaffenskraft daran, zu diesem Großunternehmen des Wissens beizutragen und sich hierdurch selbst ein Denkmal zu setzen. Die Stadt Hof und ihre lokale Geschichtsschreibung sind noch heute stolz auf diese Leistung und heben den Hofer Anteil am „Zedler“ mit Genugtuung hervor. Longolius schloss in der Tat mit seiner Beteiligung das kleine markgräfliche Hof an die allgemeine deutsche und europäische Kulturgeschichte an. Es ist dem Longolius also gar nicht zu verdenken, dass er den von Zedler mit dem Druck von Bänden beauftragten Schneeberger Buchdrucker Schultze gleich am Ort haben wollte. Das erleichterte die unabdingbare enge Zusammenarbeit. Der kleine Mintzelsche Druckereibetrieb wäre wahrscheinlich mit der Drucklegung eines solchen grandiosen Werkes überfordert gewesen, zumal nach dem Ableben Johann Christoph Mintzels. Die Handlungsstrategie und Parteinahme Longolius´ waren in dieser Hinsicht sicher realistisch.

Die Zusammenarbeit von Rektor und Buchdrucker führte zu einer merkwürdigen Komplizenschaft, die bis heute so gut wie unbekannt geblieben und noch nicht ganz aufgeklärt ist. Der ambitionierte Longolius und der sich als Großunternehmer gerierende Schultze machten sich jedenfalls temporäre Schwierigkeiten des Verlegers Zedler zu Nutze und publizierten die Bände 17 und 18 auf eigene Faust als Hofer Produkte. Zedler hatte bis 1738 in Sachsen nicht drucken lassen dürfen. Schultze ergriff die Gelegenheit und brachte die beiden Bände ohne Wissen und Zustimmung Zedlers unter eigenem Namen heraus: Im Titelblatt stand zu lesen: „Hof im Voigtlande, Gedruckt und verlegt von Johann Ernst Schultzen. Im Jahr 1738“. Auf den Titelseiten erschien nicht einmal der Name Zedler. Schultze hatte Druck und Verlag buchstäblich an sich gerissen. Longolius war, so dürfen wir annehmen, zumindest Mitwisser, wenn nicht gar stillschweigend am Coup beteiligt. Die Hofer lokale Geschichtsschreibung sagt dazu, es habe nur eine Missstimmung zwischen Zedler und Longolius gegeben. Nein! Zedler reagierte wütend auf diese Art des Raubdrucks und auf die skrupellose Usurpation der Verlegerrolle. In seiner zornigen Vorrede zum 19. Band prangerte Zedler die „unzehligen Druckfehler“ der Hofer Edition an. Schlug er den Sack und meinte den Esel? Longolius hatte sich immer seiner fleißigen und akkuraten Korrekturarbeiten gerühmt. Griff also Zedler in seiner Philippika indirekt auch Longolius an? Zedler beendete jedenfalls seine Zusammenarbeit mit dem Hofer Rektor im Krach. Und an Schultze ließ er kein gutes Haar. Schultze, so gab er in seiner Vorrede zum 19. Band Käufern und Lesern bekannt, wolle, den Verlag des XVII und der folgenden Theile an sich […] reissen“ und ihn um seinen Profit bringen. Er warnte: „Diejehnigen, welche aber sich aber durch die von […] Schultzen ausgestreuten gedruckten Unwahrheiten die Augen blenden lassen sollten, werden zu rechter zeit zu ihrem Schaden […] nicht allein unvollkommene, fehlerhafft gedruckte und verstümmelte Theile erhalten:“. Sie, die Bezieher und Käufer der Edition des Schultze würden spätestens dann ihren Nachteil und Schaden erkennen, „wenn […] Schultze so entkräftet seyn wird, dass er die übrigen Theile zu liefern nicht mehr im Stande seyn wird.“ Das werde schon bald eintreten, „da er eine grosse Schulden=Last auf dem Hals hat […]“ Zedler schätzte die Geschäftslage Schultzes richtig ein. Er sollte Recht behalten. Zur Entlastung Schultzes muss allerdings eingeräumt werden, dass damals zum Ärgernis von Verlegern und Autoren Raubdruckerei noch gang und gäbe war. Insofern hatte Schultze mit einer weit verbreiteten Praxis Geld verdienen wollen.

Der unermüdliche und initiativreiche Longolius wollte aus dem Hofer Gymnasium wieder eine Bildungsstätte von hohem Rang machen und spannte für seine ehrgeizigen Pläne und vielen Schriften die am Ort tätigen Drucker, Buchhändler und Freunde des Gymnasiums ein. Allerdings führten seine Initiativen und Druckaufträge, was die geschäftliche Seite anbelangt, zu überspannten Hoffnungen. Einerseits ist es erstaunlich, was die sehr kleinen Kreise gebildeter und beamteter Stadtbürger in diesem Ackerbaustädtchen an geistigen Gütern hervorbrachten. Andererseits weist diese ruinöse Überproduktion dickleibiger Bücher auf eine künstlich überhitzte Auftragslage hin. In Hof lebten keine reich begüterten Patrizier[xxv] und große Handelsherren wie in Augsburg, Nürnberg oder Leipzig. Wer sollten die Abnehmer der gedruckten Werke sein? Wer die Leser? Schultze musste, und das galt auch für den Drucker Hetschel, die Kosten für das teuere Papier vorschießen. Die Papierkosten machten den Hauptteil der Produktionskosten aus. Sie wurden Schultze zum Verhängnis. Longolius trug höchstwahrscheinlich mit seinem Publikationseifer indirekt zu den Zahlungsschwierigkeiten und zum Ruin seines Proteges bei. Der Rektor hatte, und dies durchaus eigennützig, für Druckaufträge gesorgt und selbst viele erteilt, doch nicht den Absatz garantieren können. Er war ein ehrgeiziger, rühriger Gelehrter und Lehrer, aber kein Geschäftsmann. Wir können in Longolius durchaus das Paradebeispiel eines Autors sehen, der als Professor und Rektor des Hofer Gymnasiums zwar ein kleines, aber sicheres Einkommen hatte und ideelle Zwecke verfolgte, jedoch nicht in betriebswirtschaftlichen Kategorien dachte und handelte.

In der Zeit um 1740/41 spitzte sich die schlechte Geschäftslage der Offizin Schultzes zu. Die Schuldenlast, die Überkapazität an Druckereipersonal und eine viel zu optimistische Einschätzung der Lage auf dem kleinen Hofer und markgräflichen Büchermarkt führten in

eine geschäftliche Katastrophe. Schultze hatte seinen Druckereibetrieb viel zu groß aufgezogen und übermäßig mit Produktionsmitteln ausgestattet. Zahlungsunfähigkeit war die Folge. 1741 war er am Ende. Er schuldete seinen Gläubigern „viele Tausend Gulden“ und wurde außerdem zu 500 fl. Strafe verurteilt[xxvi] Nach einem großspurigen Anfang ein unrühmlicher Abgang. Er verließ quasi über Nacht Hof und musste seine Druckerei als Pfand zurücklassen.[xxvii] Sein weiteres Schicksal ist unbekannt. Hetschel nahm den Bankrot Schultzens zum Anlass, die alten Mintzelschen Privilegien von neuem regierungsamtlich bestätigen zu lassen. Am 12. Juli 1741 schrieb er an die Bayreuther Obrigkeit: Ich finde nöthig, ja mich genöthiget, occassione der mit des Schulzens falliment eingegangenen Buchdruckerey bey Serenissimo um die Confirmation der meiner Buchdruckerey vor alten Zeiten ertheilten Hochfürstl. genädigste Privilegien, zugleich aber auch gnädigtse Concession des juris prohibendi unterthänigst anzulangen“[zu bemühen – A.M.].[xxviii]. Der Hofer Stadtrat wartete aber erst einmal ab, was mit der Schultzeschen Druckerei geschehen werde. Die Gläubiger sollten aus dem Erlös des Verkaufes zumindest teilweise entschädigt werden.

Der Bürgermeister und der Stadtrat von Hof berichteten in ihrem Schreiben vom 29. März 1743 an die markgräfliche Regierung, was sich seit 1733 in der Hofer Druckereibranche ereignet hatte, insbesondere über den Konkurs des Schultze und seine Folgen.[xxix] Bürgermeister und Stadtrat bezichtigten Schultze, seine Versprechungen, „frembde Arbeit ins Land zu ziehen und der Stadt ein starckes Consumtions-Interesse zuzuwenden“, nicht eingelöst habe. Schultze sei an dem „zum Verlag übernommenen Universal-Lexicons unglücklich“ geworden.[xxx] Die Stadtobrigkeit hatte offenbar kein klares Wissen über die Usurpation der Verlegerrolle. Etwas verblümt gestanden Bürgermeister und Stadtrat ein, 1733/34 gutgläubig auf die Versprechungen Schultzes hereingefallen zu sein. Sie legten aber auch den tieferen Grund der Misere dar, indem sie auf das „eherne Gesetz“ verwiesen: „Dabey findet ein Buchdrucker endlich noch dürftiges Brod. Wird aber die Zahl verdoppelt, so ruiniret einer den anderen, wie das Exempel gegenwärtig am Tage ist“[xxxi] In ihrem Schreiben empfahlen die Stadtoberen der markgräflichen Regierung, Hetschel wieder die alten Mintzelschen Privilegien zu gewähren und sicher zu stellen, dass fortan wieder nur eine Druckerei in Betrieb ist.

Der weitere Gang der Verhandlungen führte 1746 zum Verkauf des Mintzel-Hetschelschen Druckerei an das Hofer Gymnasium. Wiederum scheint Longolius eingegriffen zu haben. Es war wohl sein Vorschlag, die Druckerei für das Gymnasium zu erwerben. Nach dem Stillstand der Druckerei Schultzes war ihm sehr daran gelegen, dass der Mintzel-Hetschelschen wieder zu einem voll funktionsfähigen und gut ausgestatteten Druckereibetrieb hoch gezogen wird. Im Jahre 1746 erwarb das Gymnasium mit Mitteln aus dem Capital der Auerbachschen Stipendienstiftung die Druckerei und behielt sie bis 1800 in ihrem Eigentum. Longolius setzte den bisherigen Eigentümer Hetschel als Pächter ein. Mit der Überführung der kleinen Druckerei in das Eigentum des Gymnasiums hatte Longolius erreicht, wonach er im Grunde gestrebt hatte: nach einer „Hausdruckerei“, die in seinen Diensten stand. Die so genannte Gymnasiumsdruckerei konnte dann schlecht und recht durch die nächsten Jahrzehnte geführt werden. Longolius hatte eines seiner „Lieblingsprojekte“ verwirklichen und sich nach dem kläglichen Scheitern des Schultze, das letztendlich auch sein Scheitern gewesen war, als Retter in der Not ausgeben können. Man lese in „Des Höfischen Gymnasiums Geschichte „(II. Teil) aus dem Jahre 1746 nach, in der Longolius im „Funfzehenden Hauptstücke“ seine Genugtuung ausdrückt, dass ihm die „Aufsicht […] aufgetragen worden“ sei. Der Gelehrte verstand es, seine privaten Interessen immer als allgemeines Interesse darzustellen. In einer Fußnote zum Kapitel „Von der Buchdruckerey“ teilte Longolius mit, dieses Kapitel gäbe einen Vorgeschmack von seiner „zum Drucke fertig liegenden Jahrgeschichte des Buchdruckereiwesens der Brandenburgischen Lande oberhalb Gebürgs“ Das war gelinde gesagt eine mehr als vollmundige Ankündigung. Die Lücken und Mängel des Manuskripts waren noch viel zu groß, um es in Druck gehen lassen zu können. Zu den turbulenten Jahren zwischen 1733 und 1741 trug er wenig nach. Es blieb bei einer trockenen Faktensammlerei ohne analytischen Biss.

Nebenbei bemerkt: Schultzes Druckerei war 1743 „nicht nur in öffentl[ichen] Zeitungen, sondern auch durch öffentlichen Anschlag in Leipzig, Wittenberg und Jena zu jedermanns Wissenschaft [Kenntnis] feilgeboten“ worden. Nach einigem amtlichen Hin und Her – die markgräfliche Regierung gebot abzuwarten, bis der Verkauf erfolgt sei – bestätigte die Bayreuther Behörde noch im Jahre 1743 die alten Mintzelschen Privilegien. Hetschel musste für die neuerliche „Confirmation“ einen Gulden und drei Kreuzer bezahlen. Die stillgelegten Pressen Schultzes, die keinen Käufer gefunden hatten, übernahm 1785 der Drucker Johann Georg Aemilius Bergmann aus Jena, worüber weiter unten berichtet wird.

Obschon die Gymnasiumsdruckerei als einziger Betrieb am Ort geschäftlich ruhigeren Zeiten entgegen ging, warf der Betrieb für die Pächterfamilie Hetschel und die verwandten Druckergesellen Mintzel und Mönnich, die in der heutigen Ludwigstraße 85 gemeinsam in engen Verhältnissen wohnten, wenig Gewinn ab. Der Druck von Leichenpredigten, die im 17. und noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein fester Posten im Druckereigeschäft, war allmählich aus der Mode gekommen. Die Barockzeit klang aus. Zur Zeit des Siebenjährigen Krieges stand der Betrieb monatelang still.[xxxii] Gegen Ende des Krieges verschlechterten sich die geschäftlichen und privaten Lebensverhältnisse anscheinend so gravierend, dass das Stammhaus in der Ersten Gasse, in dem die Druckerfamilien Mintzel bis dahin 120 Jahre lang gewohnt hatten, verkauft werden musste. In den Druckerfamilien Hetschel, Mintzel und Mönnich gab es viele kleine hungrige Mäuler zu ernähren. Schmalhans war Küchenmeister. Die Druckerfamilien hatten vor dem Oberen Tor höchstwahrscheinlich einen Kräutergarten, in dem Gemüse gezogen wurde. Im Innenhof des Wohnhauses wurden Federvieh und vielleicht auch ein Schwein gehalten. Zum normalen Hofer Haushalt gehörten Viehstall und Düngerstätte im engen Innenhof. Der Grundbedarf an Nahrungsmittel wurde zu einem Teil durch Eigenanbau und Kleinviehhaltung gedeckt.

Ich mache wiederum einen Zeitsprung und komme zum dritten Beispiel des „ehernen Gesetzes“. In den Jahren von 1785 bis 1800 erlebte die Gymnasiumsdruckerei einen kläglichen Niedergang. Wieder war es die Zulassung einer zweiten Druckerei, die dem Niedergang Vorschub leistete und ihn beschleunigte.

Beispiel 3: Die Konkurrenzsituation Gottlob Schönert / Georg Aemilius Bergmann, 1785 – 1800

Im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts waren im Hofer Verlagswesen und Buchhandel im Zeichen der Aufklärung neue Entwicklungen in Gang gekommen, die auf die Auftragslage zurückwirkten und neue Anforderungen an die einzige Druckerei am Ort mit sich brachten. Nach 1775 nahm an allen Druckorten der Markgrafschaft die Gesamtproduktion von Verlagswerken zu und erlebte um 1785/86 einen ersten Höhenpunkt. Allerdings gerieten die Verlagsorte Bayreuth und Hof gegenüber der Universitätsstadt Erlangen ins Hintertreffen.[xxxiii] In lateinischer Sprache verfasste Werke nahmen rapid ab. Die überkommene evangelisch-lutherische Erbauungsliteratur wich deutschsprachiger Unterhaltungs- und diverser Fachliteratur. Philipp Ludwig von Weitershausen (1727 – 1795), von 1761 bis 1795 Landeshauptmann der Hauptmannschaft Hof,[xxxiv] verfolgte seit 1770 ein anspruchvolles Zeitungsprojekt, das „Höfer Intelligenz-Blatt“. Die Veränderungen der Verhältnisse waren für die Gymnasiumsdruckerei, die Hetschel bis 1785 führte und in diesem Jahr an seinen Schwiegersohn Christian Gottlob Schönert (1732 – 1811) übergab, nicht günstig. Mehrere widrige Faktoren brachten Bewegung in die bisherigen Verhältnisse und beschleunigten den Niedergang der Gymnasiumsdruckerei.

Im Jahre 1778 wurde ihr Förderer, der Rektor Longolius, emeritiert. Mit ihm verlor die in das Gymnasium eingegliederte Druckerei ihren produktivsten Autor, Auftraggeber, Korrektor und Zensor. Hetschel feierte 1778 seinen 71. Geburtstag. Er war gebrechlich geworden und hatte schon seit einigen Jahren seinem Stiefenkel, dem Druckergesellen Johann Georg Mintzel (1753 – 1790), die schwere Arbeit an der Presse überlassen müssen. Georg, der von 1767 bis 1778 in der Werkstatt seines Stiefgroßvaters gearbeitet hatte, wanderte 1778 von Hof ab.[xxxv] Hetschel musste neue Gesellen unter Vertrag nehmen. Nachfolger im Amt des Rektors wurde 1778 Magister Georg Wilhelm Kirsch (1752 – 1829). Der Wechsel im Rektorat brachte eine neue Interessenlage mit sich. Der junge Kirsch, der bei seinem Amtsantritt gerade einmal 26 Jahre geworden war, hatte eine Vorliebe für orientalische Sprachen und richtete für seine Publikationen in syrischer Sprache bei sich zu Hause eine Spezialdruckerei ein. An der Gymnasiumsdruckerei verlor er, abgesehen von den amtlichen Pflichtdrucken, anscheinend sein Interesse. Das Gymnasium hatte an Prestige eingebüßt und litt an einem erheblichen Schülerschwund.

Auch im Hofer Buchhandel trat eine personelle Zäsur ein. Der alte Hofer Verlagsbuchhändler Johann Gottlieb Vierling verstarb im Januar 1782. Der markgräfliche Regierungsadvokat[xxxvi] und Kommerzienrat Carl Johann Albrecht Meyer kaufte 1783 die Vierlingsche Verlagsbuchhandlung, die er bis zum Jahre 1793 führte. Von Weitershausen unternahm in der neuen Konstellation Anfang 1783 den zweiten Versuch, sein Zeitungsprojekt wieder aufleben zu lassen und gewann Meyer im März 1783 als Herausgeber. Verleger und Herausgeber waren mit der Arbeit der Druckerei Hetschels unzufrieden, sie monierten Druckqualität und Säumnisse und wollten die Herstellung des „Höfer Intelligenz-Blattes“ einer neuen Druckerei übergeben. Dem alten Hetschel war anscheinend die Führung der Druckerei entglitten. Die Gesellen schienen die ihnen aufgetragenen Arbeiten, so gab Hetschel zu Protokoll, nicht mehr korrekt und pünktlich durchgeführt und geliefert zu haben.[xxxvii] Es gab innerbetriebliche Hemmnisse, vielleicht sogar geheime Illoyalität gegenüber dem greisen Prinzipal. Der Geselle Johann Georg Aemilius Bergmann, der seit 1782/83 als Erster Setzer bei Hetschel arbeitete, verbündete sich hinter dem Rücken von Hetschel mit Meyer, wobei wohl auch von Weitershausen mit im Spiel gewesen sein dürfte, und reichte am 29. März 1785 beim Landeshauptmann sein Gesuch ein, in Hof eine zweite Druckerei eröffnen zu dürfen. Ohne Unterstützung und vertrauliche Zusagen von Meyer – und „hinter der Hand“ auch vom Landeshauptmann von Weitershausen – hätte es der Setzergeselle Hetschels wohl nicht gewagt, diesen Schritt zu gehen. Korrespondenzen und Dokumente sprechen dafür, dass es 1785 zu einem Fait accompli kam. Hetschel wurde auf Geheiß der markgräflichen Regierung erst im Juni 1885 über den Vorgang in Kenntnis gesetzt und um eine Stellungnahme gebeten. .

Nachdem die Sache offenkundig geworden war, fand sich ein zweiter Bewerber um die Konzession ein, es war Johann Georg Mintzel. Die Vorentscheidung für Bergmann war jedoch bereits gefallen. Mintzel wurde ausgetrickst. Die markgräfliche Regierung erteilte 1785 Bergmann die erwünschte Konzession. Johann Andreas Hetschel, Johann Georg Mintzel und Christian Gottlob Schönert (1732. – 1811) standen auf der Verliererseite. Gekrängt, verbittert und erschöpft gab Hetschel 1785 auf und übergab die Leitung der Druckerei seinem Schwiegersohn Schönert. Georg Mintzel, der das abgekartete Spiel gegen ihn zu spät erkannt hatte, zerbrach psychisch und physisch und verstarb 1790 in Coburg.[xxxviii]Erst seinem Halbbruder Johann Heinrich Mintzel (1763 – 1840) sollte es glücken, nach Hof zurückzukehren und 1801 die Gymnasiumsdruckerei, also die alte Mintzel-Hetschelsche Offizin, zurück zu kaufen.

Unter dem Pächter Schönert ging es weiter bergab, die Gymnasiumspresse kümmerte dahin. Der Ertrag war äußerst gering. Schönert und seine Frau – das Ehepaar blieb kinderlos – fristeten ein ärmliches Leben. Bergmann setzte sich mit seiner neuen Druckerei durch und grub der Gymnasiumsdruckerei das Wasser ab. Als Johann Theodor Benjamin Helfrecht (1753 – 1819) 1795 Kirsch am Gymnasium im Amt des Rektors ablöste, war das Schicksal der Gymnasiumsdruckerei so gut wie besiegelt. Helfrecht hatte mit der Leitung des Gymnasiums genug Arbeit und Ärger und wollte sich nicht länger auch noch um die akut gefährdete Fortexistenz der Gymnasiumsdruckerei kümmern. Die Bergmannsche Druckerei stellte die örtlichen Bedürfnisse mehr als genug zufrieden. Bergmanns Einkommensverhältnisse erlaubten ihm, in der Judengasse ein Haus zu erwerben und seine Pressen in einem guten Zustand zu halten.

Im Jahr 1800 bot Helfrecht die Hausdruckerei des Gymnasiums zum Verkauf an. Mit dem Verkauf an Johann Heinrich Mintzel und der dadurch entstehenden neuen Konstellation komme ich zum vierten und letzten Beispiel.

Beispiel 4: Konkurrenz Johann Heinrich Mintzel/Johann Georg Aemilius Bergmann, 1801 -1807

Johann Heinrich Mintzel (1763–1840) war in der Generationsfolge der Hofer Druckerdynastie Mintzel der fünfte Druckerherr. Auf seine Lebensgeschichte und auf sein Wirken kann ich hier nicht weiter eingehen. Zum Verständnis des Folgenden sei nur so viel gesagt: Er hatte noch bei Hetschel in Hof sein Handwerk gelernt, war auf Wanderschaft gegangen und von 1786 bis 1799 in Bayreuth als Geselle und Faktor in Friedrich Magnus Schwenters Hofbuchdruckerei tätig gewesen. In den Jahren 1799/1800 trat in seinem Leben unverhofft eine Wende ein. Schwenter verstarb 1799. Dessen Witwe verpachtete ihre Druckerei an einen anderen. In Hof befand sich Bergmann in einem so schlechten Gesundheitszustand, dass er einen Faktor berufen musste. Bergmann litt schwer an der Gicht. Er bot Mintzel um 1799/1800 an, in seinem Druckereibetrieb die Stelle eines Faktors zu übernehmen. Mintzel ergriff die Chance einer Rückkehr nach Hof und trat eben in den Betrieb ein, der dem Niedergang der Gymnasiumsdruckerei Vorschub geleistet hatte. Mintzel stand nun als Faktor des Bergmannschen im Interessengegensatz zu dem Druckereibetrieb, der vormals der Mintzel-Hetschelsche gewesen war. Eine fürwahr verquere Situation. Sie kam aber seinem ureigenen Interesse entgegen. Er hatte immer gehofft und danach getrachtet, eines Tages die vormals Mintzel – Hetschelsche Offizin zurück zu kaufen. Als Helfrecht die Gymnasiumsdruckerei zum Kauf anbot, ergriff er die Gelegenheit. Helfrecht ließ ihn unter mehreren Bewerbern zum Zuge kommen, was wohl auch der Tatsache zuzuschreiben ist, dass er und Mintzel Freimaurerbrüder waren.[xxxix] Mintzel erwarb zudem den Zeitungsverlag des ehemaligen „Höfer Intelligenz-Blattes“ und wurde somit 1801 Verleger, Herausgeber und Drucker des „Neuen Höfer-Intelligenz-Blattes“, das am 7. Januar 1802 zum ersten Mal erschien. Was den Druckereibetrieb anbelangt, stand er nun im umgekehrten Interessengegensatz. Er musste sich neben der Bergmannschen Druckerei behaupten, der er als Faktor vorgestanden hatte.

Das „eherne Gesetz“ wurde von neuem wirkmächtig. Bergmanns Druckerei lief relativ gut, Mintzel musste sich anfangs mit der Drucklegung von Schriften aus dem Gymnasium und seinem Umkreis begnügen und firmierte zunächst in Abgrenzung zu Bergmann und in Anlehnung an die alte Bindung an das Hofer Gymnasium als „Gymnasiumsdrucker“. Mit seinem „Neuen Höfer Intelligenz-Blatt“ setzte Mintzel die wenig erfolgreichen Bemühungen des 1795 verstorbenen Landeshauptmannes von Weitershausen fort. Schon von Weitershausen hatte aus dem Zeitungsunternehmen wegen fehlender Akzeptanz bei den Hofer Stadtbürgern und in der umliegenden Landeshauptmannschaft nur wenig Gewinn gezogen. Der Regierungsbeamte hatte sich das Blatt, angetrieben von einem missionarischen Geist der Aufklärung, etwas kosten lassen. Mintzel, ebenfalls Ideen der Aufklärung zugeneigt, ging erst recht ein hohes unternehmerisches Risiko ein. Er bezog kein Salär aus einer amtlichen Position. Auch er konnte seine Kosten mit dem Abonnement und freien Verkauf der viel zu kleinen Auflage kaum decken. In den Jahren 1811/12 wandelte er sein Intelligenzblatt in ein literarisches Unterhaltungsblatt in der Hoffnung um, damit neue Abonnenten und Leser gewinnen zu können. Die „Höfer litterarische Zeitung zur Belehrung und Unterhaltung“ wurde zu einem niederschmetternden Misserfolg, dessen Kosten er allein tragen musste. Das Blatt fand zu wenig Anklang beim Hofer Lesepublikum. Mintzel kehrte mit Beginn des Jahres 1813 wieder zum Typus des Intelligenzblattes zurück. Sein Misserfolg war allerdings, überschaut man die Gesamtentwicklung des Pressewesens der damaligen Zeit, keine spezifisch Hofer Besonderheit, geschweige denn Folge eines persönlichen unternehmerischen Versagens. Damals gingen viele literarische Zeitungen wieder ein, während politische gemeinnützige Zeitungen und Zeitschriften eine höhere Überlebenschance hatten.[xl] Die Aktualität spielte im Vergleich mit dem heutigen Verständnis eine untergeordnete Rolle.[xli] Erst bei einer gesicherten Auflage von etwa fünfhundert Exemplaren dürfte die Gewinnzone begonnen haben. Eine so hohe Auflage hätte in der Ackerbaustadt Hof, die damals rund 6.000 Einwohner zählte[xlii], selbst unter besten Bedingungen nicht erreicht werden können. Mintzel hätte für sein literarisches Zeitungsunternehmen etwa ein Zwölftel der Hofer Bürgerschaft als Abnehmer gewinnen müssen. In Hof hatte weder das „Höfer Intelligenz-Blatt“ des Philipp von Weitershausen, noch das „Neue Intelligenz – Blatt“ und die folgende „Höfer Intelligenz- Zeitung“ jemals diese Auflagenhöhe erreicht. Die Auflagen hatten zwischen 180 und 400 Exemplaren geschwankt. Die kleine Hofer Leserschaft zeigte sich nach wie vor sperrig und wollte bestenfalls nur am Rande geschäftlicher und behördlicher Informationen literarisch unterhalten und belehrt werden. Der Bedarf nach einer politischen Zeitung war seit ihrem Wiedererscheinen seit 1810 von der „Bayreuther Zeitung“ auch in Hof abgedeckt.[xliii] Auf dem Zeitungssektor hatte Mintzel mit auswärtiger Konkurrenz zu rechnen. Hofer Leser und Zeitungslesegemeinschaften[xliv] bezogen eine Reihe von auswärtigen Blättern verschiedener Art.

Aber auch in den Bereichen der Akzidenzdruckerei und des eigentlichen Buchdrucks waren die Erträge bescheiden. Von den paar Dutzend Druckaufträge aus dem Gymnasium und seinem Umkreis konnte er seinen Lebensunterhalt und seine Betriebskosten nicht hinreichend bestreiten. Seine geschäftliche Situation verbesserte sich zwar merklich, als sein Konkurrent Aemilius Bergmann 1807 an der Gicht verstarb und dessen Buchdruckerei nach Bayreuth verkauft wurde, aber selbst in der neu gewonnenen Monopolstellung am Ort war im Druckereigewerbe kein großer Gewinn zu erzielen. Mintzel musste Nebenerwerbsquellen erschließen, um über die Runden zu kommen und Rücklagen bilden zu können. Er eröffnete eine Leihbücherei,[xlv] er übernahm die Stelle eines staatlichen bayerischen Lotterieeinnehmers,[xlvi] er machte sein Zeitungscomptoir am Maxplatz 20 zu einem Fundbüro und zu einem Kreditvermittlungsinstitut,[xlvii] er betrieb in seinem Haus gewissermaßen einen Schreibwarenladen, verkaufte Schreibpapier, Federkiele und Schreibfedern.[xlviii] Er verkaufte sogar Likör.[xlix] Außerdem handelte Mintzel mit Altpapier.[l] Er kaufte das so genannte „Stampfpapier“ an und verkaufte es an die Papiermühle weiter. Wahrscheinlich senkte er damit seine Kosten für Druckpapier. Er machte sein Intelligenzblatt mit Inseraten und privaten Mitteilungen mehr und mehr zu einer örtlichen stadtbürgerlichen Kommunikations- und geschäftlichen Vermittlungszentrale. Es erschienen die ersten Stellen- und Suchanzeigen. Für alles nahm er kleine Geldbeträge, Inserat- und Vermittlungsgebühren. Die Auflage des Blattes konnte er allerdings nicht über 300 bis 400 Exemplare steigern. Hof blieb für eine Druckerei und für ein Zeitungsunternehmen noch bis zur 1848er Revolution und darüber hinaus [li]ein karges Geschäftsfeld. In Notzeiten, zum Beispiel in den Jahren von 1816 bis Anfang der 1820er Jahre hatten die Pressen zeitweise still gestanden. Es war zum verzweifeln.

Aus dem „ Neuen Höfer Intelligenz-Blatt“, das seit 1828 unter dem Titel „Wochenblatt der Stadt Hof“ erschien, können wir indirekt nicht nur Näheres über die Lebens- und Einkommensverhältnisse erfahren, sondern auch über die Mühen und den Ärger, die Mintzel mit seinen Nebenerwerbstätigkeiten hatte. Er beklagte sich in Inseraten über säumige Leser, die entliehene Bücher nicht pünktlich oder gar nicht zurückbrächten, und forderte die Entleiher zur unverzüglichen Rückgabe auf.[lii] Anderenfalls würde er sie gerichtlich belangen. Seine wiederholten Aufforderungen zeigten, dass es mit der Entleihermoral nicht gut bestellt gewesen war. Kunden veräußerten die entliehenen Bücher sogar an fahrende Trödler. Die kargen Einnahmen aus diesem Nebengeschäft wurden außerdem von Konkurrenten geschmälert. Aus den Inseraten Mintzels erfahren wir schließlich auch etwas über seine lebensnotwendige Viehhaltung

Während der großen Brandkatastrophe am 4. September 1823 und in den Tagen danach ereigneten sich auch komische und groteske Vorfälle. Am 20. September 1823 rückte Mintzel in sein Intelligenzblatt, das an diesem Tage zum ersten Mal wieder erschien, eine Verlustanzeige ein. Sie hatte folgenden Wortlaut: „Denjenigen Einwohner hiesiger Stadt und Umgegend, dem etwa mein Schwein zugelaufen ist und solches eingestellt hat, bitte ich hierdurch höflichst mich davon in Kenntniß zu setzen; es ist weiß und glatthaarig und hat einen Tröller. Auch bitte ich die Wittwe W. mir meine 2 Gänse wieder zu bringen, damit ich solche nicht darf holen lassen. [gez.] Mintzel. Buchdrucker“. Das Inserat zeigt einmal mehr den damals noch vorherrschenden Charakter Hofs als einer Ackerbaustadt. Viele Einwohner hielten wie eh und je zu ihrem Lebensunterhalt in den Hinter- und Innenhöfen ihrer Häuser und draußen vor den Toren in Scheunen und Ställen Schlachtvieh und Geflügel. So auch die Buchdruckerfamilie Mintzel. Ich konnte bisher nicht herausfinden, was an einem Schwein der „Tröller“ ist, an dem man es von anderen Schweinen soll unterscheiden können. Auch ein Blick in Grimms Wörterbuch brachte nicht die erwünschte Auskunft.

III. Arme Drucker – reiche Drucker?: Schlussbetrachtungen

Die Beispiele zeigen anschaulich, dass idealisierende Vorstellungen vom „gebildeten Handwerk“ der Buchherstellung und des Buchvertriebes auf die damalige Wirklichkeit in diesen Hofer Erwerbszweigen wenig zutreffen. Die Annahme, wer damals in Hof des Drucker- oder Setzerhandwerk oder beides erlernt hatte, habe eine gute berufliche Zukunft und werde viel Geld verdienen, ist, wenn überhaupt, nur in einem sehr eingeschränkten Maße richtig. Die schön gedruckten Bücher, großartigen Folianten wie die bei Schultze gedruckte Markgrafen-Bibel von 1736 und zum Teil mit gefälligen Holz- und Kupferstichen ausgestatteten Druckwerke jener Zeit, die wir heute so hoch schätzen, entstanden oftmals unter schwierigen und risikoreichen betrieblichen und geschäftlichen Bedingungen. In den fokussierten Erwerbsbranchen hatten das Handwerk und das Verlagswesen keinen „goldenen Boden“. Reichtümer konnten damit nicht erworben werden. Die Lebensführung der Druckerverleger und anderer Berufe, die mit der Herstellung und dem Vertrieb von Druckerzeugnissen zu tun hatten, war bescheiden, der Lebensstil schlicht und einfach. Die Lebensumstände und geschäftlichen Rahmenbedingungen ließen nichts anderes zu, als sparsam und genügsam zu leben und jeden Kreuzer der übrig blieb, auf die hohe Kante zu legen. Die Druckereibesitzer, frühen Zeitungsverleger und Verlagsbuchhändler, die in ihrer Mehrzahl in der Ersten Gasse wohnten und arbeiteten, gehörten der gehobenen städtischen Mittelschicht an. Der Wert ihrer Häuser war niedrig, er lag unter hundert Gulden.[liii]

An Jean Pauls bissiger Kritik, die Hofer läsen keine Bücher, selbst wenn man sie ihnen schenken würde, war sicher etwas Wahres dran. Auch von Weitershausens bittere Klage, sein Zeitungsunternehmen fände bei den verstockten Hofern und Einwohnern der Landeshauptmannschaft zu wenig Abonnenten und Unterstützung, beruhte auf Tatsachen. Die meisten Hofer, auch die schrift- und lesekundigen, waren noch lange altfränkisch-konservativen Denkweisen und Handlungsmaximen verhaftet. Sie fühlten sich in ihrer althergebrachten Lebensweise wohl. Dennoch wurden die Hofer Stadtbürger, zumal die höher gebildeten, etwas zu schnell und zu abfällig als Lesemuffel und wenig wissbegierige Zeitgenossen hingestellt. Die breite Unterschicht konnte sich ohnehin keine Bücher und Zeitungen leisten. Die kleinen gebildeten Kreise – Pfarrer, Advokaten, Gymnasialprofessoren, Sekretäre, Revisoren, Lehrer Diakone und andere – hatten ein jährliches Einkommen von nur 200 bis 300 Talern, zum Teil noch weniger. Im Jahre 1803 erhielt der Rektor des Hofer Gymnasiums jährlich nur 270 Reichstaler an Gehalt und dazu Zuwendungen in Form von Naturalien im Wert von 71 Reichstalern.[liv] Die übrigen Lehrer mussten sich mit noch weniger Salär begnügen. Von dem niedrigen Einkommen blieb nur wenig übrig für einen Buchkauf oder gar für die Drucklegung eigener Werke.IV In der spöttischen Kritik an den Hofer Lesemuffeln und an ihrer spießigen Genügsamkeit und Ignoranz lag ein Schuss elitären Hochmuts. Jean Paul bereute später ein wenig seine Bissigkeit.

Ich mache einen letzten Zeitsprung von 1840 bis ins ausgehende 19. Jahrhundert, einen Zeitsprung ins Industriezeitalter. Das „eherne Gesetz“, wonach nur eine Druckerei am Ort wirklich florieren konnte, war bis zum  Jahre 1895 wirksam Aschaffenburg. Dem Buchdrucker  Rudolph Günther, der 1867 aus Aschaffenburg nach Hof gekommen war und hier eine zweite  Druckerei eröffnet hatte, war unter den obwaltenden  Rahmenbedingungen noch kein dauerhafter Erfolg beschieden. Er war gegen die Mintzel´sche Buchdruckerei und ihrem Zeitungsverlag nicht aufgekommen und 1870 nach Selb ausgewichen. Erst im jahre 1895 gelang es dem Druckmaschinisten Hans Kleemeier (1862 – 1943) mit seinem neugegründeten Druckereibetrieb und seinem kleinen Verlag das Monopol der Mintzel´schen Buchdruckerei zu brechen und dauerhaft zu einem ernsthaften Konkurrenten zu werden. Industriegesellschaftliche, demografische, politische, staatliche Entwicklungen setzten das eherne Gesetz außer Kraft. Die Einwohnerschaft der jungen Industriestadt Hof wuchs rasch und geradezu explosiv von 8.108 (1841) auf 16.010 (1871) und dann bis 1900 auf das Doppelte an.IVI  Das Zeitalter der Schwarzen Kunst ging in den 1860er Jahren endgültig zu Ende. Die alten Holzpressen wurden zerkleinert und verbrannt.

Ein Spaziergang über den Maxplatz zum zweiten Stammhaus der Mintzel´schen Buchdruckerei und ihres Zeitungsverlages am Maxplatz Nr. 20 und von dort hinauf zum Oberen Torplatz 1 lässt uns den großen Wandel an den Gebäuden ablesen: Am Maxplatz das nüchtern-schlichte Druck- und Wohnhaus aus vorindustrieller Zeit, am Oberen Torplatz das 1893 errichtete´Druck-, Verlags- und Wohnhaus der Buchdruckereibesitzer und Zeitungsverleger Hoermann im neudeutschen Renaissancestil! Gewerblicher Reichtum und betuchte wirtschaftsbürgerliche Lebensverhältnisse wurden erst im Kaiserreich durch die industriemaschinelle Produktion ermöglicht.

Anmerkungen

1  Der vorliegende Beitrag bringt knapp und prägnant zusammengefasste Ausschnitte aus meinem zweibändigen Werk „Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie. Die Buchdruckerei Mintzel und ihr Zeitungsverlag. Ein Familienunternehmen in fünf Jahrhunderten“. Berlin: Duncker & Humblot 2011. Dort können en detail viele einschlägige Belege abgerufen werden. Anmerkungen zu diesem Beitrag enthalten allerdings Ergänzungen, Präzisierungen und Korrekturen.

2 Trautmann, 1979: Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Stadt Hof von Anbeginn bis zur Gegenwart, Teil 1: Die Zeit bis zur Eingliederung in das Königreich Bayern, S. 208ff.

3  Zu dieser Nebentätigkeit der Verlagsbuchhändler Vierling und Grau siehe Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie Bd. II, S. 707.

4  In diesem Punkt muss ich meine Ausführungen in „Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie“, Bd. I, S. 514 korrigieren und präzisieren. Nicht Johann Heinrich Mintzel gründete und führte die erste Leihbücherei in Hof, sondern der Verlagsbuchhändler Vierling.

5  Der Verlagsbuchhändler Gottfried Adolph Grau trat als Agent der „Lebensversicherungsbank für Deutschland in Gotha“ auf und machte auf diese Geschäftstätigkeit wiederholt in Inseraten aufmerksam. Siehe Wochen-Blatt der Stadt Hof Nr.36 vom 05.09.1829, S. 180; Nr. 39 vom 25.09.1930, S.182, Nr. 41 vom 08.10.1831, S. 189; Nr.51 vom 19.12.1835, S. 241.

6  Gründungen von Buchdruckereien in der Markgrafschaft Bayreuth: Kulmbach 1551/52; Bayreuth 1659/60; Neustadt/Aisch 1678; Erlangen 1686; Münchberg 1686; Thurnau 1730; Wunsiedel 1799.

7  Zum Bedarfsdeckungsprinzip versus Gewinnmaximierungsprinzip siehe Dietmar Trautmann, 1979: Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Stadt Hof, S.389. 398, 485.

8   Chronik der Stadt Hof, Band VI. Alte Hofer Stadtbeschreibungen. Herausgegeben von der Stadt Hof 1966.

9   Siehe ebd. S. 75, 125, 163, 190, 264, 276, 283, 297, 314, 321.

10   Geboren am 01. 04. 1704 laut Konzession zur Errichtung einer zweiten Druckerei und Privilegierung des Buchdruckers Johann Ernst Schultze vom 20. Juli 1735. Quelle: Paul Daniel Lonhgolius: Vollständige Geschichte der Buchdruckerey in der Marggräflich-Brandenburg-Culmbachischen Haupt-Stadt Hof [   ]Hof 1741 [ Manuskript; Standort: Archiv des Historischen Vereins für Oberfranken, Bayreuth; Abschrift des Verfassers].

11  Die vier noch unmündigen Kinder waren: (1) Anna Maria Mintzel (II), getauft am 20. 02. 1717 in Hof (am 11.05.1738 Eheschließung mit Johann Adam Mönnich, Buchdruckergeselle und Faktor bei Johann Andreas Hetschel); (2) Anna Margaretha Mintzel, getauft am 29.05.1720 in Hof; (3) Johann Christoph Mintzel, getauft am 02. 06. 1722 in Hof, gestorben am 14. 12 1762 in Bayreuth ( er war der Vater von Johann Heinrich Mintzel, 1763 – 1840); (4) Johann Friedrich Mintzel, getauft am 18. 12. 1724 in Hof (Buchdruckergeselle, er wanderte von Hof mit unbekanntem Ziel ab, wird 1750 im Gesellenbuch der Buchdruckerinnung in Frankfurt/ Main genannt).

12  Schreiben des Bürgermeisters und Rat der Stadt Hof vom 29. März 1743 an den Markgrafen zu Brandenburg-Bayreuth / Buchdruckerei – Angelegenheiten. Staatsarchiv Bamberg, C 7 VIII Nr. 2451 (im Folgenden nach der Registernummer zitiert).

13  Actum Hoff den 28. Augusti 1733: „[…] und die verwittibt Buchdrucker Müntzelin durch ihren Schwager den Kirchner Mayer die Anzeige machen lassen, wie sie gemeynet sey, ihre Buchdruckerey Pächtern: […] zu überlassen .(Originaldokument / Handschrift im Archiv der Firma Mintzel-Druck).

14  Anna Regina Mintzel, geb. Küchler, geboren am 16.09.1798 in Hof, gestorben am 21.01.1765 ebenda. Sie war das fünfte Kind des Hofer Buchbinders Christoph Küchler (1649 – 1710).

15  Einzelheiten über die Familienverhältnisse mit genauen Daten und Belegen siehe bei Alf Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Band I, S. 403 ff.

16  Johann Andreas Hetschel, geboren am 21.12.1707 in Nordhausen, gestorben am 28.01.1791 in Hof an einem Schlaganfall.

17 Einzelheiten zu dem gesamten Vorgang siehe bei Alf Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Band I, S, 403ff.

18  Siehe Anhang, Dokument Nr. 3.

19  Ebenda.

20 Anna Regina Mintzel und Johann Andreas Hetschel verheirateten sich am 17.10.1734 in Hof, Verehelichungsregister Hof 1695 – 1743; 1734/32.

21  Johann Adam Hetschel, geboren am 27.02.1735 in Hof, gestorben am 29.11.1736 ebenda.

22  Siehe Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Bd. I, S. 641, Anm. 61; Mulzer, 1996: Das Gymnasium unter der Regierung der Markgrafen (1546 – 1791),in: Des Höfischen Gymnasiums Jubiläum. 450 Jahre – Jean Paul – Gymnasium Hof Festschrift und Bericht über das Schuljahr 1995/96, S. 51.

23 Der deutsche Verleger Johann Heinrich Zedler, geboren in Breslau am 07.01.1706, gestorben 1763 in Leipzig, gründete in Freiburg eine Buchhandlung, die er später nach Leipzig verlegte. Hier erschienen u. a. eine Ausgabe der deutschen Schriften Martin Luthers (22 Bände), eine „Allgemeine Staats –, Kriegs-, Kirchen und Gelehrten –Chronicke“ (20 Bände, 1733 – 1754) und als berühmtestes Werk das Zedlersche Lexikon: Großes vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste…“ in 64 Bänden und vier Supplementbänden in Halle und Leipzig 1732 – 1754.

24  Encyclopedie ou Dictionnair raisonne des sciences, des arts et des metiers, 28 Bde., 1751 – 72.

25  Dazu Jean Paul : Siebenkäs, Erstes Bändchen, Zweites Kapitel, in: Jean Paul Werke, Bd.3, Hanser Verlag, S.75: „Hingegen [zu den Nürnberger Verhältnissen ] bin ich zu jeder Stunde durch Tauf- und Sterbelisten darzutun erbötig, dass im Reichsmarktflecken Kuhschnappel beinahe nicht mehr Bürger als Patrizier leben, welches um so wunderbarer ist, da die letzten – wegen ihres Hungers – schwer zu leben haben.“

26   Siehe Dokument Nr. 14.

27  In der lokalgeschichtlichen Literatur gibt es widersprüchliche Angaben dazu, was mit der zurückgelassenen Druckerei Schultzes weiterhin geschah. Dietmar Trautmann behauptet, sie sei vom Gymnasium übernommen worden, gibt dafür jedoch keinen Beleg.

28  Siehe Dokument Nr. 5.

29  Schreiben des Bürgermeisters und Rat der Stadt Hof vom 29. März 1743. Staatsarchiv Bamberg, C 7 VIII, Nr. 2451.

30  Ebenda.

31  Ebenda.

32  Siehe Dokument Nr. 14.

33  Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Bd. I, S. 555ff.

34  Johann Nicolaus Prückner, 1999: Synchronistik und Lebensläufe der Lehrer am Hofer Gymnasium von 1502 bis 1817p. 709, Anm. 1; p. 304, Anm. 4.

35  Siehe Dokument Nr. 13   Johann Georg Mintzel absolvierte bei seinem Stiefgroßvater Hetschel von 1767 bis 1772 seine Lehre und arbeitete danach von 1773 bis 1778 als Geselle in der Gymnasiumsdruckerei weiter. Nach der Abwanderung Mintzels aus Hof (um 1778/79) traten andere Gesellen in den Betrieb ein, so der aus Jena stammende Georg Aemilius Bergmann und Christian Gottlob Schönert.

36 Vierling verstarb am 18.011782 in Hof. Meyer führte die Firma unter dem Namen „In der Vierlingschen Buchhandlung“ oder „Im Verlag der Vierlingschen Buchhandlung“ bis 1793 weiter. Mintzel, 1986: Bayreuther und Hofer Kleinverleger des 18. Jahrhunderts und ihre Verlagswerke, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 66. Bd., S. 106.

37  Siehe Dokument Nr. 14.

38  Einzelheiten und Belege bei Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Bd. I, S. 519ff.

39  Darüber ausführlich Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Bd. II, S. 57ff.

40  Stöber, 2000: Deutsche Pressegeschichte, S.90.

41  Ebd., S.85 u. 92.

42  Im Jahre 1808 zählte Hof 5.899 Einwohner, davon 2.912 männliche und 2.987 weiblich. Trautmann, 1979: Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Stadt Hof, Teil 1, S.115.

43  Siehe hierzu Engelbrecht: „Das Neueste aus Bayreuth“, S. 133f; R. Hoermann, 1938: Der Hofer Anzeiger, S. 40.

44 Es war damals aus Gründen der Kostenersparnis üblich, sich zu Zeitungslesegemeinschaften zusammenzuschließen und gemeinsam ein auswärtiges Blatt, zum Beispiel den „Dresdner Anzeiger“, zu abonnieren. Siehe  Höfer Intelligenz- Zeitung Nr. 14 vom 07. 04. 1810.

45  Siehe zum Beispiel Hofer Intelligenz-Zeitung Nr.38 vom 20. 09. 1817, S. 154; Nr. 50  vom 13.12.1817, S. 202; Nr.1 vom 01.01.1820, S. 2; Wochen-Blatt der Stadt Hof vom 10.01.1829, S. 3.

46  Siehe zum Beispiel Intelligenz-Blatt der Stadt Hof Nr. 42 vom 16. 10. 1824, S. 198; Wochen-Blatt der Stadt Hof Nr. 1 vom 03 .01. 1829, S. 3.

47  Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Bd. II; S. 85f.

48  Siehe zum Beispiel Höfer Intelligenz-Zeitung Nr. 17 vom 29 .04. 1809, S.102; Nr. 30 vom 29. 07. 1809, S.164.

49   Höfer Intelligenz-Zeitung vom 30. 06. 1810, S. 125.

50   Höfer Intelligenz-Zeitung Nr.8 vom 19. 02. 1820, S. 30.

51  Siehe Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Band II, S. 223ff.

52  Hofer Intelligenz-Zeitung Nr. 38 vom 20. 09.1817, S.154; Nr. 50 vom 13. 12.1817, S. 202; Nr. 1 vom 01. 01. 1820, S. 2. Siehe hierzu Mintzel,.2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Band II, S. 180ff.

53  Trautmann,1979: Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Stadt Hof, S. 384.

54  Zur Besoldung von Schullehrern in der Markgrafschaft Bayreuth siehe Jean Paul Werke, Bd. 12, S.1041: „Sein Schulhaus [des Vaters] war ein Gefängnis, zwar nicht bei Wasser und Brot, aber doch bei Bier und Brot; denn viel mehr als beide – und etwa frömmste Zufriedenheit dazu – warf ein Rektorat nicht ab, das obwohl vereinigt mit der Kantor- und Organistenstelle, doch dieser Löwengesellschaft von 3 Ämtern ungeachtet nicht mehr abwarf als 150 Gulden jährlich. Und an dieser gewöhnlichen baireuthischen Hungerquelle für Schulleute stand der Mann 35 Jahre lang und schöpfte.“

55  Zur Besoldung der Lehrer an Gmnasium in Hof um 1803  siehe I die detaillierten Angaben  bei Mintzel, 2011: Von der Schwrzen Kunst zur Druckindustrie,  Band I, S. 530f, 641.

56  Dr. Friedrich Ebert / Dr. Axel Herrmann, 1988: Kleine Geschichte der Stadt Hof, S. 261.

 

Anhang: 17 Dokumente

Die Originalhandschriften aller im Folgenden abgedruckten Dokumente stammen, ausgenommen Dokument Nr. 1, aus dem Archiv der Firma Mintzel-Druck. Sie wurden vom Verfasser abgeschrieben und transkribiert. Erläuternde Zusätze wurden vom Verfasser in eckige Klammern gesetzt.

Dokument Nr. 1

Gesuch des Buchdruckers Johann Ernst Schultze aus Schneeberg/Sachsen vom 3. Juli 1733 um die Konzession für die Errichtung einer Buchdruckerei in Hof.

An Die. Hochwohl=und Gelehrten auch Hoch= und Wohlweisen Herren Bügermeister und Raths zum Hof

Gehorsames Memorial

Johann ernst Schultzens Buchdrucker zu Schneeberg

Mir ist bekannd gemachet worden, dass nach Absterben des Höfischen Buchdruckers Herrn Minzels ein in solchen profession verständiger Mann desideriret wird.

Ob ich nun schon als zeitheriger Bürger und Meister der Buchdruckerkunst zu Schneeberg nicht Ursache habe, auf ein Changement des Orts zu drucken, und meines Bleibens daselbst gar wohl hätte, So habe ich doch, in Hoffnung mein Glück in gewissen Stücken in Hof noch beßer zu finden, mich hier einfinden und Ew.  Fürtstl. Hoch-und Wohledel solche meiner unter gewißen Conditionen gefaßte Resolution entdecken, dabey aber gleich Anfangs erwehnen wollen, wie  meine Officin gegen der Minzlischen gerechnet, ganz ein ander und vollkommenes Werck und so beschaffen ist, daß gegenwärttig und zwar in Ermangelung mehrerer 8. Gesellen /: deren ich doch vorher 11. gehabt, und auch künfftig eben wieder so viel nöthig habe,:/ und 2. Lehr-Jungen darinnen arbeiten, welche, wenn meinen Entzweck erreichen sollte, alle mit hierher bringen werde, zwar nicht in der intention, selbige mit Höfischer Arbeit zu versehen, sondern die nach Halle verdingte und bereits zu prastiren angefangenen operas zu continuiren. Aus welcher Anzahl derer bey mir arbeitenden Persohnen Ew. Hoch-und Wohledel der Quantitaet derer in Breitschafft habenden Littern leichtl. abzunehmen belieben werden. Nicht eine aber befindet sich meiner officin ratione quantitatis wohl instruiret, sondern es ist, daß dieselbe auch respectu qualitatis ohne Tadel und Fehler seyn müsste, daher sicher zu glauben, weiln ich voritzo das ieziger Zeit größte gelehrte opus nehml. das sogenannte Universal-Lexicon in 26. Folianten bestehend, pro parte zu drucken unter Handen habe.

Sowenig nun an meiner reichlich versehenen und wohlangerichteten officin einiger Abgang sich zeiget, ebenso wenig ist auch an meiner Persohn und geführten Lebens-Wandel nach dem sub Lit: A. et B. abschrifftl.  anliegenden Zeugniß meiner Geistl. und Weltl. Obrigkeit etwas auszusezen. Wannenhero ich glaube, daß auf Seiten E. E.Magistrats, daferne Selbe anderts eine mit allen Nothwendigkeiten wohl versehene Buchdruckerey und einen in derselben habilen Mann im Ernst desideriren, die Sache hoffentl. schon ihre Richtigkeit erhalten möchte.

Alleine gleichwie ich dem Wünschen und Verlangen E. E. Stadt-Raths satisfaciren würde: also müste, weilen sich von einem Ort, allwo man mit sovielen Gesind  ansäßig, sich weg zubegeben etwas sehr schwehres ist,  nothwendig  auch meinem Suchen und Bitten hinwiederumb deferiret und ich darinnen glückl. werden.

Es bestehet aber mein billiges Suchen darinnen, dass 1.) außer meiner Buchdruckerey keine andere künfftig hie in Hof dürffte errichtet, somit von höchster Landes=Herrschaft   mir das Jus prohibendi müsste ertheilet werden. 2.) hat man mir berichtet, dass die zeither in Hof befindl. Buchdruckerey und deren Besizer von dem Landschafftl. und anderen Steuer=oneribus exemt gewesen.

Welches privilegii ich gleichergestalt, nachdeme die Minzelische Buchdruckerey eingienge, theilhafftig zu werden verlange.

Vielen nun die ins Gewichte fallende Officin, als welche mit allen Zubehörungen über 100. Centner am Gewichte beträgt, und meine andere Mobilien hieher zuschaffen sehr viele Kosten wenden müste, so würde es ganz billig seyn, im Betracht solches grosen Costen Uffwands 3.) mich mit einer freyen Wohnung solange zu versehen, biß sich bequeme Gelegenheit zeigte, entweder ein Hauß zu kauffen, oder eine von deren hiesigen Brandstätten zu erbauen, zu welcher Zeit ich das benöthigte Bier selbsten brauen würde, da mir dann 4.) die Umbgelds-Freyheit von gnädigster Herrschafft sowohl, als auch von E. E. Raths ertheilet und die Concession solches privilegii  mir ebenfalls gleich zu Anfang obschon de futuro mir angedeihen  werden wird, als worum und endl. noch 5.) um die Freyheit, jährl. etl. Rinder zu beßerer Fortbringung meiner schwehren und starcken oeconomie ohne  Fleisch-Uffschlag zu schlachten, hierdurch eben mäßig anlange, überhaupt aber gehorsamst bitte, bey S. Hochfürstl. Durchl. mein Vorhaben und dieß mein in angebrachten 5. puncten beruhendes Suchen mittelst unterthänigster Berichts-Erstattung zu secundiren, in mehreren Betracht, nicht nur dem publico durch eine wohlbestelte Buchdruckerey groser Nutzen zuwächset, indeme occasione der hiesigen Pappier-Mühle durch häuffige Consumirung des Pappieres das Geld von ausländischen Orten ins Land gebracht wird, sondern auch insonderheit der hiesigen Stadt wegen des in meiner officin zu haltenden vielen Gesindes mehr Nahrung verschaffet wird. Dazu nun aber auch der allhiesigen Minzelischen Wittib kein Tort geschehe, bin ich erböthig, ihr die habende officin um taxmäßigen Preiß abzukauffen.

Weßen mich nun zu versehen, ob nehmlich ich in meinem Gesuch reuissiren werde oder nicht, hoffe nach schleuniger Berichts-Erstattung in balden zu erfahren, biß dahin wie sonsten mit allem Respect erharre.

Ewl. Hoch-und Wohledel etc.

gehorsamer Diener

Johann Ernst Schultze

1.Buchdrucker aus Schneebergk

Hof, den 3. Juli 1733.

Dokument Nr. 2

Referenzschreiben des Lic. Johann Joachim Hönicker für den Buchdrucker Johann Ernst Schultze vom 30.ten Juni 1733.

Daß tit: Herrn Johann Ernst Schulze, Tit: Herrn Martin Schulzens seel., weyl. Königl. Pohln. Churfürstl. Sächsischer Ober-Accis-Einnehmenrs nachgelaßener eheleibl. Sohn, aniezo angeseßener Bürger und Buchdrucker, sich zeit seines Hierseyns eines Christl. friedliebenden  Lebens und Wandels befließen , Gottes Wortt fleißig gehöret und sich nebst denen Seinigen des heil. Abendmahls öffters mit Andacht gebrauchet, sich auch in der Buchdrucker Kunst rühmlich erwiesen und noch erweißet; Solches alles wird hierdurch, fide pastorali, attestiret und bezeuget.

 

Schneeberg am 30.ten Juni: Anno etc, 1733.

L.S. Lic: Johann Joachim Hönicker [Rhönicker?]

P.P.und Ministerii 1. Senior.

Dokument Nr. 3

Markgräfliches Privileg für den Buchdrucker Johann Ernst Schultze vom 20. Juli 1735. (Quelle: Paul Daniel Longolius: Vollständige Geschichte der Buchdruckerey in der Marggräflich – Brandenburg – Culmbachischen Haupt-Stadt Hof […]Hof 1741. [Manuskript; Standort : Archiv des Historischen Vereins für Oberfranken, Bayreuth]

(Ein Abdruck dieses Privilegs ist zu finden in Georg Wolfgang August Fikenscher: Geschichte des Buchdruckerwesens in dem Burggrafthum Nürnberg oberhalb Gebürgs. Baireuth 1802, S. 48ff.)

Von Gottes Gnaden Wir Friedrich Marggraf zu Brandenburg in Preußen, zu Magdeburg, Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden, zu Mecklenburg: auch in Schlesien und zu Crossen Hertzog, Burggraf zu Nürnberg, Fürst zu Halberstadt, Minden, Camin, Wenden Schwerin und Ratzeburg, Graf zu Hohenzollern und Schwerin, Herr der Lande Rostock und Stargard; [usw.] urkunden und bekennen hiermit vor Unß, Unßerer Erben und Nachkommen, und fügen hierdurch jedermänniglich Zu wißen, was gestalten allschon bey Lebzeiten Unßers in Gott hochseelig ruhenden Herrn Vater Gnaden der Buchdrucker Johann Ernst Schultz Zu Hof unterthänigst vorgestellt, dass er Zwar ehehin Zu Schneeberg in dem Chur-Sächsischen, Als Buchdrucker wohnhaft geweßen, vor kurzten aber seine in mehr als 100. Centner Gewicht bestehende Buchdruckerey, um verschiedener Ursachen willen von dar hinweg und in Unsere Haubt-Stadt Hof transferiret habe, bey welcher er auch mit so viel frembder und auswärthiger Arbeit bereits versehen seye, dass er nicht nur von Jahren zu Jahren eine Anzahl von 15. bis 18. Persohnen fördern, sondern auch der dasellbst schon befindlichen Mintzlischen Buchdruckerey /: welcher wegen er sich gegen die Wittib sothaner Buchdruckerey und ietzo verehligte Vierlingin [ Irrtum: Hetschel – A.M.] ohnehin besonders inreserviret :/ so gar davon noch ein und anders Zuwenden könne, wodurch dann Unßerer Stadt Hof ein nicht geringes Consumtions- Interesse und anderer Vortheil Zugezogen würde, solchen nach am Ende gehorsamst gebetten, ihme über ermelde seine Buchdruckerey ein Privilegium ausfertigen und demselben Zu aneignen [?] obschon geringen Behuff seines großen und weitläuffigen Haußhaltens Zugleich etwelche Befreyungen von Gewerb-Steuer, Umbgeld und Fleisch- Ufschlag gnädigst einverleiben zu lassen. Wenn Wir nun in Ansehung solche Buchdruckerey, denen eingezogenen Berichten nach, Uns und dem Publoco Zu mercklichen Nutzen gereichet, dem Gesuch Zu deferiren in Gnaden resolviret; Als ertheilen Wir aus Landes Fürstlicher Macht und Gewalt hiermit und in Krafft dieß; Ihme Johann Ernst Schultzen und dessen Erben das gebethene Privilegium über gedachte seine nach Hof transferirte Buchdruckerey dergestalt und also, daß er bey derselben wieder alle unziemende Beeinträchtigungen, worinnen auch solche bestehen mögen, cräfftigst geschützt und gehandhabet, sodann auch ihme Zu des Wercks Aufrecht-Erhaltung iederzeit mit der erforderlichen Assistentz Zur Seiten getretten werden solle. Wobey Wir ferner, damit er Schultze desto beßer bestehen, und dieses viele Kosten und Verlag erfordernde Werck in einem guten Stand fortwährig erhalten könne, gnädigst verwilligen daß derselbe gleich anderen in Unßerm Land und Fürstenthum etablierten Buchdruckereyen von aller Gewerb-Steuer, wie auch Zug, Wacht, Ausschuß, Einquartierungen und andern bürgerlichen Oneribus hinkünfftig exempt und befreyet bleiben, neben dem auch ihme alle Jahr ein gantzes Gebräu Bier Höfer Maaß Umgelds frey selbst abzubrauen, dann Zwey Rinder und vier Schweine ohne Entrichtung eines Aufschlags, in sein Haußhalten jährlich zu schlachten, verstattet seyn solle: Dargegen Wir Unß Zu ihme Schultzen versehen, er auch ohne diß schuldig und gehalten ist, dass er jedermann mit der von ihm erfordernde Drucker-Arbeit, nach vorher davon beschehener jedesmahligen Anzeige bey Unßerer nachgesetzten Regierung in einem billigen Preiß an Handen gehen und gebührend fordern werde, wie er denn auch hierdurch Zugleich ernstlich angewiesen wird ohne Unßern oder Unßerer verordneten Hof- und Justitien-Räthe oder wem Wir solches sonsten Zu übertragen gnädigst gemeynet seyn werden, vorgehenden Vorwissen, Befehl und Erlaubnüß, ingleichen was geringe privat-Arbeiten betrifft, ohne vorhero behörigen Orts erfolgte Censur und Correctur, nichts in den Druck zu nehmen, weniger aber Sachen, welche wider das Christenthum, die Gesetze und Erbarkeit streiten, unnütze schändliche Bücher, Carmina, Schmäh-Schrifften, ingleichen Bildniße oder andere dergleichen unziemende Dinge bey Vermeidung schwehrer Straffe und allenfalstigen Verlust dieses ihme hiermit lediglich aus Gnaden ertheilenden Privilegii, Zu drucken, noch der Münzlischen privilegirten Buchdruckery an der bißhero gehabten Schul- und andern Arbeit, seinen von sich gestellten Revers Zu wieder, einigen Eintrag Zu thun. Uebrigens behalten Wir Uns, Unsern Erben und Nachkommen in der Regierung bevor, künfftig nach Befinden und Erheischung der Umstände, darunter Zu mindern und Zu wehren. Urkundlich ist dießes Privilegium unter Unßerer Unterschrifft und anhangenden Regierungs-Siegel ausgefertiget worden. So geschehen in Unßerer Residenz-Stadt Bayreuth den 20. Juli Anno 1735.

Dokument Nr. 4

Aktennotiz des Stadtrats von Hof: Anzeige Johann Ernst Schultzes vom 12. Juli 1737, dass [Johann Adam] Mönnich, ein Buchdruckergeselle Hetschels, damit begonnen habe, in Hof eine dritte Buchdruckerey einzurichten, und Bitte um Verbot der rechtswidrigen Aktion.

Actum  Hoff den 12. Juli 1737.

Zeiget der alhiesige Buchdrucker Schultze an, was gestalten alhier sich der dritte Buchdrucker, namentl.[ich] Mönnich, welcher des Buchdrucker Hetschels Stieftochter heirathen würde, niederlassen wolte, wie er dann albereits eine Preße in das Mollische Haus hieselbst hat bringen lassen.

Wenn nun aber dieses unbefugte eigenmächtige Unternehmen wider die gnädigst ertheilte Privilegien, krafft derer keine andere, als seine und des Hetschels Druckerey alhier gestattet werden solle, liefe, als wolle er ein solches hierdurch erörtert und gehorsamst gebeten haben, ihme hierinnen zu schüzen und dem Mönnich dieses unerlaubte und wider die gnädigst ertheilten privilegia laufende Beginnen mit Nachdruck zu inhibiren.

Resolution [Beschluss]

Solle das behörige verfügt werden.

Actum ut supr. P.

Dokument Nr. 5

Schreiben des Buchdruckers Johann Andreas Hetschel vom 12. Juli 1741 an den Rat der Stadt Hof mit Bitte um Bekräftigung der alten Mintzelschen Druckerei – Privilegien.

Hoch- und Wohledle, Hoch- und Wolhlgelehrte, auch hoch- und wohlweise, hochgeehrteste Herren!

Ich finde nöthig, ja mich genöthiget, occasione der mit des Schulzens falliment eingegangnen Buchdruckerey bey Serenissimo um die Confirmation der meiner Buchdruckerey vor alten Zeiten ertheilten Hochfürstl. gnädigsten Privilegien, zugleich aber auch  gnädigste Concession des juris prohibendi unterthänigst anzulangen, so mit vor die beßere und wiederhergestellte Aufnahme der selben besorgt zu seyn. Damit ich nun aber in meinen unterthänigsten Gesuch desto leichter reüssiren möge, bitte Ew: Hoch- und Wohledel ich hiermit gehorsamst, meine beyfolgende unterthänigste Supplication mittelst unterthänigten Berichts dergestalt zu secundiren, daß alles, was ich vorgebracht, der Wahrheit gemäß, und zur Conservation meiner Buchdrucker-Offizin die gebethene Hochfürstl. Gnade allerdings höchst von nöthen sey. Diese gütigste Willfahrung werde ich mit dem ersinnlichsten Danck erkennen und allstets mit besondere respect erharren,

Ew.: Hoch- und Wohledlen

Hof, den 10. Juli 1741

gehorsamster Johann Andreas Hetschel

 

Dokument Nr. 6

Bericht des Hofer Bürgermeisters und Stadtrat vom 29. März 1743 an die markgräfliche Regierung zu Bayreuth über die Vorgänge im Hofer Druckereiwesen

Durchlauchtigster Marggraf, Gnädigester Fürst und Herr.

Ew. Hochfürstl. Durchlaucht ist gnädigst bekand,

was, als Anno 1733. Johann Ernst Schultze seine Buchdruckerey von Schneeberg anhero transferiret; zwischen  ihme und des bereits hier gewesenen Buchdruckers Johann Christoph Mintzels hinterbliebenen Wittib verhandelt worden und wir jenen besondere Immunitaeten und freyheiten zu erhalten gesuchet, diese aber unter Beziehung auf die von ihrem Mann und seinen Vorfahren genoßenen Privilegia, dabey geschützet zu werden gebeten. Über beyderseitiges Gesuch ist mittelst gnädigster Rescriptorum sub 16. und 20. Martii 1734 unterthänigster Bericht abgefordert, auch dieser sub 11. et 13. Maii ei.a. [eiusdem anni] erstattet, seitdeme aber, wie weit ein oder der andere Theil in seinem Bitten reussiret, uns nicht bekannt worden. Inmittelst hat die Mintzlische Wittib sich an Johann Andreas Hetscheln verheyrathet und dieser die Buchdruckerey seithero fortgesetzet, da hingegen Schultze, welcher anfänglich frembde Arbeit ins Land zu ziehen und der Stadt eine strackes Consumtions- Interesse zuzuwenden die  Bestimmung  gemachet, bey Gelegenheit des zum Verlag übernommenen Universal-Lexicons unglücklich worden, alle auswertige Arbeit eingebüßet, und wider sein Promission sich mit Druckerey inländischer Piecen hingeflicket, folglich damit nicht nur die andere Buchdruckery mit ruiniret, sondern auch endlich sich selbsten in so weit gefährdet, dass zu seinen  Vermögen ein starker Concursus Creditorum ausgebrochen. Bey dieser  Gelegenheit suchte Hetschel in der Meynung, daß  mit Schultzens Concurs dessen Buchdruckerey völlig Zergehen würde, in anliegender Supplication unterthänigst an, dass ihme seine Vorfahren gnädigst ertheiltes Privilegium wieder angedeyhen, auch künfftig weiter keine Buchdruckerey neben der seinigen alhier etabliret –  somit  ihme hierunter ein jus prohibendi mitgetheilet werden mögte. Zur Zeit können wir nicht  anführen, wie es noch eigentlich mit dem Schultzischen Concurs und der ad massam gehörigen Buchdruckerey ablauffen mögte, sintemahlen jener wegen desjenigen Besteuerungs-Rechtes und  Steuer-Rechtes Hochfürstl. Landschafft auf  des Debitoris Hauße zu behaupten suchet und der  dieserwegen zwischen derselben  und einer Ritterschaft hiesigen Bezirks, welche das Hauß vormahls beseßen, obwaltenden Different, seithero einigen  Verzug leiden müßen, zu der Buchdruckerey aber, ob sie wohl nicht nur in öffentl. Zeitungen, sondern auch durch öffentl. Anschlag in Leipzig, Wittenberg und Jena zu jedermanns Wissenschafft feil gebothen worden, biß dato sich  so wenig ein Liebhaber gefunden, als  wenig der andere Buchdrucker Hetschel solche an sich zu kauffen das Vermögen besitzet, und welcherley Ursachen  willen auch nur erwendes Hetschel unterthänigstes Suchen an Ew. Hochfürstl. Durchl. zu bringen, wir seithero Anstand genommen und  den Ausgang des Schultzischen Bucdruckerey-Verkauffs abzuwarten gemeynet gewesen. Da aber Hetschel die Intention führet, in Zeiten vorzubeugen, daß nicht etwa durch jenen Retablissement ihme weiterer Schaden zugefüget werde; So wie es zu Ew. Hochf. Durchl. Höchsten Disposition beruhen, wie weit sein Bitten mit gnädigster  Erhörung  er zu sehen vor thunlich erachtet werden wolle.

Umb des hiesigen Gymnasii ist freylich eine Buchdruckerey fast unentbehrlich, und dieses sonder  Zweffel die Ursache, welcher wegen   früherer Albrecht Müntzel von Leipzig anhero vociret, und nebst  seinen Successoribus von Durchlauchtigster Landesherrschafft mit verschiedenen Begnadigungen,  wovon  aber gegenwärtig weiter nichts, als die Befreyung von der ordinairen Steuer, darin Zug und Wacht, von der  Hochfürstl. Landschafft, ingl. Etwelche Umbgelds – Befreyung von der Hochfürstl. Cammer annoch  zugestanden wird, angeshen werden; Dabey findet ein Buchdrucker endlich auch nothdürfftiges Brod. Wird aber die  Zahl verdoppelt, so ruiniret einer den andern, wie das Exempel gegenwärtig am Tage ist. Zu Ew. Hoch[ohl] D[urchlauchtigsten] erlauchtesten Penetration stellen  Wir demnach submittest aus, ob Höchstdieselbe Hetschels unterthänigtsten Suchen Platz geben und ihn auf  den  Fall, da die Schultzesche Buchdruckerey gäntzl. zergehen sollte, mit dem suchenden    jure prohibendi ueber eine weitere Buchdruckerey-Anrichtung zu begnadigen geruhen wollen, die wir in tiefster Erniedrigung  verharren.

Ew, H. D.

Hof

Den 29. Martii 1743.

B[ürgermeister] u. R[ath]

 

Dokument Nr. 7

Schreiben der markgräflichen Regierung zu Bayreuth vom 26. April 1743 an die Landeshauptmannschaft Hof mit der Aufforderung, bis zum Verkauf der Schultzeschen Buchdruckerei abzuwarten.

Von Gnaden, Friedrich, Marggraf zu Brandenburg [usw.]

Unsern gnädiglichen Gruß zuvor, Ehrsame, Liebe Getreue! Es ist dahier eingelanget, und breitens Inhalts verlesen worden, was ihr wegen der ad concursum gezogenen Schultzischen Buchdruckerey sub präs: 20. De curr: unterthänigst einberichtet, dann wie der Buchdrucker Johann Andreas Hetschel in dem eurem Bericht beygelegenen gewesenen Supplicato um Confirmation derer dem ehemahligen Buchdrucker Min[t]zel verliehenen Privilegiorum cum jure prohibendi, weilen seiner Meynung nach die Schultzische Buchdruckerey durch den Verkauff einzugehen scheine, die unterthänigste Ansuchung gethan [sein Gesuch eingereicht].

Gnädigtst darauf befehlend, ihr soltet dem Hetschel eröffnen, daß die gesuchte Confimation in so lange Anstandt haben [warten] müsse, biß man sehe, wie es mit dem Verkauff oben gedachter Schulzischen Buchdruckerey ablauffen werde, da so dann nach Befinden weitere Resolution erfolgen solle. Wornach ihr euch gehorsamst zu achten.

Datum Bayreuth, den 26. April, 1743.

MC von Feilitzsch

Johann Christoph Braun

Chr. Ernst Schüliin

Johann Georg Kayser

 

Dokument Nr. 8

Vermerk des Hofer Bürgermeisters und Stadtrats vom 10. Mai 1743, dass der Ratsdiener dem Buchdrucker Johann Andreas Hetschel den Bescheid der markgräflichen Regierung  persönlich übermittelt hat, Hetschel solle sich in Geduld üben, bis der Verkauf der Schultzeschen Buchdruckerei geklärt sei.

Gegenwärtiges gnädigegstes Rescriptum, worinnen Johann Andreas Hetschel Buchdrucker wegen suchender Confirmation derer hiebeyvorigen Mintzlischen Privilegiorum in so lange, biß man sehen wird, wie es noch mit Verkauff der Schultzischen Buchdruckerey ergehen mögte, Zur Gedult verwiesen wird, wurde ernanden [genannten] Hetschel durch den Rathsdiener Willer [?] von der Hand originaliter ad notitiam communiciret [mitgeteilt].

Hof den 10. Maji 1743.

Bürgermeister und Rath

Dokument Nr. 9

Gesuch des Buchdruckergesellen Johann Georg Aemilius Bergmann vom 29. März 1785 um die Konzession für die Errichtung einer zweiten Buchdruckerei in Hof, gerichtet an den Geheimen Rat und Landeshauptmann Philipp Georg von Weitershausen

Reichsfreyhochwohlgebohrner Herr, gnädig und hochbefehlender Herr Geheimer Rath und Landes-Hauptmann.

Es kann dem scharfsehenden Auge Ew. Reichsfreyhochwohlgebohrnen Excellenz unmöglich entgehen, dass aus Mangel guter Buchdruckereyen in dem Fürstenthume Brandenburg-Culmbach Oberhalb Gebürges, nicht nur hiesige Buchhandlung, sondern auch die Bayreuther ihre Zuflucht zu den benachbarten ausländischen nehmen, und mithin das Geld, welches im Lande verdienet werden könnte, Auswärtigen in ansehnlichen Summen jährlich liefern müssen. Die Vierlingische Buchhandlung allhier, wird in angebogener [?] Vertretung dieses bekräftigen und den Nachtheil, der ihr hierdurch zuwächst, bekennen müssen. Der hiesige Buchdrucker Hetschel ist ein Mann von 78 Jahren, der seine Buchdruckerey nach seinen Umständen nicht höher treiben kann. Seine zwey Pressen besetzen immer Verlagsbücher von Buchbindern zu zwey bis drittehalb tausend Auflage; womit er ohne andere Arbeit zu übernehmen, sich Jahre lang beschäftigen muß. Ich getraue mir dahero zu behaupten, daß Hetschel im geringsten kein Abbruch geschehe, wenn ich der Aufforderung der hiesigen Buchhandlung zur Folge eine neue Buchdruckerey errichten, und mir hierzu die gnädigste Erlaubniß ertheilet würde, da ich nach meinen, in vielen ansehnlichen Buchdruckereyen seit 13 Jahren her gesammelten Kenntnissen zum Besten des Landes und vorzüglich hiesiger Buchhandlung benutzen würde. Ich wollte mich zum voraus verbindlich machen, Hetscheln von seiner Arbeit nichts zu entziehen, sondern ihn vielmehr bey überhäufter Arbeit selbst abzugeben im Falle es ihm an Arbeit fehlen sollte. Ich würde, weil meine Unterstützung von Hause, so lange meine Mutter noch am Leben, nicht zu zwey oder mehreren Pressen hinreichend ist, anfänglich nur mit einer einzigen anfangen, mit welcher ich jährlich 50. bis 53. Ballen zu verdrucken, im Stande bin, nach einiger Zeit aber, vielleicht durch eine vortheilhafte Parthie, oder auch dadurch, daß ich meine Mutter zu mir nehme, meiner und des Publikums Convenienz nach, die Pressen vermehren.

Mir ist seit meiner zweyjährigen Condition allhier nicht verborgen geblieben, wie rührig Ew. Reichsfreyhochwohlgebohrene Excellenz bemüht sind, jeden Nahrungsstand in größeren Flor zu setzen, und jeden fehler derselben zu verbessern. Desto getroster wage ich es Ew. Reichsfreyhochwohlgebohrenen Excellenz unterthänig gehorsamst zu bitten:

Mich bey der höchsten Behörde in meinem Gesuche Gnädig und Hochgeneigt zu unterstützen, und es durch Hochdero gnädigen Vorsprache dahin zu vermögen daß mir, als einen Anfänger dessen wichtigtste Unterstützung, Thätigkeit und Püncktlichkeit seyn wird, die Kosten pro concessione nicht erschweret werden.

Unter der Hoffnung gnädiger Erhörung in tiefem Respect

Ew. Reichsfreyhochwohlgebohrene Excellenz gg.

Hof, den 29. März 1785

unterthäniger Diener

Johann Georg Aemilius Bergmann, aus Jena.

Dokument Nr. 10

Schreiben des Verlagsbuchhändlers und Zeitungsherausgebers Carl Johann Albrecht Meyer vom 29. März 1785 an den Geheimen Rat und Landeshauptmann Philipp von Weitershausen zur Unterstützung der Konzessionierung einer zweiten Buchdruckerei in Hof.

Reichsfreyhochwohlgebohrner Herr

Gnädig und hochbefehlender Herr geheimer Rath und Landeshauptmann,

Der in hiesiger Buchdruckerei in Condition stehende Georg Aemilius Bergmann wünscht die gnädigste Erlaubniß zu einer zweyten Buchdruckerei alhier zu erhalten und hiesige Buchhandlung stimmt in diesen Wunsch auf das feyerlichste ein, weil sie eben so wenig als die Bayreuther vermögend ist den dritten Theil der Verlags Artikul bey der Verfassung unserer Obergebürgischen Buchdruckereien im Lande gedruckt zu erhalten. Die hiesige Buchdruckerei bekümmert sich wenig um Buchhandels Arbeit weil solche immer Bücher die eine starcke Auflage erfordern unter der Presse hat, und die Culmbacher und Bayreuther Buchdrucker sind zu dergleichen Arbeit nicht eingerichtet, teils  mit dem Druck des Calenders, teils mit der politischen Zeitung beschäftiget. Ich befinde mich auf solche Weise in die Nothwendigkeit  versetzt bey nahe alle meine Verlagsartikul auserhalb Landes drucken zu lassen und ansehnliche Summen in jene Gegenden zu senden, woher Hof, wenn mehrere Pressen vorhanden wären, Geld ziehen könnte, des grosen Nachtheils nicht zu gedencken der mir durch die Entfernung vom  Druckorte, durch Porto und andere unvermeidliche Umstände zuwächst. Ich würde bey alledem Supplicantens Bitte so wol als meine Clage auf jede Art ungerecht und unbillig finden, wenn der hiesige Buchdrucker Hetschel durch Errichtung einer zweyten Buchdruckerei – die aber schon ehemals neben der Hetschelischen vom Schulze behauptet wurde – die er weder mir noch der Bayreuther Buchhandlung wegen anderen Arbeiten wenig oder gar nichts drucken kann, an seiner Nahrung Abbruch litte. Ich verpflichte mich im Gegenteile ihm so viel er mir zeithero drucken konnte, so lange er am Leben, zu geben und Supplicanten nur das was ich  bishero auser Landes drucken lassen mußte, nebst den von andern Gegenden zur Besorgung des Druckes zu gesendeten Manuscripten  zu über- lassen. Euer reichsfreyhochwohlgebohrn Excellenz als Kenner jeder hiesigen Gebrechen  das Nahrungsstandes werden durch hochdero viel vermögenden Vorwort bey höherer Behörde der Buchhandlung alhier diesen Vorteil, Supplicanten aber, von dessen Geschicklichkeit ich Proben habe, die gnädigste Deference seiner Bitte gegen eine geringe Abgabe, gnädig und hochgeneigtest zu bewürcken geruhen. Da ich übrigens mit der grösten Verehrung in Submission erharre

Euer Reichsfreyhochwohlgebohrn Excellenz

Hof, den 29. Merz 1785

Unterthänig gehorsamster

Carl Johann Albrecht Meyer.

Dokument Nr. 11

Schreiben des Landeshauptmannes Philipp von Weitershausen an den Markgrafen von Bayreuth vom 10. Mai 1785. [Acte die von dem Buchdruckergesellen Bergmann gesuchte u. erhaltene Concession zu einer 2ten Buchdruckerey betreffend.  Staatsarchiv Bamberg C 7 VIII Nr. 2452]

Duchlauchtigster Marggraf

Gnädigster Fürst und Herr!

Der hiesige Buchdruckergesell Johann Georg Aemilius Bergmann, welcher aus Jena gebürtig ist, wünschet, die gnädigste Erlaubnis zu einer Buchdruckerei zu erhalten, und hat mich, wie die Beilage ergibt, um meine Vertrettung gebeten. Nach der weitern Anlage äußert die Vierlingische Buchhandlung eben diesen Wunsch , weil sie von der bereits hier befindlichen Hetschelischen so wohl, als der Baireuther und Culmbacher Buchdruckerey nicht gefördert werden könnte, sondern die meisten Verlagsartikel oefters zu ihren grösten Schaden auswärts drucken lassen müssen.

Es ist sehr augenscheinlich,, wo nicht mit Gewißheit zu behaupten, daß zwei Buchdruckereien hier immer genug zu drucken haben, und keine die andere verderben werde, zumalen die hiesige Buchdruckerey nur 2. Pressen hat, davon öfters nur eine aus bloser Nachlässigkeit des Hetschels und wegen mangel der Lettern gangbar ist.

Da nun der Bergmann die Erlaubniß zu einer neuen Buchdruckerei überdieß ohne Nachtheil der Hetschelischen verlangt, solches auch, da eine es immer fehlen läßet, thun kann, und dadurch das sonst  auswärts gehende Geld im Lande behalten wird; so bin ich des unzielsezlichen Dafürhaltens , daß dem Bergmännischen Gesuch gnädigst willfahret werden koennte.

Ich überlaße jedoch alles Ew. Hochfürstlicher Durchlaucht höchstem Ermessen und erharre in größter Ehrfurcht,

Hof den 10ten Mai 1785.

Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht

Unterthänig gehorsamster

Weitershausen

Dokument Nr. 12

Aufforderung der markgräflichen Regierung vom 30. Mai 1785 an den Geheimen Rat und Landeshauptmann Philipp Georg von Weitershausen, den Buchdrucker Hetschel über den Vorgang in Kenntnis zu setzen und dessen Stellungnahme dazu einzuholen.

Von Gottes Gnaden, Christian Friedrich Carl Alexander, Marggraf zu Brandenburg [usw.]

Unsern gnädiglichen Gruß zuvor: Wohlgebohrner, Lieber Getreuer! Wir sind zwar gar nicht ungeneigt, dem mit eurem Bericht de praes:12.ten hujus einbeförderten Concessions Gesuch des Buchdruckergesellen Bergmanns zu einer neuen Buchdruckerey zu deferiren; Wir erachten aber, um die Sache ausser allen Anstand zu sezen, die Erklärung des Buchdrucker Hetschels annoch für nöthig: wannenhero Wir Euch unter Zurückgabe der eingesandten Meyer- und Bergmännischen Exhibitorum befehlen, ersagtem Hetschel hievon Eröfnung zu machen, und dessen Erklärung ad Protocollum zu nehmen, dann solche sub Remissione communicatorum mit anderweiten gutächtlichen Bericht einzusenden. Deme Wir in Gnaden gewogen. Datum Bayreuth den 30. Maii 1785. [Eine Abschrift dieser Aufforderung befindet sich im Staatsarchiv Bamberg C 7 VIII Nr. 2452]

Dokument Nr. 13

Johann Georg Mintzel: Bewerbung um die Konzession für eine zweite Druckerei in Hof. Schreiben vom 18. Juni 1785 an den Geheimen Rat und Landeshauptmann Philipp von Weitershausen.

Reichsfreyhochwohlgebohrner Herr, Gnädiger Herr Geheimder Rath und Landeshauptmann!

Schon seit 18. Jahren habe ich mich der Buchdrucker Kunst beflissen, und solche nicht nur hier bey meinem Gros Vater, dem Buchdrucker Hetschel erlernet und sie nach erstandener Lehr Zeit noch über 6. Jahre lang bey ihm als Geselle getrieben, sondern auch um darinnen noch mehrere Fertigkeit und Känntniß zu erlangen, auswärtige berühmte Buchdruckereyen besuchet, und in solchen beynahe 8. Jahre conditioniret, wodurch ich denn sowohl als auch anhaltenden Fleiß in meinem Metier eine solche Wissenschaft erworben habe, daß ich nunmehro einer eigenen Buchdruckerey wohl vorstehen kan. Bereits stehe ich auch in den Jahren, die mich ein eigenes Etablissement wünschen lassen, und in dem Vorsaz mich hier in meiner Vaterstadt darum zu bewerben, bin ich von Coburg hieher gereist. Bey meiner gestern erfolgten Ankunft aber vernehme ich, daß der Buchdrucker Gesell Bergmann aus Jena die nehmliche Absicht heget und bereits um eine Concession zu Errichtung einer neuen Buchdruckerey angesucht hat. Ich habe Gelegenheit gehabt, sein dißfalls bey Euer Reichshochfreyherrl. Excellenz angebrachtes schriftliches Gesuch zu lesen, und ich muß ihm vollkommen beystimmen, daß eine zweite Buchdruckerey sowohl überhaupt für die hiesige Stadt als insbesondere für die hiesige Buchhandlung vortheilhaft und nüzlich sey. Auch darinnen hat er Recht, daß dadurch unter den von ihm selbst vorgeschlagenen Einschränkungen der schon etablirten Buchdruckerey kein Abbruch geschehen würde. Ob er aber der Mann ist, für den er sich sonst ausgiebt, muß ich dahin gestellet seyn lassen. Soviel ist indessen gewiß, daß er noch nicht vor langer Zeit meinen Unterricht öfters gesucht und benuzt hat, wenigstens kan ich es wegen des Vorzugs allemal auf eine Probe ankommen lassen. Auf alle Fälle getraue ich mir eine bessere und accuratere Arbeit zu liefern, als es Bergmann im Stand ist, und in Ansehung der Vermögens Umstände bin ich ihm wenigstens auch gleich. Da ich nun hiernächst ein hiesiges Stadtkind bin, und mich zu den nehmlichen Bedingungen, zu welchen sich Bergmann erboten hat, verbindlich mache und da auch die hiesige Buchhandlung gegen mich nichts einwenden wird, indem mir deren Besizer, Herr Commercien Rath Meyer bereits im vorigen Jahr mit Hand und Mund versprochen hat, daß er mich, wenn ich mich hier etabliren würde, aufs kräftigst unterstüzen und mir seine sämtlichen Verlags Artickel zuwenden wolte; so bitte ich Euer Reichshochfreyherrl. Excellenz in aller Unterthänigkeit Hochdieselben wollen sich bey Hochfürstlicher höchstpreißlichen Regierung für mich in Gnaden dahin verwenden, daß mir die gnädigste Concession zu Errichtung einer neuen Buchdruckerey vor dem Ausländer Bergmann, und in der Art wie derselbe sie gesucht hat, huldreichst ertheilet werde.

Da Euer Reichshochfreyherrl. Excellenz ohnehin schon rühmlich gewohnt sind, dem Inländer, wann sonst kein Vorzug eintritt, vor dem Ausländer aufzuhelfen, und da ich mich wegen meiner guten Aufführung durch die besten Zeugnisse legitimiren kan; so darf ich zuversichtlich hoffen, daß hochdieselben mich, wenn ich auch des Umstandes, daß meine Voreltern seit 150. Jahren in dem Besiz der hiesigen Buchdruckerey gewesen nicht erwehnen, in meinen unterthänigsten Gesuch kräftigst unterstüzen werden, daher ich um diese gnädige Verwendung nochmals demüthig bitte und in tiefer Erniedrigung erharre,

Euer Reichshochfreyherrl. Excellenz.

Coburg, jetzt Hof,

den 18. Junius 1785

unterthänig gehorsamster

Johann Georg Mintzel

Dokument Nr. 14

Stellungnahme des Buchdruckers Johann Andreas Hetschel zur Konzession einer zweiten Buchdruckerei in Hof in seinem Schreiben vom 18. Juni 1785 an den Geheimen Rat und Landeshauptmann Philipp von Weitershausen.

Reichsfreyhochwohlgebohrner Herr, Gnädiger Herr Geheimder Rath und Landeshautmann!

Das Concessions Gesuch des Buchdrucker Gesellens Bergmann aus Jena nebst dem Vertretungs Schreiben der hiesigen Buchhandlung haben mir Euer Reichshochfreyherrl. Excellenz mittelst eines am 9. dieses ergangenen hochverehrlichen Decret unter der Auflage zugefertiget, dass ich mich darüber binnen 8. Tagen vernehmen lassen soll.

In dem hohen Alter, worinnen ich gegenwärtig stehe, muß es in der That die gröste Kränkung für mich seyn, daß ich jezt am Ende meiner Tage mein karges Brod mit einem andern, theilen soll. Dieses Ansinnen fällt mir auch um so empfindlicher, als ich die Überzeugung habe, dass ich die hiesige Buchdruckerey, in den 52. Jahren, als ich ihr vorstehe, jederzeit mit aller möglichen Accuratesse versehen, und niemals zu einer gerechten Beschwerde Anlaß gegeben habe. Wahr ist es zwar, dass ich seit einiger Zeit mit vielen Arbeiten überhäuft und dadurch verhindert war, daß ich die hiesige Buchhandlung mit ihren Verlags Artickeln nicht allzeit in der Eilfertigkeit, als sie verlangt wurden, fördern konnte. Allein dieses ist ein Zufall der sich mir selten ereignet, und der öfters nur von ganz kurzer Dauer ist, auch nicht einmal merckbar worden seyn würde, wenn einige von meinen Leuthen nach Gewissen gearbeitet hätten. Leider aber hat mich hauptsächlich deren Nachlässigkeit und Pflichtvergessenheit verhindert, daß ich seit einiger Zeit die mir geschehenen Aufträge nicht mit der Püncktlichkeit, wie sonst, verrichten konnte, wie auch diese ungetreuen Mitarbeiter Schuld sind, daß ich alles angewandten Fleißes ungeachtet etliche 100. f. Schulden habe machen müssen, welche ich jedoch, wenn mir meine Nahrung nicht geschmälert wird, und sich die gegenwärtigen schweren und theuren Zeiten bessern, in balden als ein ehrlicher Mann wiederabzuzahlen hoffe, zumal wenn es mir glückt, daß ich für jene Mietlinge, fleisige und geschickte Mitgehülfen überkomme. Es wendet zwar Supplicant vor, dass er mir nichts von meinen Arbeiten entziehen wolle. Es ist dieses aber ein Versprechen, das er weder halten will noch kann. Für sein Anerbieten hingegen, daß er mir bey überhäuften Geschäften selbst Arbeiten zuwenden wolle, danke ich, und soll er mich nur bey den Rechten lassen, die mir gehören, und die ich titulo oneroso erworben habe.

Wahr ist es, daß sich vor 40. Jahren auser mir noch ein anderer Buchdrucker Namens Schulze hier angesezet hat. Aber ebenso wahr und stadtkündig ist es auch, dass dieser Schulze aus Mangel der Nahrung einen Banquerot gemacht und seine Gläubiger um viele Tausend Gulden verkürzet hat. Eben dieser Fall würde sich auch ereignen, wenn jezt noch eine Druckerey errichtet würde, und gewiß ist es, daß entweder diese oder die meinige zu Grunde gehen müste. Den ich kann Euer Reichshochfreyherrl.[iche] Excellenz gewissenhaft versichern,dass ich öfters zu halben Jahren aus Mangel der Arbeit müsig habe sizen müssen und in dem 7-jährigen Krieg hat sich dieses sogar vierthalb Jahre lang zugetragen. Daß es gegenwärtig einige Geschäfte giebt, ist ein Zufall, der die Anrichtung einer neuen Druckerey sowenig nothwendig macht, sowenig es nüzlich gewesen wäre, wenn die meinige, zu der Zeit, wo ich feyern muste, wäre aufgehoben worden. Überdem mache ich mich hierdurch verbindlich, meine Druckerey in einigen Monathen in einen solchen Stand zu sezen, dass nicht nur die Aufträge der hiesigen Buchhandlung sondern auch alle andern vorkommenden Arbeiten aufs pünktlichste und so gut als in einer von den angesehensten Druckereyen besorgt werden solle.

Bey diesen Umständen bitte ich also Euer Reichshochfreyherrl. Exzellenz umso aufs angelegentlichste unterthänig  Hochdieselben geruhen sich für mich in Gnaden dahin zu verwenden, daß der Supplicant Bergmann mit seinem Concessions Gesuch  Ortes unter Verurtheilung in die dadurch verursachten Kosten gerechtest abzuweisen werde.

Gnädiger Erhörung getröste ich mich zuversichtlich. Sollte aber wider Vermuthung die Errichtung einer zweyten Buchdruckerey absolut für nothwendig erachtet werden; so bitte ich auf diesen für mich betrübten Fall unterthänig, daß Euer Reichshochfreyherrl. Excellenz die Concession dazu meinem Enckel dem Buchdrucker Gesellen Johann Georg Mintzel, der, ihr, sowohl in Ansehung seiner guten Conduite  als auch besonders wegen seiner Geschicklichkeit weit vor dem Bergmann würdig ist, vor diesem Ausländer, in Gnaden auswürcken möchten. Dieser in Verhältniß meines dabey leidenden Verlustes geringen Consolation werde ich hoffentlich würdig seyn und verharre übrigens in tiefer Erniedrigung,

Euer Reichshochfeyherrl Excellenz.

Hof, den 18. Junius 1785.

Unterthänig gehorsamster,

Johann Andreas Hetschel

Dokument Nr. 15

Schreiben des Buchhändlers Carl Johann Albrecht Meyer vom 23. Juni 1785 an den Geheimen Rat und Landeshauptmann  Philipp Ludwig von Weitershausen mit einer Stellungnahme.

Reichsfreyhochwoghlgebohrner Herr, Gnädiger Herr geheimer Rath und Landeshauptmann.

Als ich Ew. Reichsfreyhochwohlgebohrne Excellenz wegen Verbesserung der hiesigen Buchdruckerey-Anstalten unterthänige Vorstellung machte, und zugleich den zu Erreichung dieses Endzwecks in Vorschlag gebrachten Buchdrucker-Gesellen Bergmann in seinem Gesuche zu unterstützen für nothwendig hielt, vermuthete ich nicht, dass dieses zu einem  Schriftwechsel zwischen mir und dem hiesigen Buchdrucker Hetschel Anlaß geben und einem Prozess ähnlich werden würde. Ich stand in der Ueberzeugung, dass Buchdrucker-Preßen, die zuverläßig einen beträchtlichen Nahrungszweig ausmachen, und zumal in der Lage, wie Hof, ansehnliche Summen ins land ziehen können, statt daß seit 15 – 20 Jahren starke Geld, Kosten außerhalb Landes gesendet werden musten, nicht nur hier in Hof, sondern auch höheren Orts einige Aufmerksamkeit verdienten, ja ich ging so weit, dass ich, da mir die Höfer Polizey-Anstalten auf der besten Seite bekannt sind, von dieser Seite einzig und allein durch Berichterstattung meinen Wunsch erfüllt zu sehen hatte. Durch die mir unter dem 20ten dieses Monats zugefertigten und anbey zurückfolgenden Hetschlisch- und Münzlischen Gegendarstellungen, die ich der Kürze wegen in einer Schrift beantworten will, werde ich  eines andern belehrt.

Wahr ist es, dass Hetschel ein Mann ist, der seine Kunst versteht, ich gebe auch sehr gerne zu, daß seine Buchdruckerey vor andern Vorzüge habe, allein was würde. Trattners ganze Buchdrucker-Fabrique, wenn sie nur den dritten Theil der Arbeiten zu fördern im Stande wäre, dem Publikum und mir nützen? Daß ich nicht ohne Ursache diese Beschwerde führe, gesteht Hetschel selbst ein, beweisen meine ungedruckt liegengebliebenen Verlagsartickel, bestätigt,  so ein der andern, auch der heurige Oster-Meß- Catalogus, den ich erst seit 8 Tagen aus der Preße erhalten konnte; und gleichwol beschäftigte nur der 4te Theil meiner heurigenVerlags-Artickel die hiesigen Pressen, oder sollten sie vielmehr beschäftigen, dass blos der Catalogus  von drei Bögen und eine Piece von 7 und einen halben Bogen konnte ich bis dato fertig erhalten, nicht etwann aus Eigensinn des Hetschels, sondern heute ich bis dato fertig erhalten nicht etwann aus Eigensinn des Hetschels, sondern wegen überhäufter Arbeit. So war es nicht nur heuer, sondern schon seit 3 Jahren als ich die hiesige Buchhandlung übernahm in der Hetschelsen Buchdruckerey bestellt. Hetscheln bey solchen Umständen, die Vermehrung der Preßen anzurathen, wäre eben so viel, als Anlaß zu Vermehrung seiner Passiv-Capitalien – zur größeren Unruhe in seinem hohen Alter zu geben. Ich hingegen, bemerke von Jahr zu Jahr den merklichen Schaden, den ich durch die schlechte Korrektur, durch Verunstaltung der Bücher, durch Porto und übertriebenen Zuschuß  bey auswärtigen und ausländischen Pressen leiden muß; ich kann den Ueberschlag machen, dass ich in einem Zeitraum von 20 Jahren wenigstens 30000 fl.  außer Land wegen Mangel an Preßen gesendet werden müßen, und diese Umstände vermüßigten mich,  so hart ich auch daran gieng, einem alten Manne, wie Hetschel, der, ohnerachtet er die Versicherung von mir erhalten, daß ich ihm  jährlich immer so viel Arbeit geben werde, als er zeithero für mich leisten konnte, dennoch über Abbruch an seiner Nahrung schreiet, das zu thun, was ein jeder ehrliche Mann sich und – wo nicht seinem Vaterlande –  doch wenigstens seiner Vaterstadt schuldig ist.

Schulze, der vor 40 Jahren eine starke Buchdruckerey hier besaß, und zu Grunde gieng, lebte nicht in diesen veränderten Zeitläuften, nicht in diesem schreibsüchtigen Jahrzehend, gleichwol war an seinem Untergang nicht Mangel der Arbeit, sondern eine Geldbuße von 500 fl. und der Druck eines starken Werkes Schuld. Vielleicht würden die in den benachbarten Gräflich. Reusischen kleinen Orten vorhandenen Preßen nicht entstanden, nicht so ansehnlich vermehret worden und nun  der Zufluchtsort für mich und die Bayreuther Buchhandlung seyn, wenn Schulze nach eben so  wol, als Hetschel existirte. Ich bin überzeugt, dass Hetschel selbst nicht an dem Fortkommen einer zweyten Buchdruckerey allhier zweifelt, er würde gewis nicht mit seinem Enkel Münzel [das ist Johann Georg Mintzel – A.M.] den Versuch machen wollen, welcher von ihnen am unachtsamsten seyn, und am wenigsten von der jetzigen Zeit profitiren oder,  wlches einerley ist, Banquerot machen werde. Letzterer will den Weg betreten, den Bergmann gebahnt hat, theils weil er sich für  fähiger hält, theils weil er das Glück hat, ein Höfer zu seyn. Ich kenne Münzeln blos aus einer halbstündigen Unterredung; ich spreche ihm seine Geschicklichkeit nicht ab, sondern glaube, dass er der Mann sey, der hiesiger Buchdruckerey bey einer dereistigen Veränderung vorstehen, auch hierzu vor einem andern einen Vorzug haben und Unterstützung verdienen könne. Allein der Bergmann an die Stelle des ehemaligen Schulze treten will, da dieser drey Jahre lang als erster Setzer  in hiesiger Buchdruckerey gestanden, die als hier das Recht des Ausländers  mit dem Rechte des Inngebohrnen  auf der Wagschaale, die dieses Vorzugsrecht nicht kennt, immer das Gleichgewicht hält, da ich endlich nicht ohne Grund vermuthe, dass Münzels Gesuch nichts anders zum Grunde habe, als die Sache so weit zu bringen; wie sie gegenwärtig ist, so kann ich daßselbe nicht anders, als für unbillig und zweckwidrig ansehen. Münzel bemühe sich, die Hetschelsche Buchdruckerey, die seine Voreltern besaßen und die er aus diesem Grunde einer jeden anderen vorziehen wird, zu erheben, als wird ihm diese Bemühung den Wunsch, Bergamann zu verdrängen, gewis vergeßen machen, und meiner Absicht nahe kommen, die keineswegs dahin gehet, die  gegenwärtige einzige Buchdruckerey durch eine andre zu Grunde zu richten,welches, wenn ich mich auch so weit unter das menschliche Gefühl erniedrigen könnte, bey Thätigkeit und Nacheiferung auch nicht einmal in meinen Kräften steht. Bergmann, zwar ein Ausländer, aber ein Mensch, der  troz der Münzelischen Verkleinerung seine Sache versteht und verstehen muß, wenn sich anders Hetschel bey seiner  Berufung  auf seine gutbestellte Buchdruckerey, in welcher Bergmann erster Setzer ist, nicht widersprechen will, wird seine Preße mit dem Theil meiner Verlagsartickel beschäftigen, die ich seit 3 Jahren  auswärts drucken laßen muste, und, eben weil er Ausländer ist, um so eher im Stande seyn, seine Bekannte und Landsleute zu seinen Kunden zu machen.

Ich erharre unter Wierderholung meiner ersten unterthänigen Bitte, und der Hofnung gnädiger Willfähr mit vollkommensten Respect

Ew. Reichsfreyhochgebohrn Excellenz

Hof, den 23. Junii 1785.

unterthänig gehorsamster

Carl Johann Albrecht Meyer

 

 Dokument 16

Schreiben Johann Georg Aemilius Bergmanns vom 5. Oktober 1785 an den Markgrafen von Bayreuth [Quelle: Staatsarchiv Bamberg, C 7 VIII Nr. 2452]

Durchlauchtigster Marggraf, Gnädigster Fürst und Herr!

Aus denen bereits vorliegenden Acten, und denren von der Hochfürstl. Landeshauptmannschaft Hof unterthänigst eingesanden Berichten, werden Ew. Hochfürstl. Durchlaucht, des mehrern gnädigst zu ersehen geruhet haben, daß ich um gnädigste Ertheilung der Concession, zu einer 2ten Buchdruckerey  auf hiesige Stadt, submissest eingekommen bin, und daß mir solche bereits eventualiter gnädigst deferiret worden ist:

Wie nun der Buchdrucker Hetschel dahier weiter nichts einzuwenden vermochte, als daß er vermeynet, einen andern statt meiner unterzubringen, und durch meine Kunst dem Lande dadurch großer Nutzen zuwächst, weil mehr als zu wohl bekannt, daß vieles außer Land gedruckt und somit das Geld dahin gezogen wird, welches  aber ganz gewis weg fällt, als ich bereits schon viele Bestellung habe, wohingegen ich vorhero zu meinem Metier alles neu verfertigen laßen muss, welches doch ohne vorhero erlangte gnädigste Resolution nicht geschehen kann, mithin, da die Meßen herannahen, der Verschub, für mich als einen jungen Anfänger sehr schädlich wäre;

Als falle für dem Thron Ewr. Hochfürstl. Durchlaucht nieder, und bitte in gröster Ehrfurcht demüthigst, HochDieselben wollen Huldreichst geruhen: mich bey solchen vorwaltenden Umständen, in meinen demüthigsten Concessions-Gesuch zu erhören und das genädigste Rescript, worauf ich zu warthen gesonnen  balden ausferttigen zu lassen.

Dafür ersterbe in tiefster Erniedrigung

Ewr. Hochfürstl. Durchl.

Hof, dermalen anwesend in Bayreuth

demüthigster Knecht

Johann Georg Aemilius Bergmann.

Dokument Nr.17

Konzession der markgäflichen Regierung zur Errichtung einer zweiten Druckerei in Hof für den Buchdruckergesellen Johann Georg Ämilius Bergmann vom 11. Oktober 1785:

Von Gottes Gnaden Wir Christian Friedrich Carl Alexander, Z. B. O. et C. etc. etc. Tot. Titul:

Urkunden und bekennen hiermit, wasmaßen bey Unserer Fürstlichen Regierung der Buchdrucker Gesell Johann Georg Emilius Bergmann zu Hof, um die Concession zu Errichtung einer zweyten Buchdruckerey zu gedachten Hof unterthänigst nachgesucht hat.

Nachdem  Wir nun bey denen Von der Landeshauptmannschaft Hof angezeigten Umständen, und in Erwägung des dem Publico  hierunter zugehenden Nutzen und Vortjeils dem Gesuch zu deferiren in Gnaden resolvirt haben; Als verwilligen Wir ihm Bergmann gegen Erlegung Zwanzig Gulden Zum Casten Amt Hof, in Kraft des die gebettene Concession zu Errichtung einer 2ten Buchdruckerey zu besagten Hof und ertheilen ihm hierüber gegenwärtiges Privilegium zu seiner  erforderlichen Legitimation, dergestalten und also daß er bey solcher Buchdruckerey wider alle Beeinträchtigungen geschützt werden soll. Dagegen Wir Uns zu ihm Bergmann versehen, er werde ihm zum Druck anvertraut werdende Sachen sauber und mit gebührendem Fleiß verfertigen, auch sonst jedermann mit der von ihm erfordert werdenden Drucker Arbeit behörig fördern, aber auch nichts von privat-Arbeiten ohne vorher erfolgte Cesur in Druck nehmen, weniger aber Sachen, welche wider das Christentum, die Gesetze und Ehrbarkit streiten, unnüze, schädliche Bücher Schmäh-Schriften, oder andere dergleichen unziemende Dinge, bey Vermeidung schwerer Ahndung, und allerfalßigen  Verlust dieses ihm aus Gnaden ertheilten Privilegii, drucken, Übrigens behalten Wir Uns, Unsern Erben und Nachkommen in der Regierung bevor, künftig nach Befinden darunter zu mindern und zu mehren. Urkundlich ist gegenwärtiges Privilegium mit Beydruckung Unseres Regierungs-Canzley-Innsiegels corroboriret und angefertigt worden. So geschehen

Bayreuth den 11ten Oct; 1785.

(L. S.)

3. Ein einzigartiger Fund und seine merkwürdige Geschichte

 „Deliae Hasenjagt“, 1625, im Weltkatalog  

Es gibt einzigartige Dinge und Ereignisse, Merkwürdigkeiten also, die buchstäblich dokumentiert und erzählt werden wollen. So ein Ding ist ein Druckwerk aus dem Jahr 1625, das laut Weltkatalog (WorldCat) rund um den Globus nur noch einmal existiert und in einer einzigen öffentlichen Bibliothek aufbewahrt wird. Aber in welcher und wo? Der Standort wird nicht genannt. Es handelt sich um eine Schrift, so viel geht aus dem Eintrag im Weltkatalog zweifelsfrei hervor, die zu Ehren der Brautleute Johann Albrecht Mintzel und Maria, geborene Hase, gedruckt worden ist. Das Brautpaar wurde 1625 in Leipzig getraut. Und noch eine Tatsache verrät die im Eintrag stark gekürzte barocke Titelei: Sie ist von der „löblichen, damals in der Grossianischen Druckerei in Arbeit stehenden Gesellschaft“ zu Leipzig verfasst und vermutlich auch gedruckt worden. Es handelt sich also, so könnte man glauben, um eine Art Festschrift der gesamten Belegschaft der Verlagsdruckerei Große zu Ehren des Brautpaares. Doch was ist ihr Inhalt? Es trägt den rätselhaften Haupttitel: „Deliae Hasenjagt.“ Der Katalog gibt nichts Näheres preis. Die Anspielung ist allerdings leicht zu erraten. Die Braut ist gemeint, die aus einer Leipziger Familie namens Hase stammt. Delia, die Göttin der Jagd, jagt Hasen. Welche Geschichte mag sich hinter dieser Anspielung verbergen? Der bibliografische Eintrag im Weltkatalog, auf den ich im Jahr 2011 ganz zufällig beim Surfen im Internet stoße, versetzt mich in Spannung. Wie komme ich an das Druckwerk heran? Was kann ich, sollte ich es finden, daraus entnehmen? Werde ich seinen Inhalt entschlüsseln können?

Der Leipziger Bürger und Buchdrucker Johann Albrecht Mintzel (1600-1653) und seine Ehefrau Maria (1602-1679) sind in direkter Linie meine Vorfahren. Ich kenne ihre Lebensgeschichten bis in viele Einzelheiten hinein und weiß, dass sie in Leipzig am Sonntag, dem 12. Juni 1625 Hochzeit gefeiert haben. Doch was hat die Hasenjagd der Delia für eine besondere Bewandtnis? Meine Recherche beginnt.

Der nächste Schritt führt mich in die Universitätsbibliothek Passau. Ich lasse über den Leihverkehr nach dem Druckwerk suchen. Wie und wo ist es aufzufinden? Selbst die professionellen Bibliothekarinnen kommen ihm schwer auf die Spur. Nach wochenlangen Recherchen werden sie fündig. Die Überraschung ist groß: Das einzige noch existierende Exemplar wird in der British Library London aufbewahrt. Wie war es einstmals von Leipzig dorthin gelangt? Sieben Wochen nach meiner Bestellung im Fernleihverkehr trifft das Digitalisat aus London ein. 386 Jahre nach dem gefeierten Ereignis kommt der Druck wieder zum Vorschein.

Das Druckwerk

Das Druckwerk hat Quartformat und umfasst insgesamt zwölf nicht nummerierte Seiten: das Titelblatt, eine Leerseite und zehn in Fraktur gesetzte Textseiten. Ich sehe sofort, dass es sich nicht, wie ich vermutet hatte, um eine historische Beschreibung der Hochzeit handelt, sondern um ein Gedicht mit 290 Verszeilen, das die Belegschaft der renommierten Leipziger Verlagsdruckerei Grosse im Juni 1625 verfasst und wohl „heimlich“ gedruckt hat. Darin schildern die Druckergenossen Johann Albrecht Mintzels, der am 2. Mai 1625 die Grossesche Verlagsdruckerei gepachtet hatte, in Anlehnung an Bilder der griechisch-römischen Mythologie zwei Liebesdramen. Literaturhistorisch besehen zählt dieser Text zur Gattung der Gelegenheitsgedichte. Im 17. Jahrhundert war es in adeligen und vornehmen bürgerlichen Kreisen üblich, in Anknüpfung an antike Muster und Traditionen aus lebens- und berufsgeschichtlich wichtigen Anlässen Gedichte zu verfassen, so bei Todesfällen, Hochzeiten, Taufen, Bestallungen, öffentlichen Ehrungen, dynastisch-politischen Huldigungen und anderen Ereignissen. In akademischen bürgerlichen Kreisen wurden Gelegenheitsgedichte vielfach in deutscher Sprache verfasst. Auch in Buchdruckerkreisen, die sich als „gebildetes Handwerk“ verstanden, wurde diese Tradition gepflegt, und auch Johann Abrecht Mintzel trat mit zahlreichen Gelegenheitsgedichten hervor (Alf Mintzel, 2011, Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Band I, S.210-225).

Das Hochzeitsgedicht ist im damals beliebten Versmaß des Alexandriners verfasst. Verszeilen mit zwölf Silben wechseln mit dreizehnsilbigen Zeilen ab. Neben der literaturhistorischen Einordnung und poetologischen Analyse interessieren mich in diesem Fall besonders der reale Kern und der konkrete soziale Kontext, die in der mythologischen Verpackung verborgen sein könnten. Welche Tatsachen und Zusammenhänge haben die Verfasser in ihrem Hochzeitsgedicht angesprochen? Ich begebe mich auf die analytische Dekodierung des Inhalts und stelle dazu zunächst den gedruckten Originaltext in transkribierter Form vor.

In den Buchwissenschaften sind kritische Stimmen verstummt, die meinten, es bedürfe keiner Transkription alter Druckwerke.[1] Angesichts der Tatsache, dass heutzutage die wenigsten Leser in Fraktur gedruckte Schriften noch lesen können und nachwachsenden Generationen dieser Schrifttypus völlig fremd sein wird, scheint es mir unbedingt notwendig, den alten Text zu transkribieren und seine sprachlichen Eigenart verständlich zu machen. Deshalb sei zunächst der Text des Hochzeitsgedichtes in einem jedermann geläufigen modernen Schrifttypus wiedergegeben und mit kurzen Erläuterungen versehen. Er dient im Anschluss daran der inhaltlichen Interpretation.

Originaltext und Transkription

DELIAE Hasenjagt.

Dem Erbarn / Wolgeachten vnd Kunstreichen
Herrn

JOHANNI – ALBERTO
MINZELIO, Bürgern vnd Buchdru=
ckern in Leiptzig /

Als er mit der
Erbarn vnd Vieltugendreichen Frawen
MARIA,

Des Ersamen Andreæ Hasens / Bürgers vnd
Meurers daselbst Eheleiblichen Tochter. Zuvor aber des
Ersamen Michael Weidlichs auch weyland Bürgers vnd
Meurers hinderlassenen Wittib

Den 12. Junij Anno 1625. seinen hochzeitlichen
Ehrentag begieng /

Zu sonderlichen Ehren vnd gefallen beschrieben

Von

Der löblichen / damals in der Grossianischen Druckerey
In Arbeit stehenden / Gesellschaft.

[Leiste]

Geschehen im Jahr M. DC. XXV.

1 HImmlische Delia, Göttin der Jagt vnd Wälde /
2 Gros ist dein Lob vnd Ruhm (dir zu Ehrn ich solchs melde)
3 Deiner Fürsichtigkeit / Geschwindigkeit vnd Rencken /
4 Vnd daß so wunderlich / vbr alles vnser dencken
5 Du dein Weidwerk anstellst / wie du bald diesen Jäger
6 Bald jenem ein Häßlein wirffst in sein Garn vnd Läger:
7 Für Augen wir solchs sehn / ob wir gleich nicht rumb kriechen
8 Uff deinem Forst / vnd suchn / wo deine Wildbahn ligen /
9 Sieh da ein schnell Häßlein ligt jetzt in vnserm Garrn /
10 Vnd wartet deiner Hülff / thut auch deins Segens harrn;
11 Das ist das fein Häßlein / mit Tugend wol gezieret /
12 Welchs du / O Delia, vor kurtzer zeit geführet
13 Auff eine hohe Wart / daß sichs mit Lust vnd Frewden
14 Vntr einem grünen Pusch in Blumn vnd Graß solt weiden /
15             Wie gieng dirs aber da / mit dem zart schönen Häßlein?
16 Zu sagen mirs vergönn / Als es die grünen Gräßlein
17 Mit lust abfraß vnd sprang / theten sich alsbald finden
18 Zween hurtige Jäger mit jhrem Spiel und Winden[2] /
19 Erblickten das Häßlein / vnd gegen es entbrandten /
20 In sehr brünstiger Lieb / daß sie alln fleiß anwandten:
21 Setzten jhr Hörnlein an / machten los jhre Winden /
22 Ein jeder wolt voran / den andern zu vberwinden.
23             Abr einer vnter denn ein Weidelicher Jäger
24 Nam die schantz wol in acht / schlug vorn an sein Läger
25 Vnd weil er war geübt mit steigen in den Lüfften /
26 Schwang er in grosser eil sich mit beweglichen Hüfften
27 Vffn hohen Forst vnd Felß / da das Häßlein sich weidet /
28 Macht sich fertig zur Jagt / sein Wind vnd Spiel bereitet /

 

29 Ehe aber hetzt / thet er vor veneriren[3]
30 Die Göttin Deliam mit warhaftgn voviren[4]:
31 Er wolte jhr zu Ehren / wenn sie geb gutes Glücke
32 Zu seiner Jagt / auffbawn ein Tempel / ein schön Stücke.
33             Drauff ließ er seine Wind mit guter Hoffnung springen /
34 Sein Hörnlein in den Wald ließ er gar süß erklingen;
35 Vnd weil das Häßlein sich vnterm Gestriep verstecket /
36 Löst er seine Spürhund / daß er darmit erwecket
37 Ein hell gebell / dardurch er das Häßlein fürbrechte /
38 Vnd auff ein freyen Plan seinn Winden stellen möchte.
39             Die Sach gieng glücklich fort, gar nicht weit man marchiret,
40 Ein Hündlein mit seim Gruch / das fein Häßlein außspüret /
41 Welchs da es sahe jetzt / daß es auff allen seiten
42 In Gfahr war / stund es auff / sich zu salvirn bey zeiten /
43 Schlug bald auff sein Panier / floh wie ein Wind in eyle /
44 Der Jäger abr hernach mit seinen Spiel wie Pfeile /
45 Vbrfiel das Häselein / thets mit seinn Windn vmbringen /
46 Da es solchs hetzen sah / fiengs freundlich an zu springen
47 Auffn Weidlichn Jäger zu / vmbfieng jhn mit sein Armen /
48 Gab hiermit zuverstehn / er solt sich seinr erbarmen /
49 Sein Gfangner wolt es seyn / wolt sich jhm gantz ergeben /
50 Er solt jhm gnädig seyn / jhm nur schenken das Leben /
51 Sonst möcht ers machen mit jhm / wie es jhm thet gefallen /
52 Jhm wolts gehorsam seyn / fleissig folgen in allen /
53 Wolt sein ein trewer Gfert[5] / in Ruh in Fried in Frewden /
54 Bey jhm wolt es auch stehn in Creutz / Noth / Gfahr vnd Leiden.
55             Sih solche Freundligkeit thet den Jäger bewegen /
56 Daß er für Frewd auffsprang / vnd rühmbt Deliae Segen /
57 Strecket aus seine Arm nach dem freundlichen Häßlein /
58 Welches mit Frewd vnd Wonn schertzt in dem grünen Gräßlein /
59 Er greiffs vnd fassets starck mit allen beyden Händen /
60 Wust nicht vor grosser Frewd / wo er sich solt hinwenden /

 

61 Sprach drauff glückselig Stund da ich den Forst betreten /
62 Dich O zart Häselein hab ich von Gott erbeten /
63 Drumb weil ich dich erlangt solt du mein seyn vnd bleiben /
64 Mir solstu[6] auch nechst Gott weltlich unlust vertreiben.
65 Mein Hertzens Kron / mein Trost / mein AugenLust / mein Leben
66 Meine Hoffnung / Frewd / vnd Wonn solstu mir seyn darneben /
67 Sih da mein Hertz vnd Hand das sol dir seyn ein Zeichen /
68 Daß ich in keiner Noth vnd Gfahr will von dir weichen /
69 Bald drauff alß diese zwey in grossen Frewden schertzten /
70 Lachten vnd kütterten sehr in Ehren sich auch hertzten /
71 Gab drittman vnversehens die schöne Fraw der Wälder /
72 Delia von Schönheit lieblich / vnd jung von Alter /
73 Wandt sich zum Jäger [f]risch mit den freundlichen Worten /
74 O berühmbter Weidmann / erfrewt vbr dein Consorten[7].
75 Dein Freundligkeit vnd Lieb gegn mich nur thut behagen /
76 Drumb auch durch meine gunst hab ich dich lassn erjagen /
77 Diß Häßlein auff meinm Forst: Nun hör weiter mein Willen /
78 Du Jäger solst hinfort diß mein Mandat erfüllen /
79 Daß weil ich dir verknüpfft mit festn ehelichen Banden /
80 Diß Häßlein solstu es lieben als dein verwandten /
81 Ja als dein eigen Hertz / mit vernunfft bey jhm wohnen /
82 Mit vnträglicher Last vnd beschwerung sein verschonen /
83 Denn wirstu deine Lust vnd Frewd an jhme schawen /
84 Noch eins so lang lebstu / vnd wird dich nichts gerawen.
85             Amen der Jäger sprach: Drauff Delia in Winden[8]
86 Verschwandt / vnd ließ die zwey beysammn im Wald dahinden.
87             Bald der Weidlich Jäger fasst auff sein Raub mit frewden /
88 Führt jhn mit seim Windspiel zu Hauß mit Pfeiffen vnd Seiten[9] /
89 (Denn die WaldGötter all; die Fauni mit den Nimfen[10]
90 Spielten vnd sungen schön das Echo auff jhr Stimmen /
91 Ein schönen Resonantz aus den Thal ließ verlauten /
92 Den Weidlichen Jäger zu Ehrn vnd seinr vertrawten /)

 

93 Hernach die zwey beysam in einem Häußlein lebten
94 In rechter Lieb vnd Trewe in steter Frewd sie schwebten /
95 Der Jäger (nach seim Wort) sein Häßlein admittiret[11]
96 In sein Bett / an sein Tisch / vnd sich mit jhm foviret[12],
97 Sie waren beyd ein Leib / ein Will vnd wolgefallen /
98 Daß darob jhr Gerücht ist vnter vieln erschallen.
99             Wie gieng es aber denn dem andern jungen Weidmann /
100 Welcher mit seinem Garn thet auch nach dem Häßlein stahn:
101 Er lieff zwar hin und her im Wald mit seinen Winden /
102 Kund aber das Häßlein nicht aufspüren noch finden /
103 Drumb entfiel in des Hertz; höret auch bald die Posten
104 Er durfft sich ferner nu keine mühe lassen kosten /
105 Er wär mit seinem Spiel zu langsam in Wald kommen /
106 Das Häßlein daß er sucht / wer [war] jhm schon weggenommen /
107 Er würds nicht wiedersehen / noch seiner Huld geniessen /
108 Es möchte jhn gleich schmertzen odr im Hertzen verdrüssen /
109 Wer war in grösser Angst / damals als dieser Jäger /
110 Daß er mit seinem Weidwergk were gewesen träger
111 Als jener: drumb vor schmertzn danckt er sein Hündlein abe /
112 Sein Garn warff er weck / bracht sein Hörnlein zu grabe /
113 Drauff fiel er auff die Erd in grossen Trawrigkeiten /
114 Seufftzet sehr tieff vnd klagt von seinen grossen Leiden
115 Ich unglückselig Mensch / wie wil mir noch geschehen
116 Vor schmertzen vnd hertzleid muß ich noch gewiß vergehen /
117 Denn mein Trost ist dahin / mein Hoffnung ist erstorben /
118 O daß ich auch mit jhr nicht zugleich bin verdorben /
119 Daß nicht mein btrübter Leib in diesen Thal begraben /
120 Mög werdn zu Staub vnd Asch / vnd doch so viel Krafft haben /
121 Daß er wiedr herfürgeg viel wolrüchende Blumen /
122 Die den lieben Häßlein zu nutz vnd gut möchtn kommen /
123 O daß ich mit mein schreyn Charontem den Schiffmanne
124 Könt zu mir bringen her daß er mit seiner Danne[13] /

 

125 Auff diesen Bächlein jetzt fürvber segelt gschwinde /
126 Ich weiß er würd sich mein / wenn ich mein Hende winde /
127 Erbarmen vnd nehmn mit ins Elysisch gefülde /
128 Daß sich nur die Vnruh vnd Angst meines Herzen stilte.
129             O Häßlein / schön Mündlein / hie sitz ich in der Wüsten
130 Einsam / elend / betrübt / kan mein Leben nicht fristen /
131 Mich schrecket das rauschen der hohen Bäum vnd Fichten /
132 Die Vöglein mit Gesang / deucht mich / mich auch vernichten /
133 Ich bin sogar bestürtzt daß ich mich selbst nicht kenne /
134 Fehlt nicht / die grosse Hitze deinr Lieb mich noch so brenne /
135 Daß mein Verstand abnimpt / vnd werde immutiret[14] /
136 In einem wilden Hirsch / wie der Poet fingiret[15] /
137 Das widerfahren sey Actaeoni den Weidmann /
138 Als er auff grüner Heyd Dianam sah nackend stahn /
139 Solch kläglich lamentirn führt er bey Tag vnd Nachte /
140 Auch in vnstetn Schlaff Morpheus jhm schrecken brachte.
141             So hatte grosse Frewd jen Weidlichr Jäger stetig /
142 Der aber groß Hertzleid / mit zittern vnd Furcht thätig /
143             Es wehrt abr beyds nicht lang Fortuna sich mutiret[16];
144 Der fröhlich trawrig wurd / der betrübt exhilaciret[17].
145 Denn Jupiter der Gott des Todes vnd des Lebens /
146 Ließ solche trawrig Klag vnd Stimm nicht seyn vergebens /
147 Schickt bald Proserpinam auß seinm himlischn Gezelde /
148 Daß sie mit jhrer Scher sich vor den Jäger stelte /
149 Welcher diß Häßlein hat / vnd schnied ab seine Haare /
150 Solchs vnverruckter zeit nam diese Göttin wahre /
151 Ergreiff der Haarlocken des Jägers mir jhrn Henden /
152 Vnd schneids jhm ab / drauff bald er sein Leben thet enden.
153 Scheid ab von dieser Welt mit gantz betrübten Hertzen /
154 Vnd ließ sein Häselein hindr sich in grossen schmertzen /
155 O wie so manchen Tag bracht es zu nur mit weinen /
156 O wie so manche Nacht war kein Ruh in seinn Beinen /

 

157 Wie offt mit seufftzen viel rufft es seinen Ehegatten /
158 Wie thet sichs doch so sehr vor trawren gantz abmatten /
159 Abr wie man spricht: die zeit verzehret alles schmertzen /
160 Wirfft alle Trawrigkeit aus dem bekümmertn Hertzen /
161 Also nach etlichr Zeit thet allmehlich verschwinden
162 Des Häßleins Trawrigkeit vnd kläglich Hende winden[18].
163 Denn es vermercket wol / daß es nicht könnte geben
164 Seinm leblosen Ehschatz das hingerissne Leben.
165 Drumb als einsmals Phoebus[19] ein herrlich Fest begienge /
166 Daß er mit seinem Glantz Laub / Bäum vnd Graß behienge /
167 Darvon all wilten Thier / die Bächlein / Brünn / vnd Felder /
168 Die Gärten klein vnd groß / vnd auch die grünen Wälder /
169 Wurden so sehr erfrewt / daß sie gar lieblich lachten /
170 Vnd sich zu Ehrn vnd Ruhm des Phoebi lustig machten.
171 Legt auch diß Häßlein ab den Schleyr vnd Trawerkleider /
172 Weil der Tag war so schön / so warm vnd auch so heider /
173 Vnd putzt sich gar lieblich / wischt ab jhr Wenglein zarte /
174 Zog an jhr weiche Schue / vnd macht sich auff die farthe[20]
175 Herauß in grünen Wald / mit Delia zu sprachen
176 Von jhrm elenden Glück / das sie jetzt müste tragen:
177 Als aber diß Häßlein war auff den Weg und eylet /
178 In einer grünen Aw / welche ein Bächlein theilet /
179 Wurd es gespüret aus: Denn allda zween Schaaffhirten
180 Die gleichen wegs die Herd der Schaaffe hinder führten /
181 Diß Häßlein wurden inn / vnd besahns wol von ferne /
182 Drauff einr zum andern sprach: Ich möcht doch wissen gerne
183 Woher diß Häßlein köm? Ists nicht diß / darnach stunde
184 Vor zeiten ein Jäger / der dort in jenem Grunde
185 Vns nechst zu handen kam mit trewrigen Geberden?
186 Warlich es ists gewiß: ein gut Lohn wird mein werden /
187 Ich lauff vnd such mit fleiß denselben Jägr im Walde /
188 Bring jhm die gute Post[21] / dass er nicht gar erkalte.

 

189 Drauff lieff er gschwind / vnd kam an die vorige stelle /
190 Fand den trawrigen Jäger ligend in einer Höle /
191 Dem rufft er zu: Gut freund / mit mir solstu dich frewen /
192 Dein liebes Häselein / jag ich bey meinen Trewen /
193 Hab ich newlich gesehn im Walde wieder springen /
194 Mach dich geschwinde auff / vnd thu dich in Forst schwingen /
195 Jetzt blüht dein Glück vnd Heil / es wird dir nicht entgehen /
196 Nim dir nur einen Muth / thu steiff vnd feste stehen.
197 O Hertzens freund / sagt bald der Jäger / jetzt mein Leben
198 Mit der fröhlichen Post thustu mir wieder geben /
199 Danck hab deines Dienst: Nun will ich mich auffmachen /
200 Jetzt besser als zuvor anstellen meine Sachen:
201             Alsbald er wieder sucht sein Hörnlein / vnd thet blasen /
202 Seinen Winden[22] vnd Spür / so da von ferne sassen:
203 Vor allen dingen aber rufft er mit heissem flehen
204 Daliae der Göttin / die woll jhm jetzt beystehen /
205 Hab jener jhr vovire[23]t, ein Tempel auffzuführen /
206 So thet er jhr vielmehr mit Trew vnd Glauben spondiren[24],
207 Er durch der Bücher Hülff[25] wolte helffen außbreiten
208 Jhr Ehr vnd Majestet / jetzt vnd zu allen zeiten.
209             Alsbald stellt er die Netz / fieng an getrost zu hetzen /
210 Vnd mit seinen Winden dem Häßlein nachzusetzen.
211 Fortuna abr geneigt / thet jhm bald Raub beschehren /
212 Das Häßlein must zu jhm vnd in sein garn einkehren /
213 Des wurd der Jäger jnn / eylt zu mit seinen Winden /
214 Vnd ob sonst auch viel Wild sich in sein garn thet finden /
215 Griff er doch nur allein nach seinem Häßlein balde /
216 Hub an ein groß Geschrey vbr seinem Glück im Walde /
217 Daß Echo süsser Mund freundlich mit jhr certiret[26],
218 Vnd aus besonder Gunst seine Wort repetiret[27],
219 Vntr des gab gute Wort / das Häßlein in dem Garren /
220 Der Jäger woll mit jhm glimpfflich vnd sanfft verfahren /

 

221 Darauff sprach er für Frewd; nichts args darffstu gedencken /
222 Mein Hertz / mein Sinn vnd Muth / will Ich stets zu dir lencken /
223 Mein Lieb vnd Trew sol sich auch nimmer in dir enden /
224 Du bist die Liebste mein / von dir sol mich nichts wenden /
225 Wenn gleich Fraw Helena die schönst in GriechenLande /
226 Oder Cleopatra die Reiche käm zum stande /
227 Odr geb sich bey mir an Lycaste die geschwinde /
228 Odr die gelehrte Fraw Erinna, oder
229 Suadam, die wol beredt / als mein eigen / heimführen /
230 Könt auch michs starcke Weib Penthesilea zieren /
231 Odr könt bekommen jetzt Abigail die Weise /
232 Doch sag ich dir fürwar / daß mich gar keine reisse
233 Von dir / biß mir zerschneid Atropos meinen Faden /
234 Daß ich von dir getrennt durchn Fluß Lethen[28] muß waden,
235             O wunderliche Jagt! O Delia du frone[29] /
236 Wie wundersam bistu vff deinem Forst vnd Throne?
237 Wie weist du doch so fein wieder zusammen zu führen
238 Zwey LiebesHertz / die vor theten gantz desperiren[30],
239 Darvon könt man noch viel herrlicher sachen schreiben /
240 Wo nicht die kurtze zeit die Feder thet fort treiben.
241             Nun hat was haben sol vnser berühmter Weidmann /
242 Nemlich sein Häselein / darnach er sehr hat gethan /
243 Das führt er jetzt zu Hauß auff der Veneris Wagen /
244 Stellt an ein Frewdenfest in diesen lustign Tagen /
245 Drumb kompt zu hauffen all jhr Satyri vnd Hirten /
246 Jhr Nimfen all die jhr jetzt wohnt vnter den Myrten,
247 Kompt mit ewrn Instrument vnd helffet zu Hauß führen
248 Dem Jäger sein Häßlein; fangt an zu intoniren[31]
249 Ein lustige Concert, machts gut / jhr wird gepriesen /
250 Jhr Nimfen O thut nicht jetzt schonen ewrer Füssen /
251 Hüpffet vnd springt hoch auff / jhr Hirten acceptiret[32]
252 Was Ceres vnd Bacchus aus jhrn Kammern spendiret,

 

253 Vornemlich ab hört / jetzt solt jhr hoch erheben
254 Ewre hellen stimmlein / vnd der Deliae geben
255 Mit vnserm Jäger Lob / vnd Preiß vnd Danck / vnd Ehre /
256 Daß jhre Gnad vnd Güt sich in der Welt vermehre.
257 Merckt doch wie sie rumbführt so seltzam junge Leute /
258 Wie sie vnter jhnen anrichtet Leid vnd Frewde /
259 Wie sie aus wolmeynen gibt einen vmb den andern /
260 Doch aber nicht also wie etliche von Flandern /
261 Welcher Hertz eben ist wies Taubenhauß formiret[33].
262 Daß einer fleuget ein / der ander außspatziret /
263 Sondern in Zucht vnd Ehr / daß es bey den bringt Frewden /
264 Wie sie auch hat gethan diesn zwey newen Ehleuten /
265 Denen wolln wir jetzt auch ein geschenck praesentirn
266 Aus vnserm Wald vnd Feld / vnd wollen so vovirn,
267 Gott / der allmechtig ist / las sie beyde reich werden /
268 Von dem Thaw des Himmels / vnd Fettigkeit der Erden /
269 HErr Breutigam hinfort ewrn Forst mit fleiß verwaltet /
270 Last euch nicht finden feig / euch allzeit hurtig haltet /
271 Denn wird ewer Häßlein euch viel Häßlein zuführen /
272 Die mit jhrr Freundligkeit ewr Hertz werden erlustirn /
273 Denn auch die Delia wird es sehr fruchtbar machen /
274 Daß es euch alle Jahr wird zurichten ein Lachen /
275 Vbr das wird ewr Häßlein mit auffgerichten Ohren /
276 Nach ewres Hörnleins schall vnd willn gar leise hören /
277 Vnd daß in ewrn Geheg es alls wol werd bestellet /
278 Wird ewer Häselein / das jhr euch zugesellet /
279 Mit halb geschloßnen Augn des Nachts jhrs schlaffs abwarten /
280 Ja es wird vber diß an sich han schöne Arten /
281 Die euch / Herr Breutigam / vbr aus schön werden machen /
282 Denn von des Hasens Fleisch hat man noch diese sachen

 

283 Von alters / daß wer nur thet essen von eim Hasen /
284 Solt gantzer sieben Tag schön bleiben aus dermassen.
285             Nicht mehr / Herr Bräutigam in der That wird jhr spüren /
286 Was ein tugendsam Weib vor Nutz werde zu führen
287 Jhrem Mann / wenn sie stets in Gottesfurcht in frieden /
288 In Lieb / in Trew / vnd Zucht / im Glauben fest behüten
289 Jhr ehlich Band / darmit jhr Hertz Gott hat gebunden:
290 Derselbe gebe euch Glück / geb euch viel guter Stunden!

Ende

 

Dramaturgie der Hasenjagd

Personen, Handlungs- und Ereignisabläufe, Dekodierungen

Wir haben vor uns ein 290 Verszeilen umfassendes Gelegenheitsgedicht, dessen Inhalt die Verfasser, die „in der Grossianischen Druckerei[34] in Arbeit stehende Gesellschaft“, durch Absätze in Handlungs- und Ereignisblöcke gegliedert haben.  (Verszeilen 1-15; 16-22; 23-32; 33-38; 39-54; 55-84; 85/86; 87-98; 99-128; 129-140; 141/142; 143-200; 201-208; 209-234; 235-240; 241-268; 269-284; 285-290). Der Text berichtet von zwei Liebesdramen. Das erste geht letztendlich traurig aus, das zweite nach ausgestandenem Liebesleid glücklich. Ein tödlicher Schicksalsschlag bringt die Wende und treibt die Handlung voran. Die Verfasser schildern in ihrem hoch dramatischen Gedicht, wie sich die jungen Brautleute gefunden und was sie alles durchzustehen und zu überwinden haben, bis sie endlich den Ehebund schließen können. Die Handlungsabläufe und Gemütszustände werden in barocker Stilistik hochemotional aufgeladen, Personen und Geschehnisse in einer bukolischen Landschaft angesiedelt. Das Hochzeitsgedicht steht im Bann der Leipziger Barockdichtung. Es ist ein lyrisches Echo auf das „Buch von der Deutschen Poeterey“, das der Leipziger Barocklyriker Martin Opitz 1624 veröffentlicht hat (Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Band I, S.66-81).

Jeder Leser kann den Text verstehen, sieht man einmal von dem Schrifttypus der Fraktur und den sprachlichen Eigenarten des 17. Jahrhunderts ab. Allerdings muss er sich mit dem darin angesprochenen Personal der antiken griechisch-römischen Mythologie vertraut machen. Allein aus der mythologisierenden Beschreibung der Liebesdramen mit ihrem Leid und ihren Liebesklagen würde der heutige Leser nichts über die tatsächlichen Ereignisse und Tatsachen erfahren, auf die im Text angespielt wird. Nur mit Hilfe genealogischer, historisch-biografischer und gewerbegeschichtlicher Daten und Kenntnisse lässt sich erschließen und entschlüsseln, was hinter der Dramaturgie des Hochzeitsgedichtes verborgen ist.

Die Verfasser, in der damaligen Zunftsprache der Buchdrucker „Kunstverwandte“ genannt, hatten gute Kenntnisse über die reale Vorgeschichte der Eheschließung Mintzels mit Maria, geborene Hase. Sie kleiden diese Vorgeschichte in ein griechisch-römisches mythologisches Gewand. In den zwei Liebesdramen treten „zwei hurtige Jäger“ (18) auf, „ein Weidelicher Jäger“ (23, 47, 87, 92, 141) und ein anderer, der ebenfalls das Häslein liebt und begehrt. Beide stellen dem Häslein „in inbrünstiger Liebe“ (20) nach und versuchen es zu umgarnen. Sie blasen in ihr „Hörnlein“ (217, 34) und werfen ihre Netze (Garn, 9, 100, 112) nach dem Häslein aus, das sich im Gras verborgen hält und – wenn es sich sicher fühlt – umherspringt (17). Im Gegensatz zum „Weidelichen Jäger“ wird der andere als ein noch unerfahrener Wettbewerber um die Gunst des Häsleins geschildert. Dem „Weidelichen Jäger“ gelingt es mit allerhand Kunststücken und Tricks, das Häslein einzufangen. Er ist darin geübt in die Lüfte zu steigen, mit den Hüften zu schwingen (25, 26), aus hoher Warte das Häslein zu beobachten und mit seinem Windspiel, einem Jagdhund (28, 36, 40), das Häslein aufzuspüren. Der Jagdgöttin Diana verspricht er, ihr zu Ehren einen schönen Tempel zu bauen, wenn sie ihm bei der Jagd auf das Häslein Glück bringe (29–32, 78-84). Dem gewandten Jäger gelingt es in der Tat, das Häslein einzufangen (33–45). Es ergibt sich dem Jäger, umarmt ihn, verspricht ihm gehorsam, fleißig und eine treue Gefährtin zu werden und in allen Nöten und Gefahren zu ihm zu stehen (46–54). Der überglückliche Jäger nimmt es in seine Arme und erlebte mit ihm bald große eheliche Freuden (55–70). „Hernach die zwey beysam in einem Häußlein lebten In rechter Lieb und Trewe in steter Frewd sie schwebten“ (93, 94).

Daten und soziale Zusammenhänge

Die beiden „hurtigen Jäger“ waren Michael Weidlich (Leipzig, um 1570-1624) und Johann Albrecht Mintzel (1600-1653). Das Häslein war Maria Hase, geboren Anfang November 1602. Michael Weidlich, wie sein Vater Maurer von Beruf, hatte am 07.08.1605 die Leipziger Bürgerschaft erworben. Er hatte zwei Ehen hinter sich, aus denen fünf Kinder hervorgegangen waren. Die Ehefrauen waren verstorben, die erste um 1605/07, die zweite um 1621/22. Er suchte für seine Kinderschar und seinen Haushalt dringend eine neue Ehefrau. Der Witwer war um die fünfzig, als er um Maria Hase warb. Maria war noch im jugendlichen Alter von etwa zwanzig Jahren. Auch Marias Vater, Andreas Hase, war Maurer, also ein Zunftgenosse. Alle Akteure kamen aus dem Leipziger handwerklichen Milieu und kannten sich persönlich. Der alte Weidlich war ein lebenserfahrener und wahrscheinlich liebesgewandter Mann, der seine Werbekünste gut einzusetzen verstand. Jedenfalls erlag das junge Häslein seinem Werben, was in dem Gedicht in blumiger Sprache mit Bildern und Szenen aus der griechischen Mythologie beschrieben wird. Maria heiratet den wesentlich älteren Leipziger Maurermeister Michael am 29. September 1622 und wurde somit schon im Alter von 21 die Stiefmutter von fünf Kindern aus den zwei ersten Ehen Weidlichs.

Im Hochzeitsgedicht nimmt Delia den Jäger Weidlich in Pflicht (74–86). Seine „Freundlichkeit und Liebe“ ihr gegenüber, der er einen Tempel zu bauen verspricht (130-132), nimmt die Jagdgöttin nur unter den  Bedingungen an: Er müsse sein Häslein lieben wie einen Verwandten, er müsse sie mit Vernunft behandeln und ihr keine „unerträgliche Last“ aufbürden (81/82). Dann werde ihn sein Leben lang nichts gereuen. Der Jäger besiegelt mit einem „Amen“ (85) das „Mandat“ der Göttin (78), die daraufhin in den Winden verschwindet (85). Die Bedingungen können als Hinweis auf die familiäre Situation verstanden werden, auf die schwierigen Aufgaben, die der jungen Stiefmutter und Hausfrau bevorstehen.

Die Hochzeit wird mit Musik (Pfeifen und Saitenspiel) und mit Gesang gefeiert (88–90), alle Waldgötter, Faune und Nymphen, stimmen ein. Ihr Gesang klingt als Echo herüber aus Wald und Tal (89–91). Michael Weidlich und seine dritte Frau, das Häslein, leben nach der Hochzeit zusammen „in einem Häußlein“ (92/93). „Sie waren beide ein Leib / ein Wille“ und hatten „Wohlgefallen“ aneinander (96, 97). Die Verfasser des Gedichtes beschrieben die eheliche Gemeinschaft der beiden als eine vorbildliche Verbindung. Es spricht sich herum (96–98).

Wie geht es aber dem Rivalen und Verlierer? In den Verszeilen 99 bis 140 wird geschildert, wie er darunter leidet, vergeblich um Marias Gunst geworben zu haben und seinem Rivalen unterlegen zu sein. Er verzehrt sich in Selbstzweifeln. Er wirft sich vor, in der Konkurrenz mit dem Konkurrenten nicht beherzt und mutig genug um Marias Hand geworben zu haben (102–105). Er sei „mit seinem Spiel“ (Jagdhund) zu langsam gewesen, der Rivale sei schon vor ihm dagewesen und habe ihm das Häslein weggenommen (105–107, 110). Er ist zu Tode betrübt, niedergedrückt, bar jeder Hoffnung, das Häslein jemals gewinnen zu können (113–117). Er schreit vor Unglück und Traurigkeit laut hinaus, läuft im Wald kopflos hin und her und wisse nicht, ob er sein Unglück verkraften könne. Todessehnsucht verdüstert sein Gemüt. Charon, der Fährmann ins Jenseits, möge ihn auf seinem Kahn hinüberfahren in die elysischen Gefilde (123-127). Alles erschrecke ihn: das Rauschen der Bäume und der Gesang der Vögel (131, 132). Ihm sei zumute, als säße er in der Wüste, einsam und elendig (129, 130). Er sei dabei, seinen Verstand zu verlieren (133-135) und werde wie Actaeon in einen wilden Hirsch verwandelt (135-138). Er sei um seinen Schlaf gebracht und klage Tag und Nacht über seine Lage (139, 140).

Zweifache Schicksalswende

Das Glück des alten Weidlich und seiner jungen Ehefrau Maria währt jedoch nur kurz, tatsächlich nur sechzehn Monate (143). Im Gedicht hört Jupiter, Gott des Lebens und des Todes, die herzzerreißenden Liebesklagen des traurigen Verlierers und schreitet ein (145-156). Er schickt Proserpina, die Tochter des Jupiters und der Ceres, mit einer Schere ins Haus der Eheleute (Weidlich). Proserpina schneidet dem Ehemann eine Haarlocke ab, was dessen Tod bedeutet (151-153). Der „Weidliche Jäger“ wird aus dem Leben gerissen. Sein Häslein trauert „in grossen schmertzen“ um ihren Ehemann und bringt „so manchen Tag“ und „so manche Nacht“ mit Weinen zu (154-156).

Tatsächlich starb Michael Weidlich im Januar 1624. Sein Tod machte Maria schon mit 22 Jahren zur Witwe mit fünf Kindern aus Weidlichs ersten Ehen und einem eigenen Kind, Sabina Weidlich, die im September 1623 zur Welt gekommen war. Im Hochzeitsgedicht wird generell auf diese schwierige und tieftraurige Situation hingewiesen, jedoch ohne konkret auf die familiären Verhältnisse und existenziellen Nöte der jungen Frau einzugehen.

Maria gewinnt mit der Zeit wieder Lebensmut. Ein Sprichwort sagt: „Die Zeit verzehret alles Schmerzen und wirft alle Traurigkeit aus dem bekümmerten Herzen“ (159, 160). Maria legt den Trauerschleier und ihre Trauerkleider ab und beginnt wieder an den Freuden des Lebens teilzunehmen. Sie wischt die Tränen von ihren Wangen, kleidet sich hübsch, zieht „weiche Schuhe“ an und geht hinaus [aus der Stadt] zu den Vorgärten und den Wäldern hin (168-178). Auf ihrem Weg durch die Auen wird sie von zwei Schafhirten beobachtet, die sich verwundert fragen, woher das Häslein komme. Sei es nicht ein Jäger gewesen [Mintzel], der hier mit traurigem Gebärden gelaufen sei? Einer der Schafhirten eilt geschwind an die Stelle, wo sich der unglückliche Jäger aufgehalten haben soll, und findet ihn in einer Höhle (179-188). Der Schafhirte bringt ihm die frohe Botschaft, dass das Häslein wieder im Walde umherspringe und fröhlicher Dinge sei, und spornt den Jäger an: „Mach dich geschwind auf“, fasse Mut und greife nach deinem Glück! (189-196) Der Jäger folgt diesem Zuruf, holt wieder sein „Hörnlein“ hervor und beginnt von neuem, mit seinen Windspielen dem Häslein nachzustellen. Er ruft „mit heissem flehen“ Delia an und bittet die Göttin, ihm beizustehen. Im Gegensatz zu Weidlich, der versprochen hatte, nach erfolgreicher Hasenjagd der Göttin einen wunderbaren Tempel zu errichten, wolle er den Ruhm der Göttin „durch der Bücher Hülff“ ausbreiten helfen (203-208). Die Verfasser spielen hier auf den jeweiligen Beruf an, auf den des Maurers bei Weidlich und den des Buchdruckers bei Mintzel.

Es gelingt dem jungen Jäger mit Hilfe der Göttin und Fortuna, sein Häslein zu haschen. Er schreit sein Glück in den Wald hinein. Wenngleich Helena, Cleopatra, Lycaste, Penthesilea, Abigail und andere starke Frauen versuchten dazwischen zu treten, er wolle sein Herz, seinen Sinn und Mut stets auf sein Häslein richten (222-233). „Mein Lieb und Trew sol sich auch nimmer in dir enden /Du bist die Liebste mein / von dir sol mich nichts wenden“. Nur Atropos, in der griechischen Mythologie die Unabwendbare und Zerstörerin, könne ihn trennen, wenn sie seinen Lebensfaden abschneidet. Dann müsse er „von (ihr) getrennt durch den Fluss Lethe waden“ (233, 234). Delia wird mit viel Lobpreis bedacht. Sie habe die zwei Liebesherzen so wunderbar zusammengeführt. Alle sind eingeladen, Satyre, Nymphen und Hirten, mit den zwei neuen Eheleuten das Freudenfest zu feiern und zu genießen, was Ceres und Bacchus aus ihren Kammern spendiert haben (243-252). Die Hochzeitsgäste werden aufgefordert, ihre Stimme zu erheben und mit Lob- und Preisliedern der Göttin zu danken, die in ihrer „Gnad und Güte“ junge Leute zwischen Leid und Freude herumführt (253-264). Das Hochzeitsgedicht endet mit guten Ratschlägen und Glückwünschen, und dies nicht ohne Anspielungen auf die Fruchtbarkeit der Ehe. (265-282) Wenn die beiden Eheleute sich „allzeit hurtig“ halten, dann wird das Häslein (Maria) noch viele Häslein zuführen.

Fünfzehn Monate nach dem Tode ihres ersten Ehegatten heiratete Maria in zweiter Ehe den jungen Buchdruckermeister und Druckereibesitzer Johann Albrecht Mintzel. Das Paar wurde in der Sankt Nicolaikirche getraut. Zum Zeitpunkt ihrer zweiten Eheschließung war Maria 22 Jahre alt, also eine noch junge Frau. Mintzel hatte am 2. Mai 1625 die Bürgerschaft der Stadt Leipzig erworben und am gleichen Tag die Verlagsdruckerei Große gepachtet. Er war in Leipzig vom Buchdruckergesellen zum Buchdruckereibesitzer aufgestiegen und 1625 als frisch gebackener Buchdruckermeister in die Vorstandschaft der Buchdruckerinnung gewählt worden. Das Hochzeitsgedicht „Der löblichen / damals in der Grossianischen Druckerey In Arbeit stehenden / Gesellschaft“ war folglich auch eine Huldigung auf den neuen Buchdruckerherrn und seine Ehefrau. Er war ihr neuer Chef und Arbeitgeber, Maria die Seele der Offizin (Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Band I, S.49-55 mit Quellenangaben).

Wer waren die Verfasser des Hochzeitgedichtes?

Die Belegschaft der Offizin

Wer „der löblichen/damals in der Grossianischen Druckerey In Arbeit stehenden/Gesellschaft“ mag an der Abfassung des Hochzeitgedichtes mitgewirkt haben? Wir wüssten es heute zu gern, gäben die Namen doch interessante Auskünfte über das Personal. Die Verlagsdruckerei Große war mit ihren vier Pressen eine der fünf größten Leipziger Offizinen. Ihre   Belegschaft war sich offensichtlich darin einig gewesen, als Betriebsgemeinschaft aufzutreten. Das Titelblatt bestätigt jedenfalls, dass keiner namentlich hervorgehoben werden sollte. Ich spekuliere ein wenig. Wer könnte, im doppelten Sinne gemeint, maßgeblich mitgewirkt haben? Die damalige personelle Ausstattung und Betriebshierarchie einer Großdruckerei mit vier Pressen lässt gewisse Schlüsse zu.

[Abbildung: Holzschnitt Druckereioffizin]

An jeder Holzpresse standen ein sogenannter Ballenmeister und ein Pressenmeister, bei vier Pressen folglich insgesamt acht Meister an der Zahl. Der Pressenmeister bediente den „Bengel“, mit dem er den richtigen Anpressdruck herstellte, um einen guten Druck zu erhalten. Der Ballenmeister war für die Qualität der Druckerfarbe und für den Auftrag der Farbe auf die Matrize verantwortlich. Die Druckfarbe wurde mit Ballen aufgetragen. An jeder Presse waren in der Regel fünf bis sechs Setzergesellen tätig. Bei völliger Auslastung der vier Pressen arbeiteten insgesamt an die zwei Dutzend Setzer mit. Zur Belegschaft zählten außerdem der Faktor, der die „Gespanne“ (Arbeitsgruppen) anleitete, sowie die Korrektoren. Hinzukamen noch die Lehrlinge und Knechte. Letztere waren ungelernte Helfer, die Papierbögen zum Druck reichten, frisch gedruckte Papierbögen zum Trocknen der Druckerfarbe auf Gestänge aufhängten und sonstige Hilfsarbeiten verrichteten. Waren alle vier Pressen ausgelastet, zählte die Belegschaft bis zu dreißig Personen.

Um dieses Hochzeitsgedicht zu verfassen, bedurfte es einer relativ hohen literarischen Bildung und guter Kenntnisse der griechisch-römischen Götterwelt und mythischen Gestalten, außerdem einer Dramaturgie, um die mythologische Verpackung realer individueller Charaktere und Lebensverläufe „zu sonderlichen Ehren und Gefallen“ (Titelei) zu gestalten. Gelernte Buchdrucker und Setzer grenzten sich damals als gebildete Handwerker vom gemeinen Handwerk ab. Die Gelehrtensprache war das Lateinische und zum Teil auch das Griechische. Ein Gutteil der Druckwerke erschien bis ins 18. Jahrhundert hinein in diesen alten Sprachen. Wer im sogenannten „gebildeten Handwerk“ arbeiten und vorankommen wollte, hatte zuvor eine Lateinschule und sogar mehrere Klassen eines Gymnasiums besucht. In einer anspruchsvollen Offizin wie der Verlagsdruckerei Große/Mintzel, die aufs Engste mit der Welt der Gelehrten verbunden war, waren diese Qualifikationen gefragt. Wir dürfen jedenfalls mit guten Gründen annehmen, dass aus der Gesamtheit der Belegschaft tatsächlich nur ein kleiner Kreis literarisch versierter und kenntnisreicher Mitarbeiter das Hochzeitsgedicht verfasste und die einzelnen Partien ausfeilte. Sie hatten sicher ihren Spaß daran, Einfälle zu sammeln, bunt gemischt Personal der griechisch-römischen Mythologie auftreten zu lassen und, für die Adressaten leicht zu erkennen, die Liebesgeschichte ihres Chefs und seiner Ehefrau in Alexandriner zu kleiden. Das Gedicht war, das scheint mir gewiss zu sein, Ergebnis wochenlanger „heimlicher“ Arbeit gewesen.

Die Dekodierung des einzigartigen Fundes führt mich ganz nahe an das Leben und die Erlebniswelt von Johann Albrecht und Maria Mintzel heran. Mögen ihre Motive, Handlungsweisen, Gefühle und Hoffnungen auch idealisiert und mythologisch überhöht worden sein, unter dem barocken Firnis scheint doch ein wenig die Wirklichkeit jener Tage und Ereignisse hervor.

Kommendes Unheil

1625 war ein relativ ruhiges Jahr zwischen den Teilkriegen oder Phasen des „Großen Krieges“. Der Böhmisch-Pfälzische Krieg (1618-1623), der sich, wie seine Bezeichnung sagt, in Böhmen und in der unteren Pfalz abgespielt hatte, war nach mehreren Schlachten zu Ende gegangen. Der Niedersächsisch-Dänische Krieg (1625-1629) wütete in Norddeutschland und hatte erst begonnen. Bis 1630 blieb Leipzig von der Kriegsfurie weitgehend verschont. Die Kriegsschauplätze lagen weit entfernt, in Leipzig blühten Gewerbe und Handel. Die Leipziger Bürgerschaft und das Druckerehepaar Mintzel konnten auf ruhige und geschäftlich ertragreiche Jahre hoffen. Noch waren keine Anzeichen für das kommende Unglück zu sehen. Erst der dritte Teilkrieg, der sogenannte Schwedische Krieg (1630-1635), veränderte in den Jahren 1630/31 schlagartig die politischen und kriegerischen Verhältnisse. Die schwedische Großmachtpolitik eröffnete eine neue Phase des “Großen Krieges“. Im Jahr 1630 landete der schwedische König Gustav II. Adolf mit seiner Flotte unbehelligt an der pommerschen Ostseeküste und kam mit seiner Streitmacht dem Protestantismus zur Hilfe. Erst dieser dritte Teilkrieg traf Sachsen und die Messestadt Leipzig mit voller Wucht und fügte der Bevölkerung große Beschwernisse und ungeheures Leid zu. Johann Albrecht und Maria Mintzel gingen schweren Tagen entgegen. Leipzig erlebte von 1631 bis 1642 fünf Belagerungen und Besetzungen: nach der 1. Schlacht bei Breitenfeld und durch Tilly im September 1631, nach der Schlacht bei Lützen im Oktober 1632, die Belagerung und Besetzung durch schwedische Truppen im August 1633, die sogenannte Bauersche Belagerung und Besetzung vom Ende 1636 bis zum Februar 1637 und zuletzt durch die der  Schweden nach der 2. Schlacht bei Breitenfeld. Nach der 1. Schlacht bei Breitenfeld ging das 1627 erworbene Wohnhaus und die Offizin der Druckerfamilie in Flammen auf. Von den elf Kindern des Ehepaars, die im Zeitraum von 1627 bis 1642 zur Welt kamen, starben allein im September 1633 innerhalb von drei Wochen fünf an Seuchen, die von der Soldateska eingeschleppt worden waren. Die Kriegsereignisse stürzten die Familie in eine schier unerträgliche Katastrophe. Das Massensterben führte dazu, dass nicht einmal die Namen der verstorbenen Kinder in den Sterberegistern eingetragen wurden. Später, 1649, klagte Johann Albrecht Mintzel in einem seiner Trauergedichte:

„In einer Summ: was uns allhier nur kann erfrewen /

Was lieb vnd angenehm: das führt er an den Reyen

Des finstern Toden-Tantzes / gantz grausam und geschwind /

Macht Wittwen / Waisen viel / und manch betrübtes Kind!

Diß haben wir / leider! ach!  Mit Hertzens Schmertz erfahren…“

Treten er und Maria mir in den Spiegelungen eines Hochzeitsgedichtes als liebende und leidende Personen entgegen, so teilt er sich hier ganz persönlich mit. Was uns hier auf Erden erfreut und uns lieb und angenehm ist, die Menschen um uns, die wir gerne haben und lieben, die reißt der Tod aus dem Leben und reiht sie in den Reigen der Toten ein. Johann Albrecht Mintzel starb am 15. Mai 1653, Maria am 9. August 1679. Sie hatte in Hof an der Saale nach dem Tod ihres Mannes die Mintzelsche Buchdruckerei übernommen und so lange in Schwung gehalten, bis ihr einziger Sohn, der die Kriegswirren überlebte, ab 1662 die Offizin fortführen konnte. Sie war eine tapfere, vitale und geschäftstüchtige Frau, ohne deren Tatkraft und Durchhaltevermögen der Betrieb Gefahr gelaufen wäre, schon mit dem Ableben ihres Gründers unterzugehen. Sie wurde in Hof respektvoll auch offiziell die Buchdruckerin genannt.  Ihr Lebensmut und ihre Lebensleistung haben mich tief beeindruckt (Alf Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Band I, Kap. VIII, S. 276-313 mit zahlreichen Belegen).

[Abbildung; Titelblatt Druck von Maria Mintzel]

 

 

Anhang I: Das mythologische und antike Personal

(Verszeilen in der Reihenfolge ihrer Nennung)

 

Delia 1, 32, 56, 72, 85, 204, 235, 254, 273
Diana 138
Faune 89
Nymphen 89, 246, 250
Charon 123
Actaeon 137
Morpheus 140
Fortuna 143, 211
Proserpina 147
Jupiter 145
Phoebos 165, 170
Helena 225
Cleopatra 226
Lycaste 227
Erinna 228
Penthesilea 230
Abigail 231
Atropos 233
Venus 243
Satyre 245
Ceres 252
Bacchus 252

Anhang II: Genealogische Daten und Übersichten

Genealogische Übersicht I

Leipziger Herkunftsfamilie von Maria Mintzel, geb. Hase

 

Hase,

Leonhard

* ~ 1555 (?)

? Heberlein,

Christoph

* ?, † ?

?
Hase, Andreas

* 1570, † □?

Beruf: Maurermeister

1600

Trinitatis

Heberlein, Elisabeth

* ?, † □ ?

Sechs Kinder:
1. Maria          getauft 05.11.1602

I. ∞ 20.09.1622 mit Michael Weidlich (*?, □ 17.01.1624)

II. ∞ 12.06.1625 mit Johann Albrecht Mintzel (* 1600, † 1653)

2. Christoph    getauft 16.06.1605, † □  ?

3. Andreas      getauft 02.08.1608, † □  ?

4. Magdalena  getauft 04.01.1611, † □  ?

∞ 04.03.1633 mit Julius Holwein, Druckergeselle bei Johann Albrecht

Mintzel

5. Leonhard    getauft 22.11.1613, † □  ?

6. Catharina    getauft 08.01.1616, † □  ?

 

Quellen: Informationen des Sächsischen Staatsarchivs / Stadtarchiv Leipzig; StA-L, Moritz-Kartei. Schreiben vom 18.01.2011

 

Genealogische Übersicht II

Leipziger Familienverhältnisse Maria Mintzels, geb. Hase,

verwitwete Weidlich, in erster Ehe

(Michael Weidlich war drei Mal verheiratet, in dritter Ehe mit Maria Hase, 1622-1624)

 

Weidlich,

?

* ? † □ ?

? Finstermerten,

Sebastian

* ? † □ ?

Greger,

Anna

* ? † □ ?

∞ 1567
Weidlich, Michael

* ~ 1570, □ 17.01.1624

Beruf: Maurer

I. ∞

27.01.

1605

Finstermerten, Anna

* ?, † □ ?

Sechs Kinder aus drei Ehen:
I.
1. Christoph    getauft 03.05.1605
II. ∞ 31.07.1608 mit Maria Pantzer

getauft 05.11.1584, † □ um 1621/22

2. Georg          getauft 21.06.1609, † □  ?

3. Michael       getauft 29.08.1611, † □  ?

4. Leonhard    getauft 04.11.1616, † □  ?
5. Michael       getauft 13.02.1621, † □  ?
III. ∞ 29.09.1622 mit Maria Hase

getauft 05.11.1602

6. Sabina         getauft 17.09.1623

 

Quellen: Informationen des Sächsischen Staatsarchivs / Stadtarchiv Leipzig; StA-L, Moritz-Kartei.

 

Genealogische Übersicht III

Eltern und Geschwister Johann Albrecht Mintzels (01.10.1600 – 15.05.1653), Buchdrucker und Verleger zu Leipzig (1625 – 1642) und Hof/Saale (1642 – 1653)

 

Mintzel, Johann

* ~ 1560, □ 1611

Schulmeister in Speinshart/ Oberpfalz 1580 – 1611

1586

?

 

Zehn Kinder (mindestens vier Kinder verstarben in Speinshart):
1. Name?        Speinshart; *?, † □?
2. Name?        Speinshart; *?, † □?

3. Name?        Speinshart; *?, † □?

4. Name?        Speinshart; *?, † □?
5. Name?        Speinshart; *?, † □?
6. Name?        Speinshart; *?, † □?
7. Name?        Speinshart; *?, † □?
8. Johann Christoph    Speinshart; * 1598, † □?
9. Johann Albrecht     * 01.10.1600, Speinshart

† 15.05.1653, Hof/Saale

10. Germanus Speinshart * 1602, † □?
Quellen und Belege siehe Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Bd. I, S. 22-41.

Die lokale und regionale Geschichtsschreibung, die sich mit dem Prämonstratenserstift Speinshart und mit den umliegenden Ortschaften befasst, stammt von katholischen Autoren. Bis auf wenige Ausnahmen hat diese Geschichtsschreibung die protestantische Zeit zwischen 1556 und 1623 ausgespart und Protestanten aus dem kulturellen Gedächtnis getilgt. Das Familienbuch von Tremmersdorf beginnt erst mit dem Jahr 1602.

Fußnoten

[1]              Ich will mich hier nicht abermals mit der elitär-bildungsbürgerlichen Attitüde auseinandersetzen, die meint auf eine erläuternde  Transkription des Originaltextes verzichten zu können.

[2]              Winden = Windspiele, eine Hunderasse

[3]              veneriren = huldigen

[4]              voviren = versprechen

[5]              Gfehrt = Gefährte

[6]              solstu = sollst du

[7]              Consorten = Gefährten

[8]              Hier in den Lüften.

[9]              Musikinstrumente: Pfeifen und Seiteninstrumente

[10]            Nimfen = Nymphen

[11]            admittiret = einlässt

[12]            foviret = erwärmt, warm hält, umarmt

[13]            Danne = Boot, Zille?

[14]            verwandelt

[15]            vorgibt

[16]            mutiret = verwandelt; sich eines anderen besinnt,

[17]            exhilaciret = ausatmet (?)

[18]            Hende winden = Hände ringen

[19]            Phoebus = Sonnengott

[20]            farthe = Fährte

[21]            Nachricht

[22]            Windspielen

[23]            voviret = gelobt, feierlich versprochen

[24]            spondieren = versprechen

[25]            Bücher Hülff = Anspielung auf seine Buchdruckerei

[26]            certiret = wettgeeifert

[27]            repitiret = wiederholt

[28]            Lethe = Fluss der Unterwelt

[29]            frone = ?  Fromme?

[30]            desperiren = verzweifeln, alle Hoffnung aufgeben

[31]            intonieren = einzustimmen

[32]            acceptiret = annehmen, akzeptieren

[33]            formiret = gestaltet

[34]            Die renommierte Verlagsdruckerei der Leipziger Verlegerfamilie Grosse wurde von Faktoren und Pächtern geführt, seit dem 2. Mai 1625 von dem Buchdruckerherrn Johann Albrecht Mintzel, der sie 1637 kaufte. Die Verlagsdruckerei gehörte mit vier Pressen zu den fünf größten Offizinen Leipzigs. Ausführlich beschrieben und mit vielen Quellenangaben belegt bei Alf Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Band I.

2. Speinshart – Ein magischer Ort meiner Kindheit

Zurück an den oberpfälzischen Ursprungsort

Merkwürdige Zufälle und Begebenheiten waren es, die mich fast 350 Jahre später an den oberpfälzischen Ursprungsort meiner Altvorderen zurückführten. Als sei eine geheimnisvolle Kraft im Spiel gewesen, als hätten mich unsichtbare Hände dorthin geleitet, erlebte ich die schönsten Jahre meiner Kindheit in der Gegend und an dem Ort, wo der lateinische Schulmeister Johann Mintzel (um 1560-1611) gut dreißig Jahre lang im kurpfälzischen Dienst seinen Beruf ausübte (1580-1611), 1586 heiratete und mit seiner Frau eine kinderreiche Familie gründete. Der kurpfälzische Klosterort Speinshart wurde ein magischer Ort meiner Kindheit – und ist es bis heute geblieben. Wer sich dorthin verirrt, muss besondere Gründe haben – wie ich. Als hätten sie mich aus der fernen Vergangenheit angesprochen und gebeten, sie aus der Vergessenheit herauszuholen und wieder in Erinnerung zu bringen, erkundete ich ihre Spuren. Erst in den Jahren 1967/68 stieß ich über Leipziger Quellen auf die Tatsache, dass Speinshart einstmals die Familie des Schulmeisters Mintzel beherbergt hatte. Aus den Leipziger Kirchenbüchern und Dokumenten im Stadtarchiv Leipzig geht hervor, dass der spätere Buchdrucker Johann Albrecht Mintzel in Speinshart als legitimes eheliches Kind geboren wurde. Das brachte mich auf die richtige Spur. Sehr viel mehr über die Schulmeisterfamilie erfuhr ich in späteren Jahren aus den Archivalien, die im Staatsarchiv Amberg zu finden sind.

Ich befinde mich auf Zeitreise, ich weiß mehr, sehr viel mehr als der Schulmeister Mintzel hatte wissen können. Ich kenne die Zukunft von zweien seiner Söhne, von Johann Christoph Mintzel (1598-1669) und von Johann Albrecht Mintzel (1600-1653), die in Speinshart geboren wurden und dort ihr Kindheit und frühe Jugend erlebten.  Mein Vater hat mich nach Johann Albrecht Mintzel benannt, dessen Lebensgeschichte ich später niederschreiben werde. Auf meinen Zeitreisen zurück in die Zukunft stelle ich eine mentale Verbindung her und hole die Schemen aus der Vergangenheit zurück. Johann Mintzel war auf Wiesenpfaden und Fuhrwegen gegangen, auf denen ich 350 Jahre später zur Schule ging und nach Speinshart wanderte. Er hat, wie ich später, auf die sanften Höhen geschaut, die zwischen den Rußweihern und Speinshart liegen. Er hat, wie ich in der gleichen Gegend, am gleichen Ort, in lauen Frühlingsnächten den unheimlichen Ruf der Rohrdommel gehört. Ich teile mit dem Begründer der ehemaligen Druckerdynastie Mintzel, mit Johann Albrecht Mintzel, die Kindheit in Speinshart und erkunde auf heute verschwundenen Pfaden die Umgebung des alten Klosterortes. Er und seine Geschwister tranken Wasser aus dem gleichen Brunnen auf dem Klosterplatz wie ich in meiner Kindheit. Ich sehe ihre Schatten, ich höre ihre Stimmen aus der Ferne der Zeit herüberklingen. Sie erzählen in zahlreichen schriftlichen und gedruckten Dokumenten aus ihrem Leben. Ich zeichne auf, was sie berichten. Auf Reisen und im Geiste kehre ich wiederholt in das mittelalterliche Speinshart zurück und begleite, wie so oft, die Schulmeisterfamilie auf ihren Wegen. Ferne Vergangenheit und mein gegenwärtiges Leben verfließen, das Damals wird zum Jetzt, das Jetzt wird Damals und schon bald werde ich zu den Früheren von damals gehören.

Welche Zufälle und Begebenheiten waren es, die mich in diese abgelegene oberpfälzische Gegend führten? Nach den ersten großen Luftangriffen auf Nürnberg entschlossen sich meine Eltern im Frühjahr 1943, die „Stadt der Reichsparteitage“ zu verlassen und die Familie auf dem Lande in Sicherheit zu bringen. Mein Großvater Otmar Mintzel (1870–1950), ein direkter Nachfahre des Speinsharter Schulmeisters Mintzel, hatte auf seinen Ausflügen in die Oberpfalz in einer Senke mitten im Wald die Holzmühle entdeckt. Wir verließen Nürnberg und zogen mit Sack und Pack in diese Einöde. Sie bestand aus einem alten Bauernhaus, an das eine Mühle und ein Sägewerk angebaut waren, aus einer großen Scheune, aus Stallungen für Rinder, Pferde und Schweine und aus einem stattlichen, freistehenden Neubau. In das neue Haus, das am Hang gegenüber dem Gehöft lag, sollte später einmal die nächste Generation der Bauernfamilie einziehen. Meine Mutter, mein Großvater, wir fünf Kinder und unser Dienstmädchen Emmy fanden darin genügend Platz. Wir wähnten uns dort vor Fliegerangriffen sicher. Mein Vater musste in Nürnberg bleiben, wo er, „uk“-gestellt, als „unabkömmlicher“ Oberverwaltungsrat im Dienst der Stadt stand. Ein merkwürdiger Zufall? Oder seltsame Fügung? Die Holzmühle liegt nur wenige Kilometer von Speinshart entfernt, wo der Schulmeister Johann Mintzel mit seiner Familie von 1580 bis 1611 gewohnt hat. Wenn mein Vater am Wochenende aus Nürnberg kommt, um mit seiner Familie zusammen zu sein, wandern wir an heißen Sommertagen von der Holzmühle über die Herrnmühle nach Speinshart und dann weiter zum Rauhen Kulm. In Speinshart erfrischen wir uns, meine Eltern, meine Geschwister und ich, vor dem Klostergebäude an dem Brunnen, aus dem Johann Mintzel und seine Ehefrau vor zehn Generationen Wasser geschöpft haben. Wir stehen vor dem Haus, an dessen Stelle Johann Albrecht Mintzel am 1. Oktober 1600 geboren wurde.

[Abb.: Kloster Speinshart, Kupferstich von 1670. Haus mit Nr. 26, unten im Vordergrund Mitte, schräg an der Mauer Haus des Schulmeisters. Quelle: Museen der Stadt Regensburg, Dachauplatz 2-4, Regensburg. Mit freundlicher Genehmigung]

Hier an diesem Platz vor dem Klostergebäude ist die Kinderschar des Schulmeisters herumgetollt. Ein merkwürdiger Zufall, während des Zweiten Weltkrieges in dieser entlegenen Gegend Schutz vor den Luftangriffen zu finden.

Im Alter von acht und neun Jahren wanderte ich in den Sommermonaten der Jahre 1943 und 1944 – ohne es damals zu wissen – auf den Spuren der Speinsharter Mintzels nach Neustadt am Rauhen Kulm. Die alte Straße, die nach Neustadt führte, war, wie viele andere Landstraßen in der „Ur“-Welt der Oberpfalz, noch nicht asphaltiert. Es sind noch die alten, schotterbelegten Fuhrstraßen, auf denen wir 1943/44 laufen. Sie werden seit vielen Jahrhunderten befahren und begangen. Vom Klosterort bis zur nördlichen Grenze der Oberpfalz sind es nur sechs Kilometer, dahinter liegt das ehemalige evangelisch-lutherische Markgrafentum Bayreuth. Das protestantische Städtchen Neustadt am Rauhen Kulm, früher eine markgräflich-brandenburgische Enklave, ist bequem in anderthalb Stunden zu Fuß zu erreichen. Über diesen Weg sind im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) Oberpfälzer Exilanten in das Markgrafentum hinübergewechselt und in den protestantischen Konfessionsraum abgewandert. Der Basaltkegel des Rauhen Kulms, Rest eines nie ausgebrochenen Vulkans, ragt weit aus der bewaldeten Landschaft heraus.

[Abb.:Prämonstratenserabtei; Kloster Speinshart, Postkartenan- sicht, 20. Jahrhundert; im Hintergrund der Rauhe Kulm]

Er ist ein riesenhafter natürlicher Grenzstein zum protestantischen Norden, ein Naturdenkmal, das noch heute zwei Konfessionswelten trennt, die katholische Oberpfalz und das protestantische Oberfranken. Wer sich die Mühe macht und über die Basaltblöcke bis an die Spitze hinaufklettert, die ein hölzerner Aussichtsturm krönt, wird mit einem weiten Rundblick über die Senke belohnt. Ich war als kleiner Junge mehrmals ganz oben auf der Plattform und sah in die Landschaft hinaus und hinüber nach Speinshart und nach dem benachbarten Tremmersdorf, in dem ich von 1943 bis 1945 zur Schule ging.

[Abb.: Aquarell von Johann Karl, 18. Jh., Landschaftsdarstellung mit Speinshart und Rauhen Kulm, Quelle: Museum der Stadt Regensburg]

Speinshart – ein idyllisch-verschlafener Klosterort

Seit der Zeit des Schulmeisters hat sich der architektonische Grundriss des abgelegenen Ortes wenig verändert. Doch sein stilistisches Gesicht hat sich stark gewandelt. Das vormals mittelalterliche Gepräge mit seinen in einem nahezu geschlossenen Quadrat um das Klostergebäude gereihten ärmlichen Fachwerkhäuschen und Wirtschaftsgebäuden ist vom Ende des 17., bis weit in das 18. Jahrhunderts einer barocken Anlage und Verkleidung gewichen. Der einstmalige mehrstöckige Wehrturm und andere Gebäude sind gänzlich verschwunden. Die ecclesia triumphans, die gegenreformatorisch auftrumpfende und stilbildende katholische Kirche, hat dem Ort zwar ein neues Gepräge verliehen, aber seine Gestalt und Topografie in der Landschaft beibehalten.

[Abb.: Kloster Speinshart, 1839. Um die Hauptgebäude (shwarz) gruppieren sich die Wirtschaftsgebäude (schraffiert) mit Obstgärten und dem Klosterfriedhof (Kreuze), Umfassungsmauern und Umfassungsgraben. Quelle: Motyka, 1972, S.39]

Wie eine steinerne Wagenburg gruppieren sich die niedrigen einstöckigen Wohn- und Wirtschaftsgebäude von heute fast maßgenau in dem Geviert, das schon zu Zeiten Johann Mintzels das Leben am Ort eingeschlossen hat. Teile der Umfassungsmauer und des Umfassungsgrabens, die die Innenwelt von der Außenwelt getrennt hatte, sind noch erhalten. Kein Fremdenverkehr, kein Tourismus stört bis in die 1970er Jahre hinein die Ruhe des Klosterortes. Das Klosterareal bildet einen Zellkern im Innern des Ortes. Jeder der Früheren, kehrte er ins Leben zurück, würde sich zwar verwundert die Augen reiben, aber sich dort sofort wieder zurechtfinden. Das ländlich-verschlafene Leben folgt nach wie vor dem Rhythmus der Jahreszeiten und des Kirchenjahres.

Das Haus des Schulmeisters stand dort, wo sich heute die Klosterwirtschaft befindet, direkt gegenüber der Klosterkirche. Es war ein schlichtes, einstöckiges Fachwerkhaus, in dem es unten auch Platz für Vieh gab.

Vor meinem inneren Auge sehe ich den Schulmeister heraustreten. Er geht auf mich zu. Zwischen uns liegen zehn Generationen. Kinder spielen um den Brunnen herum Fangen. Am Brunnen treffen sich die Dorfbewohner, Mägde und Knechte, niedere und höhere kurpfälzische Bedienstete, der Pfarrer, der Richter, der Gerichtsschreiber und der Klosterverwalter. Er ist ein sozialer Treffpunkt. Mägde und Knechte schöpfen Wasser, die einen für den häuslichen Bedarf, die anderen für das Vieh. Gelegenheit zum Plaudern und Schwatzen, zum Lachen und Schimpfen. Gespräche über Alltagssorgen und Neuigkeiten. Rund um den Brunnen herrscht ein reges Treiben. In dem höchstens zweihundert Seelen zählenden Klosterdorf kennt jeder jeden. Das Stimmengewirr der Klostergemeinschaft, das Gackern und Geschnatter des Federviehs, das Knirschen und Ächzen der einfahrenden Bauernkarren, das Klatschen der Taubenflügel, das Kreischen der Kinderschar, die Rufe der Mütter, das Füllen der Bütten bilden eine vielstimmige Lautkulisse. Es riecht nach Dung. Um das Dach des Wehrturmes schwirren Schwalben. Der heiße Sommertag brütet über den Dächern. Auf den großen Vorplatz setzt ein kleines Kind Schritt vor Schritt. Johann Albrecht Mintzel, vor ein paar Monaten ein Jahr alt geworden, trägt wie die anderen Kleinkinder ein Kleidchen. Er probt auf dem Klostervorplatz das Laufen, er wankt noch ein wenig, hält seinen Körper mit erhobenen Armen in der Balance, tapst vom unsichtbaren Faden seiner Sinne  und seiner Motorik gezogen vorwärts. Er streckt die Hände nach seinem Vater aus. Der Schulmeister verfolgt aufmerksam den Probelauf seines Sohnes. Ein kleiner Mensch lernt gerade aufrecht zu gehen und Schritte allein zu setzen. Tauben stelzen kopfnickend um den Kleinen herum. Mit höchster Konzentration bewegt er sich auf die Vögel zu, die zu greifen ihm die größte Mühe wert ist. Das Söhnlein strahlt, jauchzt. Den aufrechten Gang zu lernen, ist ein spannender, großartiger Moment. Zum ersten Mal wirklich frei und aufrecht gehen zu können, ist ein triumphales Ereignis, das uns kognitiv aufrichtet und autonom werden lässt. Ohne Hilfe eine Wegstrecke zu durchmessen und ein selbstbestimmtes Ziel erreichen zu können, und sei es das geringste, ist eine wunderbare Grunderfahrung jeder Generation, ein Ur-Erlebnis aller Geschlechter und Kulturen. So habe ich das wunderbare Wagnis, zum ersten Mal aufrecht zu gehen, bei meinen Töchtern erlebt und später bei meinen Enkelkindern. Es ist ein Moment des Glücks, aber auch der Sorge, die richtigen Schritte ins Leben zu finden.

Der mittelalterliche Wach- und Wehrturm, eine familiengeschichtliche Ikone

Mitten in Speinshart. Der massive, vier Stockwerke hohe Wehr- und Schutzturm steht frei vor dem Kloster. Die großen, schweren Steinquader sind zu klobigen Kuben zusammengefügt, die jeweils ein Stockwerk bilden. Auf dem obersten sitzt ein spitzer Dachhelm. Der Turm ruht auf einer quadratischen Basis, jedes Stockwerk ist vom anderen durch eine Zwischendecke getrennt.

[Abb.: Ausschnitt Wach- und Wehrturm, 1670]

Schulmeister Johann Mintzel lädt mich zu einem Aufstieg ein. Im Turm führt uns eine Holztreppe über Eck in die schwindelnde Höhe. Der massive Wehr- und Schutzturm überragt alle Klostergebäude und die kleinen Häuser im Mauergeviert des Ortes. Vom obersten Geschoss aus ist der gesamte Ort einzusehen und jede Annäherung an die Klostermauern zu beobachten. Von der Plattform schweift unser Blick in jede Himmelsrichtung, nach Norden zum Vulkankegel des Rauhen Kulms, nach Süden über die Talsenke der Creußen hinweg nach Tremmersdorf. Wir klettern die Treppe wieder hinunter. Der Klostervorplatz ist nicht gepflastert. Schottersand und Gestein bilden einen festen Boden, der bei langem Regen aufweicht.

Der hohe Wehrturm, der gegenüber dem Wohnhaus stand, hatte sich tief in das Gedächtnis des kleinen Albrecht eingeprägt. Als er sich im Jahr 1627 in Leipzig sein Buchdruckeremblem anfertigen ließ, beauftragte er den Formschneider, nach seinen Angaben einen hohen Wehrturm ins Zentrum des inneren Ovals zu setzen. Ich kann nach mehr als 375 Jahren noch vieles entschlüsseln, was ihm in seinem Leben und Wirken wichtig war. Der Speinsharter Wach- und Wehrturm mit einem spitzen Helm und vier Ecktürmchen[1] ist für mich zu einer familiengeschichtlichen Ikone geworden.

[Abbildung: Druckermarke Johann Albrecht Mintzels von 1627]

Besuch der Volksschule im benachbarten Tremmersdorf

Zur Klosterpfarrei Speinshart gehörte von jeher Tremmersdorf, ein verschlafenes Dörfchen, das etwa drei Kilometer südlich an der Landstraße liegt, die nach Eschenbach führt. Auch dort begegne ich dem Schulmeister Mintzel. Im Kirchenvisitationsbericht vom 12. Oktober 1582 wird dem Schulmeister vorgeworfen, er sei, ohne den Pfarrer zu informieren, öfters abwesend und „ausläufferisch“ gewesen.

[Abb.: Staatsarchiv Amberg. Oberpfälzer Religions- und Reformationswesen 52, fol.206]

Mit anderen Worten: Mintzel sei häufig irgendwo in der Umgebung unterwegs gewesen.  Der junge Schulmeister, so vermute ich, ist nach seiner Bestallung neugierig und will die Umgebung und seine Klientel kennenlernen. Er liebt zudem die Natur, er wandert gern und beobachtet die Fauna und Flora. Über den ganzen Sommer bis tief in Herbst hinein bleiben seine Schüler vom Unterricht fern. Sie müssen bei der schweren Feldarbeit mithelfen. Schulmeister Mintzel nutzt die Zeit und unternimmt Exkursionen in die Umgebung. Sein Weg führt ihn auch nach dem benachbarten Tremmersdorf. Dort treffen sich, wie aus kirchlichen Visitationsberichten hervorgeht, auch die Pfarrer von Speinshart und Tremmersdorf in einer kleinen Schankwirtschaft. War es die neben der Kirche, in der ich 1988, auf einer Fahrt zurück in meine Kindheit, bei Anton und Annemarie Vetter auf eine Halbe Bier einkehren werde?  Annemarie, die jüngste Tochter des Müllers Reis von der Holzmühle, war mein erster Schwarm. Sie war sechzehn, ich zehn Jahre alt, als der Krieg 1945 zu Ende ging.

Nach unserer Evakuierung aus dem von Luftangriffen bedrohten Nürnberg besuchten meine Schwester und ich von 1943 bis 1945 in Tremmersdorf die Dorfschule. Die Verhältnisse hatten sich in den letzten 350 Jahren wenig verändert. Die Schüler der ersten bis achten Klasse saßen in einem Schulraum. Zur Sommerszeit gingen wir am taufrischen Morgen barfuß zur Schule, die wir in einer guten halben Stunde Fußweg erreichten. Der Fußpfad führte von der Holzmühle durch ein lichtes Waldstück, das nach einer Weile von offenen, hügeligen Fluren abgelöst wurde. Auf einem taufeuchten Wiesenpfad ging es weiter bis nahe an die Creußen heran, die mitten durch Tremmersdorf fließt und erst in ihrem weiteren Verlauf zu einem Fluss anschwillt, durch den man nicht mehr waten kann. Der Pfad bog vor den ersten Scheunen und Bauernhöfen nach rechts ab und stieß auf einen Fuhrweg, der zur Dorfmitte und von dort hinauf zum Schulhaus führte. In den nasskalten Jahreszeiten, im Frühjahr und im Herbst, und im Winter sowieso, kamen wir selten mit trockenem Schuhwerk in die Schule. Der Fußpfad war vom Regen durchweicht und mit Pfützen bedeckt, daneben sumpfiges Gelände.

Die kleine Dorfschule lag am oberen Ortsrand direkt an der Landstraße, die sich von Eschenbach über Tremmersdorf und Speinshart nach Neustadt am Kulm hinzog. Das ganze Dorf machte, wie viele Dörfer in dieser Gegend, einen ärmlichen Eindruck. Es gab keine großen, stolzen Gehöfte mit reichem Holzdekor und Balkonen, sondern nur einfache, schmucklose Häuschen, die sich entlang der Creußen reihten und um die alte Dorfkirche gruppierten. Sofern sie überhaupt schon an das elektrische Stromnetz angeschlossen waren, gab es in den Dörfern keine Straßenbeleuchtung. In den kärglich eingerichteten Bauernstuben spendeten in der dunklen Jahreszeit und zur Nachtzeit Petroleumlampen ein spärliches Licht.

Das modernste, will heißen neueste Gebäude im Dorf war die Schule, die wohl in der Nazi-Zeit gebaut worden war. In dem einstöckigen Zweckbau befand sich im Erdgeschoss der Schulraum, darüber wohnte in einfachen Verhältnissen der Lehrer mit seiner Familie. Die Tremmersdorfer Schule war das Muster einer urigen bayerischen Zwergschule, wie sie auf alten vergilbten Abbildungen in Heimatmuseen zu sehen sind. Es mögen höchstens zwei Dutzend Kinder dort gewesen sein, mehr hätten kaum Platz gefunden.

Im Schulraum angekommen zogen wir die quietschend nassen Stiefel und tropfenden Strümpfe aus. Im Winter legten wir sie um den Kanonenofen, der den Schulraum wärmte. Frühmorgens, vor Beginn des Unterrichtes, hatte Lehrer Mailer den Ofen schon angeheizt, um den Raum vorzuwärmen.

Der Unterricht begann morgens um acht Uhr und endete mittags. Die Zöglinge saßen nach Klassen geordnet in zwei Bankreihen auf je zwölf Sitzen, ganz vorne die Jüngeren der ersten und zweiten, hinten die Älteren der siebten und achten Klasse. Die Schüler der unteren Klassen schrieben mit Griffeln auf Schiefertafeln, die der oberen benutzten Schulhefte aus schlechtem Papier. Lehrer Anton Mailer, ein schmächtiger Mann, ging nach Schulbeginn durch die Bankreihen und erteilte jeder Klasse ihr Pensum. Die Schulanfänger mussten das ABC lernen, die zweite Reihe sich im Schönschreiben üben, die in den mittleren Reihen wurden in Heimatkunde unterrichtet und die hinten mussten Rechenaufgaben lösen. Ich liebte das Schönschreiben und hörte gern zu, wenn der Lehrer im Fach Heimatkunde über das Maindreieck sprach und den Flussverlauf mit farbigen Kreiden auf die schwarze Tafel zeichnete. Das war der Vorteil des – wie es heute heißt – „binnendifferenzierten“ Zwergschulunterrichts. Das Lehrmaterial war kümmerlich, verglichen mit heutigen Standards sogar katastrophal. Hatte ich gut aufgepasst und meine Aufgaben erledigt, konnte ich lauschen, was den älteren Schülern an Stoff beigebracht wurde.  Der Unterricht für acht Klassen in einem Raum verlangte Disziplin. Die Schüler, meist unruhige Bauernlümmel, waren schwer im Zaum zu halten. Zwischen den letzten Schulbänken und der rückseitigen Wand war ein schmaler Raum, der Platz für Züchtigung bot. Hier strafte Lehrer Mailer die Schüler, wie damals üblich, mit Rute und Stock. Schülerinnen kamen mit milden Verwarnungen davon.

Das Schönschreiben gehörte zu unseren täglichen Hausaufgaben. Zeile für Zeile schrieb ich auf meiner Schiefertafel Buchstabenreihen, m-Reihen, n-Reihen, besonders schön das „t“ und das „z“. Dafür wurde ich in meinem Schulzeugnis mit der besten Note belohnt. Darauf war ich stolz. Schönschreiben wurde zur Manie und prägte meine Schriftzüge bis ins hohe Alter. Noch heute schreibe ich gern.

Vor dem Schulgebäude befand sich ein umzäunter Platz. Dieser bot in den Pausen gerade einmal genügend Fläche zum Herumtollen. An der Seite stand, die Höhe des Schulhauses überragend, ein Fahnenmast für den nationalsozialistischen Flaggenappell. Nach wirklichen oder vermeintlichen Siegen der deutschen Wehrmacht mussten wir am Fahnenmast strammstehen und das Horst-Wessel-Lied und die Deutschlandhymne singen. Hoch über unseren Köpfen flogen gegen Kriegsende fast täglich Geschwader fliegender Festungen hinweg. Klein wie Eintagsfliegen umkreisten Jagdflieger als Begleitschutz die Bomber, die lange Kondensstreifen hinter sich herzogen. Die Geschwader entluden irgendwo über Hitlers rasch schrumpfendem „Großdeutschland“ ihre tödliche Last. Erst im Frühjahr 1945 bekamen wir in unserer trügerischen Idylle die Schrecken des Krieges zu spüren. Es gab selbst noch gegen Ende des Zweiten Weltkriegs idyllische Orte und Nischen, wo der Anschein herrschte, sie würden vom Weltgeschehen ausgespart bleiben. Wir wären dort fast vergessen worden. Wie vor Jahrhunderten, wie zu Zeiten des Schulmeisters Mintzel, lag dieser Winkel der Welt abseits der entsetzlichen Geschehnisse. Bis zum Kriegsende hatte ich nichts von dem millionenfachen Morden der nationalsozialistischen Todesmaschinerie gehört. Erst ganz spät, in den letzten Kriegsmonaten, gab es ein Gemunkel der Erwachsenen, als hätten sie etwas Ungeheuerliches, kaum Glaubhaftes vernommen. Wenn sie schon eher etwas gewusst haben sollten, dann teilten sie es uns nicht mit, sie ließen uns in der Idylle fröhlich in den Tag hineinleben.

Der auch schon damals übliche Schulausflug führte nicht einmal zur nächstgelegenen Kleinstadt, geschweige denn in eine Großstadt. Es blieb bei beschaulichen Fußwanderungen im Umkreis der Schule, an den Kleinen und Großen Rußweiher, die damals noch keine überlaufenen Naherholungsziele für Städter waren. Die Gegend war reich an Weihern, deren Biotope später unter Naturschutz gestellt wurden. Der Lehrer hielt uns zu Naturbeobachtungen an und lehrte uns Baumarten zu unterscheiden: Erlen, Birken, Eichen, Föhren, Fichten und Tannen. Der Anschauungsunterricht in freier Natur vermittelte uns sämtliche biologischen Grundkenntnisse, denn Biologiebücher mit anschaulichen Abbildungen gab es nicht.

Leben, wo die Große Rohrdommel ruft

In den Sommernächten der Jahre 1943 und 1944 packte mich das Grauen, wenn plötzlich ein seltsam dumpfes „Üüpruumb“ unheimlich durch die Landschaft schallte. Das langgezogene „U“ hatte die Lautstärke eines Ochsenschreis, als brüllte ein großes Tier seinen Urschrei in die Nacht hinein. Wenn diese fremdartige Stimme durch die Nachtschwärze drang, zuckte ich innerlich zusammen und erschrak zutiefst. Es war der dumpfe Balzruf der Großen Rohrdommel, die in den sumpfigen Gewässern des Großen und Kleinen Rußweihers lebte. Von alters her boten die schilfbewachsenen, morastigen Gewässer mit ihren zahlreichen runden Schilfhöckern einer großen, vielartigen Schar von Schwimm- und Tauchvögeln, Sumpfvögeln und Sängern ein nahrungsreiches Brutgebiet. Seit jeher bevölkerte diese Weiher und das umliegende Sumpfgebiet eine große Schar von Lachmöwen. Das dichte Schilfrohrgebiet mit seinen zahlreichen Inselchen war ein beliebter Brutplatz. Das nimmer endende Geschrei einer vielköpfigen Lachmöwenkolonie erfüllte die Luft. Doch in der Nacht, wenn alle anderen Vogelstimmen verstummt waren, ertönte das dumpfhohle „Üüpruumb“ der Großen Rohrdommel. Insbesondere in mondlosen, schwarzen Nächten, in denen ich meine Hand nicht vor den Augen sah, jagte mir jeder Schrei Schauer durch den Leib. Es war ein unheimliches Urerlebnis, es klang nach dem wilden Schrei eines mächtigen Naturgeistes, als wolle er mich rufen und warnen.

Dieser dumpfe Ruf war kilometerweit zu hören, so stark war sein Schall. Er drang bis nach Speinshart, bis Tremmersdorf, bis zur Herrnmühle und bis zu uns in die Holzmühle. Als wir uns in den letzten Kriegsjahren dort hinten, tief in der Oberpfalz, versteckt hielten, lag die Landschaft noch wie vor drei- oder vierhundert Jahren vor uns. Seit Jahrhunderten hatte der Mensch dieses sumpfige Gebiet so belassen, wie es war. Manchmal wateten ein paar Männer durch das Schilf und raubten die Eier der auffliegenden Lachmöwen. Wenn die Bauern der Umgebung im Frühjahr ihre Äcker pflügten, flogen hinter der Pflugschar Schwärme von hungrigen Möwen und fielen mit heiserem Gekreische in die Furchen. Mit jeder Wendung stoben sie wieder hoch. Die Kiebitze flogen im Gaukelflug, führten die kühnsten Schwenkungen aus und stießen dabei ihr helles „i – kwitt“ aus.

So sah die Landschaft aus, so zeigten sich die sumpfigen, schilfbedeckten Gewässer vor 350 Jahren, als Johann Mintzel im Kloster Speinshart Schule hielt und, wie er es vermutlich gern tat, durch die Gegend streifte. Er hörte die Rufe der Rohrdommel wie ich, der kleine, fast zehnjährige Volksschüler auf der Holzmühle. Er ging auf denselben Wiesenpfaden wie ich, 350 Jahre später, zur Schule nach Tremmersdorf. Er sah die sanfte Höhe, die zwischen den Weihern und Speinshart liegt. Er besuchte den einsamen kleinen Weiler, der seit alters an den Weihern liegt. Er hörte in lauen Frühlingsnächten, wie ich in der gleichen Gegend, am gleichen Ort, den unheimlichen Balzruf der Rohrdommel. Seine Kindheit in Speinshart und meine Kindheit in der Holzmühle ähneln sich in vielem: Kein elektrisches Licht, kein fließendes Wasser im Haus, ein Plumpsklo, ein Herd, der mit Holz aus dem nahegelegenen Wald beheizt wird, kalte, eisklirrende Winternächte, trockene Sommer und Myriaden von Stechmücken, die wir mit Erlenlaub abwedelten.

[Abb.: Alte Postkarte „Gruß aus Tremmersdorf, Oberpfalz“ aus der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts]

Wo die „lutherischen Brockenfresser“ herstammen

Dort hinten in der Oberpfalz gab es weit und breit keinen einzigen Protestanten. Herzog Maximilian, der spätere Kurfürst von Bayern, hatte, nachdem die Obere Pfalz und mit ihr Speinshart 1621 an Bayern gefallen war, konfessionell durchgegriffen, Protestanten amtsenthoben und vertrieben und bis 1628 die Rückkehr zum katholischen Glauben erzwungen. Diese Gegend war noch bis 1945 fast geschlossen katholisch. Es war fast unmöglich, an einem protestantischen Religionsunterricht teilzunehmen oder eine evangelische Kirche zu besuchen. Nirgendwo wurde ein evangelischer Gottesdienst abgehalten, auch nicht am Karfreitag, Ostersonntag oder am Heiligen Abend geschweige denn am Reformationstag. In der rein katholischen Volksschule wurde ich der „lutherische Brockenfresser“ genannt. Ich wusste damals nur, dass mit diesem Spottnamen irgendwie Protestanten, Lutherische, gemeint waren, die anderen eben, die nicht dem richtigen Glauben anhingen. Wir, meine Familie, waren die einzigen „Brockenfresser“ weit und breit, ich lernte in diesen Jahren keine anderen kennen. Ich hielt mich deshalb nicht einmal für ein Mitglied einer geduldeten Minderheit, sondern für ein exotisches Exemplar unter lauter Katholiken, das die Bauernkinder fröhlich neben sich leben ließen. Das exotische Exemplar störte sie nicht sonderlich. Es blieb beim Spottnamen, den sie mehr amüsiert denn in ausgrenzender Absicht gebrauchten. Erst Jahrzehnte später, auf den Spuren des Speinsharter Schulmeisters Johann Mintzel, entschlüsselte ich den ursprünglichen Sinn des Spottnamens, mit dem mich meine Klassenkameraden, Oberpfälzische Bauernbuben und Bauernmädchen, in den Kriegsjahren gehänselt hatten. Der Schimpfname, obschon er mich unangenehm berührt hatte, war nur mehr ein Nachhall aus nach- und gegenreformatorischer Zeit. Ich war nicht „der Jude“, der mit dem Davidstern markierte „Untermensch“. Ich war nur ein heranwachsender „Volksgenosse“ anderen christlichen Glaubens.

In der Zeit zwischen der Einführung der Reformation in der Oberpfalz-Kurpfalz und der gewaltsamen Rekatholisierung dieses Gebietes, im Zeitraum zwischen 1520 und 1620, hatten nicht nur alter und neuer Glaube gewechselt, sondern auch innerhalb des Protestantismus, der 1520 zunächst gegenüber dem Katholizismus sich durchzusetzen begonnen hatte, war ein erbitterter Kampf zwischen Lutheranern und Calvinisten entbrannt(vgl. Lippold,2003: Der Kalvinismus, S.278; Schottenloer,122: Flugblatt und Zeitung, S. 262ff). So wechselreich die dynastische Geschichte der Oberpfalz damals gewesen war, so wechselreich waren auch die konfessionellen Verhältnisse, die von dem Grundsatz „cuius regio, eius religio“ bestimmt waren. Der regierende Fürst und sein Regierungsapparat hatten bestimmt, welche Religion in seinem Lande die „wahre“ und allein zu praktizierende sei. Die für „wahr“ und „absolut“ gehaltene Konfession war mit mehr oder weniger starkem Nachdruck durchgesetzt worden, meist mit gewaltsamen Mitteln. Das galt selbstverständlich auch für die protestantische Seite und ihre internen Auseinandersetzungen, für die Anhänger des lutherischen Protestantismus und für die Anhänger der Lehre Calvins (Hartmann, 2003: Konfessionelle Kulturen im 17. Jahrhundert, S. 46ff). Die Obere Pfalz erlebte unter ihren Kurfürsten in ihrer protestantischen Zeit mehrmals einen Konfessionswechsel zwischen lutherischen und calvinischen Protestantismus. Zu den dogmatischen Streitpunkten hatten insbesondere der Charakter des Abendmahls und seine Feier gezählt. Nach der lutherischen Glaubenslehre verwandeln sich beim Abendmahl Brot und Wein in den Leib und in das Blut Christi. Luther sagt: Christus sei „in, mit und unter“ Brot und Wein gegenwärtig. Nach Calvins Lehre findet dagegen keine Wandlung – Transsubstantion genannt – statt. Brot und Wein symbolisieren nur Leib und Blut Christi. Die calvinische Formel lautet nach Paulus: „Das Brot, das wir brechen, ist eine Anteilnahme am Leib Christi.“ Zur lutherischen Abendmahlfeier gehört die Oblate, zur calvinischen das Brot, das gebrochen wird. Es waren die Anhänger der Lehre Luthers, die zuerst Calvinisten wegen des Brotbrechens als „zwinglische, calvinische Brockenfresser“ beschimpft hatten. Es war, wie wir wissen, nicht bei den sprachlichen Kampf- und Propagandaschlachten geblieben. Es folgten die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges. Katholiken hatten in der Oberpfalz anscheinend in den Glaubenskämpfen das Schimpfwort generalisiert. Für sie waren alle Protestanten, gleich ob Lutheraner oder Calvinisten, Brockenfresser. Wie es die Katholiken in den Zeiten der konfessionellen Auseinandersetzungen und Kämpfe getan hatten, so hielten es auch noch ihre Nachfahren bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. In der Oberpfalz wurden Protestanten auch noch in der Zeit des Zweiten Weltkrieges so genannt. Inzwischen verloren diese dogmatischen Abgrenzungen und konfessionellen Ressentiments und Animositäten an Wirkkraft, obschon sie noch immer konfessionelle Grenzlinien markieren und Familiengeschichten prägen.

Am Grabe von Johann Mintzel, 1611

Bei meinen späteren Besuchen des Klosterortes unternahm ich im Geviert des idyllischen Gebäudekomplexes jedes Mal einen stillen Rundgang. Ich ging an den schlichten Häuschen entlang und kehrte in Gedanken und inneren Bildern in die Zeit des lateinischen Schulmeisters Johann Mintzel zurück. Ich lehnte mich an den Brunnen, aus dem noch immer Wasser plätschert. Das Jetzt verschwamm in einem Damals, die Vergangenheit wurde gegenwärtig. Einunddreißig Jahre lang hat der ergraute Schulmeister im kurfürstlichen Dienst mit viel Fleiß und pädagogischer Verantwortung Kinder und Jugendliche unterrichtet. Noch im Dezember 1610, kurz vor Weihnachten, bat er in einem abermaligen Bittschreiben, es sollte sein letztes sein, an die kurfürstliche Regierung um eine Aufbesserung („Addition“) seiner Bezüge in Geld und Naturalien. Er hat noch Weihnachten 1610 und Neujahr 1611 erlebt, dann griff der Tod nach ihm. Die Obere Pfalz wurde in den Wintermonaten 1610/11 von einer Schneedecke tief zugedeckt. Speinshart versank im Schnee, in den schmalen Häusern herrschte klamme Feuchtigkeit, an den Wänden der unbeheizten Räume glitzerten Eiskristalle, die Fensterscheiben waren vom Frost erblindet, die Familie scharte sich um das Küchenfeuer. Die Frühjahrsmonate waren in der Oberen Pfalz nass und kalt, es dauerte bis in den April hinein, bis das letzte Eis geschmolzen war. Ich habe in meiner Kindheit in der Oberpfalz diese kalten Jahreszeiten 1943/44 und 1944/45 selbst erlebt.

Johann Mintzel wurde gut fünfzig Jahre alt, für damalige Lebensverhältnisse hatte er ein recht hohes Alter erreicht. Wer in jenen Zeiten so alt geworden war, galt schon als Greis. Wir kennen nicht die Todesursache. Möglicherweise hatte er sich erkältet, gar eine Lungenentzündung zugezogen. Wir wissen auch nicht, an welchem Tag genau er verstarb. Die medizinische Versorgung lag im Argen, in Speinshart soll es nicht einmal einen Bader gegeben haben. Aber selbst diese waren häufig nur Quacksalber, die mit unwirksamen Mitteln Kranke zu Tode kurierten. Nur sein Todesjahr lässt sich aus den Archivalien zweifelsfrei erschließen, das Jahr 1611 (AM: Blog „Lebensgeschichten und Erelebniswelten…“, 1. Kap., S. 5).

Der verstorbene Schulmeister wurde, wie allgemein üblich, zu Hause eingesargt, aufgebahrt und bei ihm eine Kerze angezündet. Im Klosterdorf wird sich schnell herumgesprochen haben, dass der alte Mann gestorben war. Jeder hatte ihn gekannt, aber nicht alle hatten ihn gemocht. Allzu oft hatte er, wie kirchliche Visitationsberichte auch für Speinshart bezeugen, säumige Eltern und ihre Kinder ermahnen müssen, die Katechismus-Lehre und die Schule zu besuchen. Der mehrmalige Konfessionswechsel hatte auch in Speinshart und seinem Umland zu verdecktem Widerspruch und passivem Widerstand geführt, ja sogar Verweigerung hervorgerufen. Unter allerlei Vorwänden war man dem Gottesdienst ferngeblieben. Das hatte dem Schulmeister Verdruss und Ärger beschert. Es hatte so manchen Zoff gegeben. Doch begleitete wohl jeder, der gehen konnte und nicht selbst krank darniederlag, den Sarg zur Aussegnung in die Klosterkirche und danach an das Grab. Der Speinsharter Friedhof lag innerhalb der Mauern hinter den Klostergebäuden in einem Winkel, der räumlich vom Treiben der Lebenden abgesondert war. Dorthin zog der kleine Leichenzug zur ausgehobenen Grube: die Witwe Mintzels, sechs seiner Kinder, die das Kindes- und frühe Jugendalter überlebt hatten, ein Häuflein kurfürstliche Amtsträger und Honoratioren des Ortes, gefolgt von einer Schar Kinder und Jugendlicher, der Schülerschaft des Verstorbenen, alle in Reih und Glied und im stillen Gedenken. Der Glöckner läutete das Totenglöckchen. Pfarrer Johann Lucas (I.), selbst vom Tod gezeichnet – er starb noch im gleichen Jahr – hielt die Leichenpredigt, die damals viel länger ausfiel als heutige Nachrufe. Am Ende der rituellen Handlungen kamen alle zum Leichenschmaus zusammen und tauschten Anekdoten aus.

Der Tod des alten Schulmeisters veränderte die Lebenssituation seiner Hinterbliebenen drastisch. Im Laufe des Jahres 1611 wurde Kaspar Eck in das vakante Schulmeisteramt berufen.  Eccius, wie er sich lateinisch nannte, kam aus Schlesien. Sein Schwager, der Speinsharter Richter Jonas Liebing, hatte ihn der Obrigkeit empfohlen. Witwe Mintzel und ihre sechs Kinder mussten aus dem Schulmeisterhaus ausziehen und im Ort eine andere Bleibe finden. Eck unterrichtete wohl noch ein paar Jahre die Söhne des verstorbenen Mintzel, Johann Christoph bis zum Jahre 1614, Johann Albrecht bis 1616. Nach Abschluss der Lateinschule verließen beide ihren Heimatort, wo keine höhere Ausbildung möglich war. Christoph wanderte nach Leipzig und begann dort Theologie zu studieren. Albrecht ging in einer renommierten Buchdruckerei in die Lehre. Im Jahre 1620 tritt er uns in Leipzig zum ersten Mal als Buchdruckergeselle in der damals weithin bekannten Verlagsdruckerei der Verlegerfamilie Große entgegen. Diese Daten sind jedenfalls zweifelsfrei belegt. Die weiteren Schicksale der Mutter und der anderen Geschwister sind unbekannt. Als „nobodies“ wurden sie nicht einmal als Sterbefälle in die nachlässig geführten Kirchenregistern eingetragen, so als hätte es sie nie gegeben. Möglicherweise zogen sie schon vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges von Speinshart weg. Vielleicht führt meine Fehl- und Suchanzeige zu Entdeckungen in anderen genealogischen Zusammenhängen.

Aus konfessionspolitischen Gründen unternahmen damals Oberpfälzer, evangelisch-lutherische und calvininische Theologen, Pfarrer und Schulmeister weite Wanderungen, um in Territorien ihrer Konfession Aufnahme und Anstellung zu finden. Die Speinsharter Schulmeisterfamilie Mintzel teilte mit vielen anderen dieses Schicksal: Amtsenthebung und Vertreibung. Sie wurden zu einer „Migrantenfamilie“, zu Wanderern, die weite Wege zurücklegten. Die Gebrüder Johann Christoph und Johann Albrecht Mintzel konnten nicht in ihre Heimat zurückkehren. Die gewaltsame Rekatholisierung, die 1621 einsetzte, verwehrte es ihnen. Ihre Wanderrouten zeigen, dass sie in protestantische Territorien Mittel- und Norddeutschlands gingen und sich im fernen „Ausland“ niederließen. Orte, wo der zeitweise Aufenthalt der Brüder und ihrer Kinder belegt ist, sind Leipzig, Frankfurt/Oder, Libbenichen/Oder, Berlin, Oranienburg, Stettin, Kolberg in Pommern und Hof/Saale. Der spätere Buchdrucker Johann Albrecht Mintzel, dessen Namen ich trage, verlor am Ende des Dreißigjährigen Krieges in Leipzig die Hoffnung, in der vom Krieg heimgesuchten Stadt seine Druckerei auf Dauer fortführen zu können. Er folgte einem Ruf des Rates der markgräflich-brandenburgische Stadt Hof im Vogtland, übersiedelte 1642 mit seiner Familie und Druckerei nach Hof und führte dort seine in Leipzig erworbene Buchdruckerei weiter (Alf Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Band I, S, 46-277).

Das Kurfürstentum Bayern blieb als ein Hort der Gegenreformation bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts ein konfessionelles „Sperrgebiet“ für protestantische Drucker und Theologen. Speinshart wurde bald nach dem Abzug der Mintzels wieder katholisch und erhielt am Ende des 17. Jahrhunderts ein barockes Kleid. Die große Geschichte prägte sich auch im Familienleben aus. Die Einstellungen und Werthaltungen in den Familien Mintzel waren bis ins 20. Jahrhundert hinein stark antikatholisch geprägt. Es gab mit einer Ausnahme bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts keine Mischehen.

 

Literatur (Auswahl): Bernhard Fuchs: Geschichte des Klosterarchivs Speinshart; Peter Claus Hartmann,2003: Konfessionelle Kulturen im 17.Jahrhunder, in: Wolf, Peter: u. a. (Hrsg.): Der Winterkönig V. Der letzte Kurfürst aus der Oberen Pfalz. Haus der Geschichte, S. 46-52; Daniel Heinrich Hering, 1784 u. 1785: Beiträge zur Geschichte der Evangelisch-Reformierten Kirchen in den Preußisch –Brandenburgischen Ländern. Erster und Zweiter Theil; Stephan Lippold, 2003: Der Kalvinismus, in: Wolf, Peter u. a. (Hrsg.): Der Winterkönig V. Der letzte Kurfürst aus der Oberen Pfalz. Haus der Bayerischen Geschichte, S. 278f; Alf Mintzel: Von der Schwarzen Kunst zu Druckindustrie, 2011, Band I, Kapitel I, S.22-37; Gustav Motyka: Das Kloster Speinshart, Weiden 1972; Josef Scherl: Die Grundherrschaft des Klosters Speinshart, Nachdruck 1940; Motyka, 1972: Das Kloster Speinshart, S. 39.

1. Auf den Spuren der Speinsharter Schulmeisterfamilie Mintzel (16./17. Jh.)

Plötzlich stehen sie vor mir

„Eine Generation kommt und eine Generation geht“ (…) Da gibt es keine Erinnerung an die Früheren. Und an die Künftigen, die sein werden, auch an sie wird man sich nicht mehr erinnern, bei denen die später sein werden.“ So spricht der Prediger Salomon.

Der weise König spricht eine Wahrheit aus. Allerdings denkt er in weiten Zeiträumen, in vieltausendjährigen Zeitaltern. Im Wandel der Äonen wird alles Nichtigkeit und Windhauch. Niemand kennt mehr die Namen der Erbauer und Einwohner längst versunkener Reiche und Städte. Archaische Skulpturen blicken aus der Ferne herüber, Schöpfer und Dargestellte sind längst verblichen, ihre Namen unbekannt. Schon in der Gegenwart verklingen die Namen der allermeisten Menschen mit der Totenglocke und den Nachrufen.

Doch werden Menschen immer nach ihren Wurzeln fragen, nach den „roots“ suchen und ihre Herkunft und ursprüngliche Heimat erkunden wollen. Wir alle haben einen Ursprung in einem geografischen Raum, in einer Zeit, an einem Ort, in einer Gegend, in einem Kulturkreis und im Beziehungsgeflecht von Menschengruppen. Und dieser Ursprung hat wieder einen Ursprung, und so reiht sich Generation an Generation bis an den Punkt, von dem ab es keine Erinnerung mehr gibt an die Früheren. An diesem Punkt beginnen meine Erzählungen.

Die Gestalten, die ich hereinrufe in unsere Gegenwart, sind keine „Lichtgestalten“ ihrer Zeit. Es sind kleine Existenzen aus dem Volk, die im Bühnenhaus der Geschichte meist nur als lärmende Masse in pittoresken Gewändern vergangener Moden auftreten und anonym bleiben. Ich lasse sie einzeln, in Gruppen und Generationen für einen kurzen Moment aus dem Dunkel der Vergangenheit und der Vergessenheit heraustreten und stelle sie dem Leser vor. Ich ermögliche eine Begegnung der Schattenmenschen vergangener Zeiten mit uns. Mit der Schilderung ihrer Schicksale beschreibe ich unser kleines, unbedeutendes Dasein, unsere kurze Existenz zwischen dem Nichts davor und dem Nichts danach. Wir werden wie sie in das Reich der Vergessenheit eingehen. Vieles ist mir geradezu unheimlich gegenwärtig. Ich komme längst vergangenen Lebensläufen auf die Spur, ich beginne mich an die Gehirne verschwundener Generationen anzukoppeln und ihre Sinnorientierungen zu verstehen. Aus Daten werden Schatten, aus Schatten Schemen, aus Schemen Personen, und plötzlich stehen sie vor mir. Ich treffe sie auf ihren Wegen an. Ich besuche Erinnerungsorte, trete ein und lausche. Ich höre in den Echoräumen der Jahrhunderte Stimmen und Geräusche.

Woher sie kamen

Die kleine Buchdrucker- und Verlegerdynastie Mintzel, aus der ich stamme, hat ihren Ursprung in einem der zahlreichen kleinen Territorien und Herrschaftsgebieten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, in der Oberen Kurpfalz, die heute im nordöstlichen Bayern liegt und die Oberpfalz genannt wird. In dem kleinen Klosterdorf Speinshart versieht der lateinische Schulmeister Johann Mintzel gut dreißig Jahre lang, von Ende 1580 bis in das Jahr 1611 hinein, seinen Dienst. Er stammt aus der kurpfälzischen Regierungsstadt Amberg und hat dort mehrere Jahre am kurfürstlichen calvinischen Pädagogium studiert. Am 12. Oktober 1580 hat er vor dem Kirchenrat sein Examen abgelegt. Der junge Schulmeister heiratet 1586 in Speinshart und zeugt mit seiner Frau, deren Namen und Herkunft nicht überliefert ist, zehn Kinder. Vier der Kinder sterben bereits im Säuglings- und Kindesalter. Die hohe Sterblichkeit ist damals ein kollektives Schicksal. Es gibt noch keine Mittel gegen todbringende Krankheiten.

Nur von drei Söhnen sind Namen, Geburtsort und Geburtsdatum überliefert, von zweien dieser Söhne wissen wir sehr viel mehr. Wir kennen ihre Lebenswege, ihre beruflichen Karrieren, ihr historisches Wirken und ihre Familien. Aus dem kleinen verschlafenen Klosterdorf sind keine prominenten Persönlichkeiten hervorgegangen. Speinshart ist nicht Geburtsort herausragender Gelehrter, Künstler und Politiker, geschweige denn von Geistesgrößen europäischen Formats. Zwei Söhne des Schulmeisters bringen es allerdings im protestantischen „Ausland“ zu beachtlichen Berufserfolgen: Johann Christoph wird 1622 ein evangelisch-reformierter Pfarrer, sein jüngerer Bruder, Johann Albrecht, 1625 ein renommierter Buchdrucker in Leipzig. Begeben wir uns auf Google-Suche und klicken auf unserem Rechner auf die Eingabe „Johann Albrecht Mintzel, Buchdrucker“, liefert uns das Internet Hunderte seiner Drucke und auch der späteren Druckerdynastie Mintzel. Im katholisch dahindämmernden Klosterdorf Speinshart sind diese Söhne des Ortes „nobodies“. Niemand kennt sie. Die Speinsharter Familie Mintzel hat sich zum „falschen Glauben“ bekannt. Die ältere lokale und regionale Geschichtsschreibung, die sich mit dem Prämonstratenserstift Speinshart und mit umliegenden Ortschaften befasst, stammt aus der Feder katholischer Autoren. Bis auf wenige Ausnahmen haben diese Geschichtsschreiber die protestantische Zeit zwischen 1556 und 1624/25 ausgespart und damit die protestantischen Pfarrer und Schulmeister, seien es Lutheraner oder Calvinisten, aus konfessionellem Eifer oder aus Desinteresse aus ihren Annalen verbannt. Sie haben diese als unerwünschte Personen aus dem kulturellen Gedächtnis der Orte gestrichen. In der lokalen katholischen Geschichtsschreibung ist die  protestantische Zeit zwischen der ersten Säkularisierung 1556/57 des Klosters und der völligen Annexion der Oberen Pfalz durch den bayerischen Kurfürsten Maximilian I. im Jahre 1628 „geschichtslos“ (Beispiele: Josef Scherl, 1940; Gustav Motyka, 1972).

Übergeben die kleinen lokalen Geschichtsschreiber geflissentlich die Häretiker dem Orkus der Vergessenheit, so tut die hohe Geschichtsschreibung das ihre dazu. Sie geht über die Mikrowelten und deren Alltagsleben, Beschränkungen und Scheußlichkeiten mit glättenden und übertünchenden Worten hinweg. Ihre Historiografie folgt nur erhabenen Ideen und Staatsgeschäften. Den gemeinen Mann und seine Sorgen verlieren sie oft aus den Augen. So ist unser kleiner Speinsharter Schulmeister Johann Mintzel durch die konfessionellen Sieblöcher der Geschichtsschreiber und Geschichtenerzähler ins Dunkel gefallen.

Ich will ihn und seine Familie aus ihrer Vergessenheit zurückholen, die Orte aufsuchen, aus denen sie gekommen sind, und sie dorthin begleiten, wohin sie gegangen sind. Ich will erzählen, was ihnen widerfahren ist und wie sie sich abgemüht haben unter der Sonne. Und ich werde die sonderbaren Begebenheiten schildern, die mich auf ihre Spuren gebracht haben. Ich fühle mich ihnen so tief verbunden, als lebte ich in Jahrhunderten. Ich teile mit Johann Albrecht Mintzel, dem Begründer der Druckerdynastie, die Kindheit in der Umgebung des alten Klosterortes. Er hat Anfang des 17. Jahrhunderts als Kind auf dem Platz vor dem Klostergebäude aus dem gleichen Brunnen Wasser getrunken wie ich in den Kriegsjahren 1943 bis 1945. Ich schlürfe das fließende Wasser aus meiner hohlen Hand und sehe mich in das 17. Jahrhundert versetzt. Manche sagen, das sei kein Zufall. Wir seien uns tatsächlich begegnet, sagen sie. Mein Vater hat mich 1935 nach einem Sohn des Speinsharter Schulmeisters Johann Mintzel benannt, nach Johann Albrecht Mintzel (1600-1653).

[Abbildungen: Speinshart, Ansicht des Klosterdorfes]

 

Lebensdaten von Johann Mintzel, Schulmeister in Speinshart/Oberpfalz von 1580 bis 1611

Genealogischer Steckbrief

Zur Vita von Johann Mintzel „aus Amberg“ liegen quellenbelegte Daten und indirekte Berichte vor, durch die sich seine Lebensumstände, Ausbildung und beruflichen Aufgaben relativ gut nachvollziehen lassen:

  • geboren um 1560, wahrscheinlich in Amberg.
  • gestorben 1611 in Speinshart.
  • Schreibweise des Familiennamens wie damals üblich uneinheitlich: Eigene Schreibweise des Schulmeisters: Mintzll, Minzll, Mintzel, Schreibweise von fremder Hand (behördlich): Minzelius, Mintzel, Müntzel, Müntzelius, Münzelius, Müntzl (auch Mentzel, Menzel).
  • Beruf: 1580 – 1611 kurpfälzischer lateinischer Schulmeister in Speinshart.

Elterngeneration:

Für den Lebenszeitraum der Eltern Johann Mintzels sind die Jahre von etwa 1530 bis 1600 anzusetzen. Über seine Eltern ist bisher nichts bekannt. Hierzu wäre einiges aus den Archivalien im Stadtarchiv Amberg zu erwarten. Eine Familie Mintzel beziehungsweise ein Bürger Mintzel soll, wie aus Urkunden hervorgeht, um 1524 von Coburg nach Amberg übergesiedelt sein. Es dürfte sich vermutlich um einen Großvater des Johann Mintzel gehandelt haben. Die Existenz einer Coburger Familie Mintzel im 16. Jahrhundert ist in Coburger Quellen verbürgt.

Ausbildung/Studium/Bestallung:

  • 1574 oder 1576-1580 Studium am kurfürstlichen Pädagogium in Amberg (in der Zeit der Regentschaft Ludwig VI., 1576 – 1583, der die lutherische Konfession durchzusetzen trachtete).
  • 10.1580 Examen am Pädagogium.
  • Ende 1580 Bestallung als kurpfälzischer lateinischer Schulmeister im Stift Speinshart.
  • Behördliche Überprüfung seiner Amtsführung bei der Kirchenvisitation vom 06.10.1582.

Berufsausübung / Bittschriften:

  • In seinen Bittschriften von 1591, 1606, 1607, 1608, 1609 und 1610 an die kurpfälzische Regierung in Amberg ersucht er um „Addition“, das heißt um finanzielle Zulagen und um zusätzliche Naturalien (Weizen, Gerste, Hafer); in den Gesuchen schildert er ausführlich seine Lebens- und Familienverhältnisse, zum Beispiel die Zahl seiner Kinder.

Ein Pfälzer aus Amberg:

  • Johann Mintzel bezeichnet sich in seinem Bittschreiben vom 30.06.1606 an die kurpfälzische Regierung in Amberg selbst „alß ein Pfälzer“.
  • Im kirchlichen Visitationsbericht vom 06.10.1582 heißt es: „Der Schulmeister Ist Müntzelius von Ambergk“.

Familiengründung / Familienverhältnisse:

  • 1586 Eheschließung (wahrscheinlich in Speinshart; Name der Ehefrau unbekannt, keine Überlieferung in einschlägigen Quellen).
  • Aus der Ehe gehen nach Mintzels Angaben 10 Kinder hervor, von denen 4 im Säuglings- oder Kindesalter sterben.
  • Von drei Kindern (Söhnen) sind Namen, Geburtsdaten und Geburtsort überliefert:
  • Johann Christoph Mintzel, geb. 1598 in Speinshart.
  • Johann Albrecht Mintzel, geb. 01.10.1600 in Speinshart.
  • Germanus Mintzel, geb. 07.03.1602 in Speinshart.
  • Es dürfte sich um die jüngsten Kinder aus der Ehe handeln. Im Jahre 1628 konvertiert in Speinshart ein Georg Menzel (Mintzel?) zum katholischen Glauben. Es könnte sich um einen der namentlich unbekannten Söhne Mintzels handeln, der in Speinshart geblieben und unter dem Druck der neuen dynastischen und konfessionellen Verhältnisse den Glauben gewechselt hat.
  • Von den Söhnen Johann Christoph (1598–1669) und Johann Albrecht (1600–1653) sind Lebenswege und berufliches Wirken bekannt. Johann Albrecht Mintzel ist der Gründer der Mintzelschen Buchdruckerei in Leipzig (1625) und in Hof / Saale (1642). Seine Nachfahren wirken in fünf Generationen als Buchdrucker und Verleger in Hof / Saale und Bayreuth. Sein Bruder Johann Christoph Mintzel studiert in Leipzig (1614) und Frankfurt an der Oder (1616) Theologie, kehrt um 1620 zurück in die Oberpfalz, wird dort 1620 Schulmeister in Freystadt, dann 1622–1625 ev.-reform. Pfarrer in Hausheim / Opf. Im Zuge der Rekatholisierung 1625 amtsenthoben. Er wandert nach Libbenichen bei Frankfurt a. d. Oder aus und wirkt dort bis zu seinem Tode (1669) als ev.-reform. Pfarrer (alle Daten und Belege in: Mintzel, 2011, Band I).

Todesjahr:

1611 ist höchstwahrscheinlich das Todesjahr des Speinsharter Schulmeisters Johann Mintzel. In den schlecht geführten, lückenhaften Kirchenbüchern ist kein Eintrag zu finden, doch gibt es zwei indirekte Bestätigung des Todesjahres: Der Nachfolger Mintzels im Amt des Schulmeisters, Kaspar Eccius (Eck), bittet unter dem Datum des 14. Dezember 1614 in seinem Gesuch an die kurfürstliche Regierung in Amberg um die gleiche Addition, wie sie seinem Vorgänger [Mintzel] gewährt worden war. Er weist in seinem Gesuch unter anderem daraufhin, dass sein Schwager, der in Speinshart amtierende kurfürstlich pfälzische Richter Jonas Liebing ihn im Jahre 1611 aus Schlesien in die Oberpfalz gebracht und zum Schuldienst in Speinshart befördert habe. Jonas Liebig unterstützt mit einem Schreiben vom 17. Dezember 1614 das Bittschreiben seines Schwagers.

Die kurfürstliche Regierung bewilligt am 19.12.1614 das Gesuch des Eccius um Addition mit Verweis auf „Johann Mintzel seelig, Schulmaisters zum Speinshart“. Mintzel muss folglich im Jahre 1611 im Alter von etwa 51 Jahren verstorben sein. Sein letztes Gesuch um „Addition“, es war das sechste in Folge, schreibt er am 17. Dezember 1610. Er erlebt noch Weihnachten 1610 und Neujahr 1611.

Über das weitere Schicksal seiner Witwe ist nichts bekannt. Sie erhielt wahrscheinlich bis zum Jahresende 1611 die ihrem Mann zugestandenen Einkünfte und danach Gnadengelder. (Siehe zu dieser Versorgungsproblematik Frieb 2006, 78).

Kaspar Eccius ersuchte, wie vordem Mintzel, bis 1625 in weiteren Bittschreiben die kurfürstliche Regierung um „Additionen“. Im Jahr 1625 wurden die protestantischen, seien es die calvinischen, seien es die lutherischen Beamten im Zuge der Rekatholisierung ihrer Ämter enthoben. (Denk 1904, 50ff)

Offene genealogische Fragen

Zur Amberger Herkunft des Schulmeisters Johann Mintzel: Gab es in Amberg im Zeitraum von etwa 1530 bis 1600 eine Bürgerfamilie Mintzel (siehe auch die oben genannten Schreibweisen des Familiennamens), aus der Johann Mintzel stammen könnte oder nachweislich stammt?

  1. Geht aus den einschlägigen Kirchenregistern oder / und anderen Quellen sein Geburts- und Taufdatum hervor? Schulbesuch in Amberg?
  2. Falls seine Herkunft aus einer Amberger Bürgerfamilie Mintzel ermittelt und belegt werden kann, welchen sozialen Status hatte diese Familie? Welche Berufe wurden ausgeübt? (städtische Bedienstete; kirchlicher Dienst? Handwerker? Welches Handwerk?)
  3. Drehte es sich um eine alteingesessene Amberger Familie oder um eine zugewanderte?
  4. In welcher Weise war die Amberger Herkunftsfamilie von den religiösen Verhältnissen betroffen? Es scheint eine innerfamiliäre Spaltung in Calvinisten und Lutheraner gegeben zu haben. Der Schulmeistersohn Johann Christoph Mintzel war Calvinist, der Sohn Johann Albrecht Mintzel Lutheraner.
  5. Als der Schulmeister Johann Mintzel im Jahr 1611 starb, waren seine oben genannten Söhne 13, 11 und 9 Jahre alt. Die Witwe hat zumindest zwei Söhnen (Johann Christoph und Johann Albrecht) eine gute akademische (Universitätsstudium) bzw. handwerkliche (Buchdrucker) Ausbildung ermöglichen können. Am Klosterort Speinshart gab es hierfür keine Gelegenheit. Die Witwe könnte, so meine Vermutung, nach dem Tode ihres Mannes von Speinshart weggezogen sein. Wohin? Nach Amberg?
  6. Johann Albrecht Mintzel könnte seine Druckerlehre in der Zeit von etwa 1614 bis 1619/20 bei einem der zwei Amberger Buchdrucker absolviert haben, entweder bei Michael Forster (tätig von 1591–1622) oder bei Johann Schönfeld (tätig von 1603–1621). Diese Daten passen gut zum Werdegang. Als Lehrherr kommt allerdings auch der markgräflich-brandenburgische Drucker Matthäus Pfeilschmidt d. J. (1575 –1633) in Hof/Saale infrage. Johann Albrecht Mintzel ging auf Wanderschaft (über Hof /Saale?) nach Leipzig, wo er bereits 1620 als Buchdruckergeselle tätig und 1625 zum Buchdruckermeister ernannt wird. Er führt als Faktor von 1625 bis 1637 die renommierte Leipziger Verlagsdruckerei Grosse (Groß).

Viele Spuren führen zum familiären Ursprungsort Amberg. Nach Ausschöpfung und Auswertung zahlreicher Quellen sind weitere und nähere Auskünfte über die familiäre Herkunft Johann Mintzels aus Amberg nur noch aus den Archivalien im Stadtarchiv Amberg zu erwarten. In Betracht kommen hierfür vor allem die Ratsbücher, das Bürgerbuch, die Stadtkammerrechnungen und der Almosenkasten, außerdem kirchliche Register (Tauf-, Trau- und Sterberegister).

Spurensuche in der Amberger Vergangenheit: Dynastische Verhältnisse und Religionswirren

Ausbildung und Beruf von Johann Mintzel fielen in die Zeit heftiger Auseinandersetzungen zwischen calvinischem und lutherischem Protestantismus. Wollte er seinen angestrebten und erlernten Beruf ausüben, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich öffentlich zum calvinischen Glauben zu bekennen. Im Zeitalter der Glaubenskämpfe bestimmte der regierende Fürst nach dem Grundsatz „cuius regio eius religio“, welche Religion in seinem Herrschaftsgebiet die „wahre“ und allein zu praktizierende sei. Die Kuroberpfalz war nach schwankenden reformatorischen Ansätzen unter Pfalzgraf Friedrich II, (1544–1556) protestantisch geworden. Auch sein Nachfolger Ottheinrich (1556–1559) hing der Lehre Luthers an. Dann begannen die wechselhaften kirchlich-konfessionellen Auseinandersetzungen zwischen Luthertum und Calvinismus. Auf Ottheinrich Friedrich III. (1559–1576), der die calvinische Konfession durchzusetzen trachtete. Unter seiner Regentschaft wurde 1566 in Amberg das calvinische Pädagogium gegründet. Nach dessen Tod übernahm Ludwig VI. die Regentschaft (1576–1583), der mit seinem weltlichen und kirchlichen Verwaltungsapparat die Rückkehr zur lutherischen Konfession erzwingen wollte. Die Kurfürsten Johann Casimir (1583–1592), Friedrich IV. (1592–1610) und Friedrich V. (1610–1619) setzten wiederum den Calvinismus durch. Mintzels Amtszeit fiel anfangs, 1580 bis 1583, noch in die lutherische, von 1583 bis 1611, bis zu seinem Tode, in die calvinische Ära.

1620/21 veränderte sich für die Kurpfalz schlagartig die dynastische und religiös-konfessionelle Situation. Der pfälzische Kurfürst Friedrich V. unterlag als „Winterkönig von Böhmen“ in der Schlacht am Weißen Berg dem Heer des Kaisers und der katholischen Liga. 1621 wurde Herzog Maximilian von Bayern mit dem Territorium der Kuroberpfalz für seine Kriegsauslagen entschädigt. Die bayerischen Truppen marschierten in die Kuroberpfalz ein und besetzten das Territorium. 1628 ernannte Kaiser Ferdinand II. den bayerischen Kurfürsten endgültig zum Landesherrn der Oberpfalz. Bayern wurde die kurpfälzische Kurwürde übertragen. Maximilian I., der schon 1621/23 damit begonnen hatte, die Oberpfalz zu rekatholisieren, setzte nun den katholischen Glauben endgültig durch (Frieb 2006, 16, 25; Mintzel 2011, I. 22ff).

Hauptschrift des Calvinismus war der „Heidelberger Katechismus“ von 1563 mit seinen 129 Fragen und Antworten. Eine der beruflichen Hauptpflichten Mintzels als Schulmeister bestand darin, in Speinshart seinen Zöglingen die 129 Fragen und Antworten des „Heidelberger Katechismus“ einzutrichtern und die Schüler im Sinne der Obrigkeit auf das calvinische Glaubensbekenntnis zu verpflichten.

[Abbildung: Titelseite des Heidelberger Katechismus]

Die Auseinandersetzungen wirkten sich auch innerfamiliär aus: Johann Mintzels Sohn Johann Christoph Mintzel (1598–1669) hing dem Calvinismus an und wurde evangelisch-reformierter Schulmeister und Pfarrer. Johann Albrecht Mintzel (1600–1653) bekannte sich zum Luthertum und wurde ein renommierter Buchdruckerherr in Leipzig (1620–1642) und in Hof /Saale (1642- 1653). Leipzig und Hof waren durch und durch lutherisch geprägte Städte.

Das kurfürstliche calvinische Pädagogium in Amberg

Das kurfürstliche Pädagogium war eine höhere Lateinschule mit einem gehobenen Lehrprogramm, eine Art konfessionspolitischer Bildungsanstalt, die den „wahren Glauben“ festigen und verbreiten sollte. Das Pädagogium unterstand der Aufsicht und Kontrolle des Amberger Kirchenrates, des höchsten kirchlichen Gremiums in der Kuroberpfalz (Frieb 2006, 78). Der Kirchenrat befasste sich auch mit Disziplinfragen, mit der Ausgangserlaubnis, mit Fragen der Kleiderordnung der Stipendiaten, mit der Rechtslage zum Bierausschank, mit Modalitäten bei der Haltung sogenannter Kostknaben und mit der Lebensgestaltung der Lehrer. Er beschied Aufnahmegesuche von Eltern und beorderte in Konfliktfällen Rektor und Lehrer zum Bericht vor das Gremium.

Nach jahrelangen Vorbereitungen wurde das Pädagogikum im April 1566 unter der Regentschaft Friedrich III. (1559-1576), der die Pädagogien zur Durchsetzung des Calvinismus gründete, eröffnet. An das Pädagogium wurde ein Internat angeschlossen, in dem alle Schüler untergebracht werden sollten. (Denk 1904, 35ff). Auch Johann Mintzel wohnte und lernte seit Mitte der 1570er Jahre, höchstwahrscheinlich bis zu seinem Examen am 12. Oktober 1580, in diesem Internat. Die erste calvinisch dominierte Zeit der Bildungseinrichtung währte allerdings nur gut zehn Jahre, sie endete um 1576/57. Am 26. Oktober 1576 starb Kurfürst Friedrich III. Sein Sohn und Nachfolger Ludwig VI., ein Lutheraner, setzte sofort die Augsburger Konfession wieder ein und entließ die calvinischen Staatsdiener und Lehrer. Kurz vor Weihnachten 1576 hob er das kurfürstliche Pädagogium als Anstalt auf, eröffnete es jedoch 1577 wieder unter lutherischen Vorzeichen. Kurfürst Casimir und dessen Nachfolger folgte die zweite calvinische Zeit. Sie verlangten wieder die Rückkehr zum Calvinismus.  Gleich ob Johann Mintzel sein Studium 1576 oder schon 1574 begonnen hatte, er geriet in jedem Fall 1576/77 in die konfessionellen Spannungsverhältnisse und Auseinandersetzungen zwischen Calvinismus und Luthertum. Bis Oktober 1576 waren nur Anhänger des Calvinismus beziehungsweise im Geiste des Calvinismus erzogene Jugendliche in das Pädagogium aufgenommen, unterrichtet, nach durchlaufener Ausbildung examiniert und mit der Stelle eines Schulmeisters oder Pfarrers belohnt worden. Von 1576/77 bis 1583 wurde das Amberger Pädagogium und sein Internat lutherisch geführt, nach 1583 bis zu seiner endgültigen Aufhebung wieder calvinistisch. Mintzel, der aus einer calvinistisch orientierten Familie kam, absolvierte folglich sein pädagogisches Studium unter calvinistischer Ägide. Konfession und Konfessionswechsel griffen tief in die Lebensgeschichte und in die Berufschancen ein.

Funktion und Zusammensetzung der Anstalt

Der Gründer Kurfürst Friedrich III. hatte die konfessionspolitischen Aufgaben dieser höheren Bildungsanstalt mit folgenden Worten bestimmt: „…damit künftighin an gottseeligen, selbsterzogenen und bekannten Kirchen- und Schuldienern kein Mangel erscheine und man nicht mit fremden unbekannten, die auch nicht allewege rechtschaffen und qualifiziert zu finden oder aber ungeschickten, ungelehrten und bisweilen auch mit ungesunder Lehre behafteten Kirchendienern, dadurch die Untertanen an gebührlicher Seelsorge versäumt und große Uneinigkeit und Verwirrung in weltlichem und geistlichem Regiment notwendig erfolgen würde, sich behelfen müsse“(zit. n. Maximilian Weigel 1939, 223). Kurzum: Das kurfürstliche calvinische Pädagogium sollte „zu einer festen Burg kalvinischen Geistes und zu einer Bildungsstätte kalvinischer Theologen und Beamten ausgebaut werden“ (Maximilian Weigel 1939, 211).

Außerdem hatte er am 25.11.1564 zur Vorbereitung der Gründung verfügt: „Es soll (aber) kein Knabe aufgenommen werden ausser mit Einwilligung seiner Eltern, wenigstens muss er 15 oder 16 Jahre alt sein und die fundamenta Grammatices auch zum Teil wo möglich Rhetorices und Dialectices haben.“ (zit. n. Denk 1904, 41).

Aus dieser Verfügung lässt sich in etwa das Geburtsjahr Mintzels erschließen. War er schon 1574 aufgenommen worden, wäre er etwa im Jahr 1559 geboren worden. Sollte er erst 1576 aufgenommen worden sein, wäre seine Geburt in das Jahr 1561 zu legen.

Alle Anwärter mussten sich einer Eignungsprüfung unterziehen. Für die Aufnahmeprüfung wurden Grundkenntnisse im Lateinischen vorausgesetzt. (Maximilian Weigel 1939, 213). Das spricht dafür, dass die künftigen Zöglinge in der Regel vorher zumindest die Grundklassen einer Lateinschule besucht haben mussten, um eine Chance zu haben, aufgenommen zu werden. Am Ende der mindestens vierjährigen Schullaufbahn schloss der Zögling seine Ausbildung mit einem Examen ab. Er wurde danach feierlich entlassen.

„Die Väter der Schüler hatten sich bei der Aufnahme ihrer Kinder für den Gehorsam der Söhne zu verpflichten weiter für deren späteren Eintritt in kurfürstliche Dienste und für den Fall des Austritts zum Rückersatz der aufgewendeten Kosten. Letztere wurden auf 25 Gulden für das Jahr veranschlagt“ (Maximilian Weigel 1939, 212).Daraus folgt: Johann Mintzels Vater musste in bürgerlichen Lebensverhältnissen gestanden haben, die es ihm erlaubten, diese Kosten auf sich nehmen.

In der Planungsphase war nach kurfürstlichem Willen eine Schülerzahl um 50 anvisiert worden(Denk 1904, 34). „Anfangs [war es allerdings nur gelungen] 15, 18 und bis 20 Knaben, die gute ingenia [Geist, Genie, Talent, Fähigkeiten – A.M.] haben, hierher zu verordnen und denselben mit allem notwendigen Unterhalt versorgen zu lassen“ (zit. n. Denk 1904, 36). Zur Studienzeit Mintzels dürften es schon mehr als zwanzig Schüler gewesen sein, die sich auf die vier Klassen verteilten. Auf seinem Höhepunkt hatte das Pädagogium 53 Schüler. Jedenfalls erfreute sich Johann Mintzel einer privilegierten Ausbildung, die ihn aus der großen Masse der Bevölkerung heraushob.

„Wer in das Pädagogium als Schüler aufgenommen war, der war versorgt. Die Schule bot ihm nicht nur Unterricht und Verköstigung, sondern auch volle Bekleidung, ärztliche Hilfe durch den Klosterbader oder den Regierungsarzt, sämtliche Schulbedarfsgegenstände und Lehrmittel. Wer das Pädagogium absolvierte hatte, rückte nahezu automatisch in das Heidelberger Sapienzkollegium [Universität, A. M.] vor, dessen Insassen ebenfalls volle Verpflegung und Verköstigung und außerdem strenge Beaufsichtigung ihrer Universitätsstudien genossen“ (Maximilian Weigel 1939, 211f; siehe auch Denk 1904, 43).

Aus diesem Hinweis Maximilian Weigels auf das Heidelberger Sapienzkollegium kann geschlossen werden, dass Johann Mintzel – aus welchen Gründen auch immer – von einem Universitätsbesuch in Heidelberg Abstand genommen hat. Bekannt und belegt ist, dass er sich schon wenige Tage vor seinem Schulabschluss am Pädagogium auf eine Schulmeisterstelle bewarb. Konnte sein Vater ein anschließendes Universitätsstudium nicht mehr finanzieren? Ich muss diese Frage dahingestellt lassen.

Rekrutierung der Schüler

Nach den Plänen der mit der Gründung beauftragten Kirchendiener sollten die Zöglinge des künftigen Pädagogiums im ganzen Land  vor allem aus zwei Personenkreisen beziehungsweise Bereichen rekrutiert werden: aus der kurfürstlichen Beamtenschaft und der Schülerschaft der Klosterschulen (Maximilian Weigel, 1939,210). Die Stifte wurden später tatsächlich mit Nachdruck angehalten, begabte Klosterschüler in die Pädagogien zu senden. Die Klosterschulen sollten an Stelle der „Erwählten“, der mit ingenium ausgezeichneten Schüler, „arme Kinder aus den Städten und Flecken“ und besonders „der armen Pfarrherrn Kinder und der Klosterunterthanen“ aufnehmen. (Denk 1904, 37). Diese Anweisung und spätere Praxis bedeutete für die lateinischen Klosterschulen, und das gilt auch für Johann Mintzels Schuldienst in Speinshart, einen Aufgabenwechsel. Klosterschulen hatten „Zubringerdienste“ zu leisten. Sie mussten ihre besten Schüler abgeben.

Diese Hinweise sind unter der Frage nach der örtlichen oder regionalen pfälzischen Herkunft Johann Mintzels interessant. Woher kam er? War er ein Amberger Bürgersohn? Mintzels Vater könnte in Amberg in kurfürstlichen Diensten gestanden haben. Wir können jedoch nicht völlig ausschließen, dass Mintzel aus einer der pfälzischen Klosterschulen nach Amberg gekommen ist. Dafür könnte seine eigene Herkunftsbezeichnung sprechen, er sei „ein Pfälzer“. Dagegen spricht allerdings, dass er in amtlichen Korrespondenzen wiederholt als Schulmeister „aus Amberg“ bezeichnet wird. Dieser Hinweis könnte nur darauf bezogen gewesen sein, dass Mintzel vom Amberger Pädagogium gekommen war. Ich muss die Frage nach seiner territorialen und herrschaftlichen Herkunft dahingestellt lassen.

Die Fragen nach seinem Geburtsjahr und nach seiner Einschulung lassen sich dagegen auf einem anderen Wege erschließen und beantworten.

Bekannt und belegt ist, dass Johann Mintzel am 12. Oktober 1580 sein Abschlussexamen absolvierte.  Anfangs hatte das Pädagogium vier Klassen. Später kamen anscheinend noch zwei Klassen hinzu, wahrscheinlich nach endgültiger Auflösung der Klosterschulen (Maximilian Weigel 1939, 211). Hatte Mintzel nur vier Klassen durchlaufen, war er höchstwahrscheinlich im Jahre 1576 aufgenommen worden. Sollten es zu seiner Schulzeit am Pädagogium schon sechs Klassen gegeben haben, dann wäre er schon im Jahr 1574 aufgenommen worden.

Aus diesen und anderen Daten lässt sich auch auf sein Lebensalter schließen. Er musste vor seiner Aufnahmeprüfung bereits eine Elementarschule und zumindest die Grundklassen einer Lateinschule besucht haben, also etwa sechs bis acht Schuljahre hinter sich gebracht haben. Bei seiner ersten Einschulung musste er folglich etwa fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein. Nach dieser Rechnung wäre er um 1560/62 geboren worden. Für weitere Recherchen in Kirchenbüchern käme demnach ein Zeitraum zwischen 1559 und 1562 in Betracht.

Was lernte Johann Mintzel im Pädagogium? Der Unterricht am Pädagogium

Wir können uns ein recht gutes Bild davon machen. Wie immer der Studienplan und das Schulprogramm praktisch umgesetzt worden sein mochten, sie vermitteln uns zumindest einen ungefähren Einblick in die Unterrichtsfächer, ihre Stoffe und den Tagesablauf des Unterrichts. Die Nutzung des Tageslichtes bestimmte den Zeitplan. Der Unterricht begann im Sommer früh um 6, im Winter um 7 Uhr und nachmittags um 12 Uhr. Er umfasste früh und nachmittags je drei Stunden. Montag und Dienstag war der Stundenplan derselbe, ebenso Donnerstag und Freitag. Aus einschlägigen Quellen entnehme ich folgende Auskünfte:

Nach dem Studienplan von 1569 gehörten die beiden Altsprachen, Latein und Griechisch, zum Kernbestand des Unterrichtes. Dabei wurde vorausgesetzt, dass die neu eintretenden Zöglinge die Basis des Lateinischen hinlänglich beherrschten. So konnte sofort mit der Lektüre begonnen. Die ersten lateinischen Texte, welche die Schüler in die Hand bekamen, waren die Fabeln des Äsop und die Lustspiele des Terenz. Sie wurden wahrscheinlich auswendig gelernt. Mit der Lektüre der Lustspiele wurde in die lateinische Umgangssprache eingeführt. Beide Schriftsteller dienten in den unteren Klassen zugleich der Einübung in die Grammatik, die vom Lehrer vorgesagt, von den Schülern wiederholt und nachgeschrieben wurde. Ein Grammatikbuch erhielten die Schüler erst in den oberen Klassen. An der Lektüre von Vergils Bucolica wurden die Gesetze der Metrik gelehrt, die Länge und Kürze der Silben, und damit auf den Unterricht in der Prosodie vorbereitet. In den beiden oberen Klassen standen Schriften Ciceros und die Äneis auf dem Stundenplan. Mit Ciceros Schriften sollten die Schüler befähigt werden am Ende ihrer Ausbildung, wenn sie  das Pädagogium verließen, selbst lateinische Aufsätze und Reden zu verfassen und ihre Glückwünsche zu Familienfesten, seien es zum Beispiel Kondolationen bei Trauerfällen, seien es Hochzeitsgedichte, in gewandten lateinischen Versen auszudrücken. Die Lektüre der Äneis diente der Einführung in die Dichtkunst. Um ihre selbständige Redefertigkeit in lateinischer Sprache zu schulen, wurden sie in „Dialektik“ (wir würden wohl Logik dazu sagen) und Rhetorik unterrichtet. Als Lehrbücher wurden hierfür in den beiden oberen Klassen die Grammatik und die Syntax des Reformators Melanchthon benutzt, wie überhaupt im ganzen Lehrplan Melanchthons Gedanken und Unterrichtsideale ihren Niederschlag fanden.

Zum Lateinischen kam das Griechische. In den unteren Klassen wurden Elementarkenntnisse vermittelt, in den beiden oberen Klassen systematisch Grammatik gelehrt und ein griechischer Schriftsteller gelesen. (Maximilian Weigel 1939, 213f; siehe auch Denk 1904, 37f). Johann Mintzel hatte somit am Pädagogium eine gediegene humanistische Ausbildung genossen und zumindest fundierte Kenntnisse in der lateinischen Literatur und Sprache.

Auch über seine Ausbildung in den nichtsprachlichen Unterrichtsfächern wissen wir gut Bescheid.  Dazu zählten die Arithmetik, Astronomie, Physik, Musik und Religion. Unterricht in Arithmetik wurde nur in den oberen Klassen erteilt, und dies nur in zwei Wochenstunden. Er beschränkte sich wohl auf die vier Grundarten des Rechnens. Zwei weitere Wochenstunden wurden im Stundenplan mit „Sphaera“ bezeichnet. Unter dem Begriff Sphaera wurden Kenntnisse über den gestirnten Himmel vermittelt, über die Planeten und Tierkreiszeichen und deren angebliche Einflüsse auf das Schicksal des Menschen. Die Astrologie hatte damals Hochkonjunktur. In allen Klassenstufen wurde je eine Stunde der Physik gewidmet. Im Musikunterricht waren sämtliche Schüler beisammen. Eine Stunde war für den  theoretischen Unterricht reserviert, worunter wohl die Tonarten und möglicherweise auch Kompositionsregeln fielen, eine zweite für die praktische Musikpflege, also das Singen im Chor und das Spiel von Musikinstrumenten. Die Schüler sollten vermutlich so auf eine spätere  Mitwirkung in Gottesdiensten vorbereitet werden. Singen im Chor und Chorleitung scheinen, wie wir noch erfahren werden, nicht Mintzels pädagogische Stärke gewesen zu sein.

Die religiöse Erziehung im „richtigen Glauben“ war in verschiedener Weise allgegenwärtig. Für den Unterricht in Religion waren ebenfalls zwei Wochenstunden vorgesehen, an denen  alle Schüler gemeinsam teilnahmen. Er wurde von dem calvinischem Stadtpfarrer erteilt, der in der einen Stunde den Heidelberger Katechismus, in der andern das Examen theologicum Melanchthons erklärte. Am frühen Sonntagmorgen, vermutlich vor dem Gottesdienst, wurde das jeweilige Sonntagsevangelium in griechischer und lateinischer Sprache gelesen. Am Nachmittag wurde der Heidelberger Katechismus aufgesagt und abgehört. Jeweils nach dem Essen wurde ein Kapitel der Bibel vorgelesen.

Der Unterricht in Physik, Musik und Religion fand an den Mittwochen und Samstagen statt“ (Maximilien Weigel 1939, 214). Die für den Schulgebrauch benötigten Heidelberger Katechismen wurden in den Amberger Druckereien hergestellt. (In einer der zwei Amberger Druckereien könnte Johann Mintzels Sohn Johann Albrecht Mintzel, in den 1610er Jahren seine Druckerlehre absolviert haben).

Zwei Wochenstunden mit „Sphaera“ – Die Lehre vom geozentrischen Weltbild

Wir wissen es nicht genau, dürfen es aber beinahe für sicher halten, dass im Pädagogium der 1560er und 1570er Jahre das kopernikanische Weltbild noch nicht zum Lehrstoff der wöchentlich zweistündigen Lehre von den Sphären gehörte. Nikolaus Kopernikus hatte kurz vor seinem Tod (24.05.1543) seine astronomischen Beobachtungen und Kenntnisse in seinem Hauptwerk „De revolutionibus orbium coelestium libri VI“ zusammengefasst und 1543 veröffentlicht und das geozentrische Weltbild in Frage gestellt. Sein heliozentrisches Weltbild hatte sich damit noch lange nicht durchgesetzt. Die alte Lehre von den Sphären folgte noch der Ansicht, die Erde sei im Kosmos der ruhende Punkt, um den sich die Gestirne und mit ihnen die Tierkreiszeichen drehen. Mintzels Weltbild, das ihm im Pädagogium vermittelt wurde, war höchstwahrscheinlich noch weitgehend dem Mittelalter verhaftet. Er verließ im Oktober 1580 nach bestandenem Examen das Pädagogium immerhin mit einer gediegenen humanistischen Ausbildung, welche sich zum Beispiel in seiner individuell gut ausgeprägten schönen Handschrift in seinen Bittbriefen an die kurpfälzische Regierung in Amberg niederschlägt. Mintzel war ohne Zweifel ein schreibgewandter Mann.

[Abbildung: Beispiele seiner Bittbriefe]

Die Berufsgruppe der Schulmeister: Ausbildung und Arbeitsverhältnisse

Die Ausbildung im calvinischen Pädagogium befähigte Mintzel zur Ausübung des Amtes eines lateinischen Schulmeisteramtes, zu unterscheiden von dem eines deutschen (Frieb 2006, 187). Deutsche Schulmeister übten ihr Amt im städtischen/örtlichen Dienst aus, lateinische in der Regel im kurfürstlichen Dienst.

„In den großen Städten bestanden lateinische und deutsche Schulen nebeneinander. In kleineren Städten und in Märkten waren lateinisch-deutsche Zwergschulen die übliche Schulform. Auf dem Lande gab es – sofern überhaupt – Dorf- oder Mesnerschulen, daneben wurden in Einzelfällen sogenannte Maidlinschulen unterhalten, also Schulen (auch?) für Mädchen, die überdies mitunter von Frauen betrieben wurden“ (Frieb 2006, 98). In Speinshart handelte es sich wegen der geringen Schülerzahl wohl um eine lateinisch-deutsche Zwergschule.

Für deutsche Schulmeister gab es keine Ausbildungsvorschriften und Regeln. Den Schuldienst deutscher Schulmeister verrichteten Personen mit ganz unterschiedlichen Berufen und Fähigkeiten oftmals nebenberuflich, zum Beispiel Mesner, Stadt-, Markt- und Gerichtsschreiber. Um deren Lese- und Schreibfähigkeit war es oft nicht zum Besten bestellt (Frieb 2006, 95, 98, 128 161). Sie mussten keine Lateinkenntnisse haben. Sie wurden von örtlichen Amtsträgern nach Gutdünken in Dienst genommen und besoldet. Je nach örtlicher Rechtslage kamen dafür grundsätzlich verschiedene Stellen in Frage – Geistliche, Pfleger Kirchpröpste, Klosterverwalter, Junker und andere. Bisweilen stellten auch Kantoren ihrerseits gelegentlich in eigener Verantwortung und auf eigenen Kosten Stellvertreter ein (Frieb 2006, 128).

Die Stelle eines Schulmeisters, insbesondere die eines lateinischen, war keine berufliche Sackgasse, keine berufliche Endstation, sondern häufig eine Durchgangs- und Aufstiegsposition. Der Wechsel aus anderen Berufen in eine Schulmeisterstelle und von einer Schulmeisterstelle in höhere kirchliche Berufe war nicht nur möglich, sondern üblich. „Kantoren (bewarben) sich gerne um die Stelle eines Schulmeisters, Schulmeister wiederum um eine Anstellung als Kirchendiener. Es war also eine übliche Laufbahn, sich über Kantoren- und Schulmeisterdienste zu einer Kaplan- oder Pfarrstelle emporzuarbeiten.“ (Frieb 2006, 77 Anm.123). Mintzel hätte sich folglich auch um eine Pfarrstelle bewerben können, scheint aber gern auf seiner Stelle in Speinshart geblieben zu sein. Er hatte sie immerhin gut dreißig Jahre inne, von Ende 1580 bis in das Jahr 1611 hinein.

Die diversen Einkünfte der Schulmeister konnten aus Geld, Naturalien und Nutzungsrechten, aus festgelegten Entlohnungen für einzelne Verrichtungen, mitunter aus freier Herberge oder aus bestimmten Mahlzeiten im Pfarrhaus oder aus dem Recht auf Durchführung von Sammlungen bestehen. Im Ganzen ist davon auszugehen, dass die Bezahlung der Schulmeister nicht eben großzügig bemessen war und auch die Arbeitsbedingungen zu wünschen übrigließen. So erklärt sich zum einen die wiederholten Gesuche um Aufstockung des Einkommens, zum anderen die relativ hohe Fluktuationsrate in dieser Berufsgruppe. Für das letztgenannte Phänomen sorgte übrigens auch die Tatsache, dass Schulmeisterstellen für Studierte vielfach lediglich eine Durchgangsstation auf dem Weg ins Pfarramt darstellten. (Frieb 2006, 129) Die Berufskarriere Johann Christoph Mintzels, eines Sohnes von Johann Mintzel, war typisch für eine Durchgangsstation: Er wurde nach seinem Studium der Theologie in Leipzig und Frankfurt/Oder im Jahr 1620 zunächst Schulmeister in Freystadt in der Oberen Pfalz, dann, im Jahre 1622, evangelisch-reformierter Pfarrer in Hausheim. Diese Stelle hatte er bis zu seiner Amtsenthebung 1625 inne (siehe zu den Einkommensverhältnissen Frieb 2006 S. 105).

Johann Mintzels Petitionen um „Additionen“ an die kurfürstliche Verwaltung in Amberg waren keine Einzelfälle, sondern für die schlechtbezahlte Berufsgruppe der Schulmeister allgemein typische und übliche Gesuche, um eine Verbesserung ihres Einkommens zu erreichen. In seinen eigenhändig geschriebenen Petitionsbriefen begründet Mintzel ausführlich, warum er sich genötigt sieht, „Additionen“ zu erbitten. Er schildert seine Einkommens- und Lebensverhältnisse im Detail: Sein jährliches Gehalt betrug vierzig Gulden. Dazu kam ein festgelegtes Quantum gewährter Naturalien in Form von Weizen, Hafer und Gerste. Für die Ernährung seiner kinderreichen Familie reichte das nur knapp aus. Heute würde man sagen, er und seine Familie lebten vermutlich an der Armutsgrenze. Was Mintzel dennoch hoch einschätzte, war sein freies Wohnen im Speinsharter Schulmeisterhaus. Es lag gegenüber dem Klostergebäude.

[Abbildung: Ansicht mit dem Schulmeisterhaus]

Mehrfachpflichten und Kompetenzen von Schulmeistern

Schulmeistern oblagen weitere Aufgaben. Das galt auch für lateinische Schulmeister. Ihre amtlichen Funktionen waren vielfältig, wenngleich uneinheitlich geregelt. So wurde das Amt in Personalunion mit dem des Glöckners ausgeübt. Sie waren häufig zugleich Mesner, unterstützen bei Bedarf den Pfarrer bei Amtshandlungen, leiteten den Kirchenchor, besuchten Kranke, waren zugleich Amts- und Gerichtsschreiber und anderes mehr. Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass Mintzel in den ersten Jahren nach seinem Amtsantritt nicht als Glöckner tätig war. In Speinshart übte in dieser Zeit noch ein alter, blinder Glöckner dieses Amt aus (Frieb 2006,128,218, 388). Die Handlungsspielräume und Entscheidungsbefugnisse der Amtsinhaber waren im Einzelnen keineswegs klar definiert und abgegrenzt. Der moderne Verwaltungsstaat war erst im Entstehen.  Es gab damals keinen Vorbereitungsdienst, in dem angehende Pädagogen unter Anleitung erfahrener Kräfte praktische Erfahrungen hätten erwerben können. In dieser relativ lockeren Arbeitssituation kam es unter den Amtsträgern leicht zu Kompetenzstreitigkeiten. (Frieb 2006, 263, 271, 276, 295, 326ff).

Amtsführung und Lebensführung Johann Mintzels im Spiegel amtlicher Dokumente

Kaum hatte Johann Mintzel gegen Ende des Jahres 1580 sein Amt als Schulmeister angetreten, stand dem Stift Speinshart eine Visitation des Amberger Kirchenrates bevor. Am 6. Oktober 1582 überprüften und beurteilten die Kirchenräte, die von der Residenzstadt Amberg gekommen waren, die Amtsführung auch des Speinsharter Schulmeisters.

Der Schulmeister und seine Amtsführung unterstanden damals üblicherweise der Kirchenaufsicht, also unter der Kontrolle des zuständigen Pfarrers bzw. des Predigers. Zur Amtszeit Mintzels, von 1580 bis 1611, gab es im Amt des Pfarrers zu Speinshart mindestens vier Mal einen Wechsel: 1591, 1595, 1597 und 1602. Man muss in den Pfarrern seine direkten Vorgesetzten sehen. Es waren diese vier: Magister Georg Schönweiß (1577-1591), Magister Konrad Limmer (1591-1595), Magister Johann Müller (1597-1600) und zuletzt Johann Lucas I. von 1602 bis 1611 (nach Weigel/Wopper/Ammon 1967, 219). Das amtliche und private Verhältnis zwischen dem lateinischen Schulmeister und den amtierenden Pfarrern scheint mitunter ein gespanntes gewesen zu sein.

Der Protokollant der Kirchenvisitation vom 6. Oktober 1582.hielt Folgendes fest (übersetzt in unsere gegenwärtige Sprache):

„Der Schulmeister ist derzeit Johann Mintzel aus Amberg. Die ehrwürdigen Herren Kirchenräte haben an seiner Amtsführung bemängelt, dass er zeitweise säumig und abwesend [ausßläuferisch] sei. Er sei ohne Wissen [oder Kenntnis] des Pfarrers unterwegs. Er habe sich aber nach einer Abmahnung ein wenig gebessert. Die Kirchenräte hoffen, dass er künftig mit Fleiß sein Amt versehen werde. Er ist angehalten worden, fleißig zu sein, sonst fiele er in Ungunst. Mintzel unterrichtet etwa sieben Schüler, im Winter seien es mehr. Dazu kommen zwei oder drei Mädchen. Er lehrt sie den Katechismus in Deutsch und Lateinisch, bringt ihnen Schreiben und Lesen bei und übt und dekliniert mit ihnen [mit dem Katechismus} Grammatik. Mintzel soll den Chor leiten, sei aber sehr unachtsam im Gesang.

Der Pfarrer [des Stiftes] visitiert die Schulen, was der Schulmeister nicht dulden soll. Er [Mintzel] hat gesagt, der [Pfarrer] unterstehe sich mehr als ihm befohlen worden sei. Der Pfarrer überschreite seine Kompetenzen. Ansonsten sei er [Mintzel] mit der Wohnung zufrieden und bereit, so viel es ihm möglich sei, mit seinem Fleiß das Versäumte nachzuholen“(Oberpfälzer Religions- und Reformationswesen 52, fol.206; Mintzel 2011, I. 26ff; Frieb 2006, 108f, 213, 222).

Aus dem oben zitierten Visitationsprotokoll geht klar hervor, dass Mintzel nur wenige Schüler aus dem dörflichen Speinshart und den umliegenden Dörfern zu unterrichten hatte. In den Pfarreien waren die Schulverhältnisse extrem unterschiedlich. In großen  städtischen Pfarreien bewegten sich die Schülerzahlen zwischen 60 und 100, an kleineren Orten zwischen 40 und 50, an dörflichen Orten wie Speinshart etwa zwischen 10 und 20. Die Zahlen variieren vor allem auf dem Lande saisonal stark. Viele Kinder blieben in der Erntezeit der Schule fern, sie mussten bei der Ernte helfen (Frieb 2006, 138f, 179, 220, 258). Im Falle Speinsharts handelte es sich also faktisch um eine Art lateinisch-deutscher Zwergschule. Der lateinische Schulmeister Mintzel, so könnte man sagen, war in seinem Amt nicht ganz ausgelastet und unterfordert.

Auch sein Pflichtunterricht für Erwachsene im Katechismus war höchstwahrscheinlich wenig besucht. Viele Erwachsene drückten sich davor. Das Interesse an Glaubensfragen war unter der Landbevölkerung nicht wirklich ausgeprägt (Frieb 2006, 271, 245). Mintzel stieß auf einen breiten Unwillen rings um Speinshart, sich mit religiös-konfessionellen Lehrfragen zu befassen und an der Religionslehre zu beteiligen. Vielerorts wurde über einen schleppenden und geringen Kirchgang geklagt. Die Kirchganghäufigkeit hing natürlich von der Jahreszeit ab, von der Witterung, von der Entfernung zwischen Wohnort und Kirche, aber auch von der Person des Pfarrers. Die Wege zur Kirche waren zum Teil schwer begehbar. Entsprechend schwankend war der Wille der Eltern, ihre Kinder in die Schule und in die kirchliche Kinderlehre zu schicken. Es gab noch keine ausgeprägte allgemeine Schulpflicht. In dieser Situation allgemeiner religiöser Widerstände und Verwahrlosung konnte es leicht zu Zwistigkeiten zwischen Pfarrern und Schulmeistern in der Einschätzung des Notwendigen oder Möglichen kommen.  Mintzels Widerwillen gegen die von ihm für übergriffig gehaltenen Einmischungen des in Speinshart schon seit 1577 tätigen Pfarrers Georg Schönweiß, dem die Kirchenaufsicht über das Schulwesen oblag, rührte wohl von Differenzen in der Einschätzung her. Der Neuankömmling und Amtsanfänger Mintzel versuchte anscheinend seine Kompetenzen abzustecken und geriet darüber mit Schönweiß in Streit. Mit den Jahren dürften sich beide jedoch arrangiert haben.

Bei späteren Visitationen des Stiftes Speinshart (1597, 1598, 1602) wurde bemängelt:

Zu Speinshart werden die Bettage nicht fleißig („ohnvleissig“) besucht. Es seien deshalb Erkundigungen einzuziehen, ob Verbesserungen eintreten oder nicht. Wiederum werde dort das Abendmahl „fahrlässig gebraucht“, und die Kinder werden nicht fleißig zur Kinderlehre geschickt. Ob dieser Mangel korrigiert werde, sei zu erkunden. Der Schulmeister [Mintzel] sei nicht fleißig („ohnvleissig“), trinkt gern und sei zänkisch (? schwer lesbar) mit den Nachbarn zu [Tremmers] …dorf. (unleserlich). (Oberpfälzer Religions- und Reformationswesen 2, fol.396v)

Mintzel hatte vermutlich Ärger mit Eltern aus benachbarten Dörfern gehabt, weil sie ihre Kinder nicht zur Schule und zur Kinderlehre schickten. Als Schulmeister war er verpflichtet, Eltern dazu anzuhalten und zu ermahnen. Er hatte sicher mit vielen Widrigkeiten zu kämpfen.

Exzessives Biertrinken und Trunksucht

Damals war exzessives Biertrinken allgemein üblich, erst recht nach heutigen Maßstäben. Trunksucht war in allen Ständen und Kreisen verbreitet. In den Protokollen der Kirchenvisitationen wird oftmals auf den großen Bierkonsum hingewiesen. Das galt im Grunde für alle Berufsgruppen im Dienste der Kirche. Der protokollarische Vermerk, „er trinkt gern“, muss aber nicht zwingend als ein Hinweis auf exzessives Trinken verstanden werden. Jedenfalls scheinen Trunksucht und anstößiger Lebenswandel auch unter Geistlichen und anderen Kirchendienern verbreitet gewesen sein. Ich zitiere aus neueren und neuesten Forschungsberichten:

„Neben einigen positiven Äußerungen zum Lebenswandel der Geistlichen war von den Lastern dieser Personengruppe  [in Visitationsprotokollen] vergleichsweise häufig die Rede: Sei es, dass der Hausstand eines Pfarrers Anstoß erregte, sei es, dass ein Pfarrer, obwohl er nicht viel vertrug, trank und daraufhin unangemessene Reden führte und sich liederlichen Dingen zuwandte, dass ein anderer zwar gern trank und spielte, ohne dass das jedoch bei ihm auch nur die mindeste Streitsucht hervorrufen würde oder dass der Zank mit der Ehefrau oder mit dem Nachbarn allzu sehr in der Luft lag“ (Frieb 2006, 279).

„Solange ein Pfarrer dabei innerhalb seiner eigenen vier Wände blieb, war man geneigt, sein Verhalten zu dulden; als sehr viel gravierender hingegen wurde es erachtet, wenn er sich in der Öffentlichkeit, also bei Tauf- und Hochzeitsfeierlichkeiten oder im Wirtshaus, betrank“ (Frieb 2006, 219).

Interessant ist ein Visitationsbericht über das Verhalten des Speinsharter Pfarrers Schönweiß und seines Tremmersdorfer Amtsbruder. Der Bericht gibt uns zugleich einen unmittelbaren Einblick in die Alltagswelt Mintzels, der ja mit beiden verkehrte. Im Protokoll „wurde ausdrücklich vermerkt, dass man den Pfarrer von Speinshart nota bene nur dann im Wirtshaus antreffe, wenn sich dort auch ein anderer Pfarrer aufhielt. In ähnlicher Weise pflegte sein Kollege aus Tremmersdorf die Wirtschaft nur dann aufzusuchen, wenn er von Nachbarn dazu eingeladen wurde“ (Frieb 2006, 219; Oberpfälzer Religions- und Reformationswesen, Bd. 52, fol.205 – 207 [Speinshart] und fol. 208 – 209 [Tremmersdorf]).

Es gab unter dem strengen Kirchenregiment eine gegenseitige Kontrolle bis tief in das Privatleben hinein, zumal in einer so kleinen Dorfgemeinschaft wie Speinshart, die vermutlich weniger als 200 Seelen zählte. Jeder kannte jeden. Es gab keine Anonymität.

Lebenswirklichkeit, Orthodoxie und unerwünschte Sitten und Gebräuche

Mintzel lebte, wie viele Berichte drastisch zeigen, in keiner „heilen Welt“ mit lauter frommen Bürgern. Ganz im Gegenteil, seine Erlebniswelt war voll praller „Sündhaftigkeit“ und Widerborstigkeit gegen die obrigkeitlichen Vorschriften, gegen die von der Obrigkeit erwartete und geforderte Glaubenspraxis und vor allem gegen das Kirchenregiment. Er selbst nahm vermutlich an mancher unerwünschten Tätigkeit und Belustigung teil. Viele Berichte aus damaliger Zeit, vor allem kirchliche Visitationsberichte, vermitteln ein derbes Treiben der Untertanen. Die landeshistorische Forschung trägt dazu eine Fülle von Beispielen bei, die uns in Mintzels Lebenswirklichkeit und Alltag zurückversetzen:

„Obwohl Volksbelustigungen wie Kirchweihfeiern, Tanzveranstaltungen und Fastnachttreiben zu calvinischer Zeit offiziell unterbunden worden waren, und auch unter Ludwig VI. nicht gerne gesehen waren, bestanden sie weiter. Zu den Faschingsbräuchen zählten auch damals schon das Verkleiden, das Ringelstechen, das Stürmen des Rathauses, das Backen von Kucheln, das Pflugziehen oder das Verbrennen von Strohpuppen (…) Allen Verboten zum Trotz zogen um Weihnachten und Neujahr in weiten Teilen des Landes die Neujahrssinger oder Göllner mit einer Glocke und einem Stern durch die Gemeinden“ (Frieb 2006, 98).

„Weitverbreitete Übel scheinen vorehelicher Geschlechtsverkehr und Leichtfertigkeit in der Ehemoral gewesen zu sein: So wurde von einem Fall eines unehelichen Kindes mit unbekanntem Vater berichtet, ferner von einer kürzlich erfolgten Taufe zweier Hurenkinder und einer unrechtmäßig geschlossenen, da zuvor nicht verkündeten Ehe. Ebenfalls namentlich benannt wurden Personen, die sich Verstößen wie Unzucht, Misshandlung der Ehefrau, Streitsucht Trunksucht, Verschwendung oder Wucher schuldig gemacht hatten oder auch durch Gotteslästerung oder langes Fernbleiben von der Kirche aufgefallen waren“ (Frieb 2006, 166).

„Eher weltlicher Natur waren die folgenden verbreiteten Übel: Ungehorsam, Widerspenstigkeit und Leichtfertigkeit, Streitsucht, Fluchen du Schelten, ungezogenes und schändliches reden, Spielen und Völlerei, Trunksucht und ausgiebiger Wirtshausbesuch sowie insbesondere das ungehörige nächtliche Treiben auf Straßen und in Gassen (…) Massiv angeprangert wurde ferner die Unzucht in all ihren Spielarten – wie allgemeine Geringschätzung der Ehe, Zusammenleben vor der Eheschließung, vorehelicher oder unehelicher Geschlechtsverkehr und Ehebruch“ (Frieb 2006 180f, vergleiche hierzu auch 259, 272).

„Negativ ins Auge fielen den Vorgesetzten neben religiöser Nachlässigkeit das Aufsuchen von Tanzveranstaltungen und das Betreiben von Spielen auch und grade zur Zeit der Kinderlehre sowie die Unbeständigkeit und der Eigensinn speziell des Gesindes. Des Öfteren kamen darüber hinaus Fälle von Untreue und Ehebruch vor“ (Frieb 2006, 238).

„Fluchen und gotteslästerliche Reden scheinen ebenso wie mangelnder Respekt vor der Geistlichkeit sehr verbreitet gewesen zu sein“ (Frieb 2006, 235). Alles in Allem kommen uns diese Berichte und Klagen doch sehr modern vor.

In der sittlichen Lebensführung und in den Auswüchsen scheint es ein gewisses Stadt-Land-Gefälle gegeben zu haben (Frieb 2006, 195). Jedenfalls lassen Visitationsberichte darauf schließen.

Amberger Verhältnisse

Die Amberger Herkunft Mintzels und seine Ausbildung am Pädagogium machen die Schilderungen Amberger Verhältnisse besonders interessant.

„Unzucht, Leichtfertigkeit in verschiedenen Situationen – wie etwa beim Baden in der Vils oder bei Bauernhochzeiten – waren zum Leidwesen der geistlichen und weltlichen Obrigkeit ebenso gemein wie zu frühes Zusammenbetten von Paaren oder gar das Schwängern vor der Hochzeit. Und auch bei schlechten Ehen oder Misshandlungen von Frauen, die daraufhin zum Teil ihre Männer verließen, handelte es sich um keine Einzelfälle. Kinder, die ihr sträfliches Verhalten freilich von ihren Eltern übernommen haben mochten, benahmen sich böse und ungehorsam gegen Vorgesetzte, Söhne hielten ihre Eltern schlecht und behandelten diese mit Beschimpfungen und Schlägen; Eltern schickten umgekehrt ihre Kinder auf die Straße, um zu betteln – womöglich um das durch Trinkgelege verlorene Geld zu ersetzen. Auch war die Stadt offenbar nicht arm an streitsüchtigen Frauen, an Müßiggängern und Bettlern, an Mutwilligen und Unflätigen, unter denen der Anteil fremder Handwerksgesellen besonders hoch gewesen sein soll. Männer hielten sich, bevorzugt bei Nacht und zur Marktzeit, längere Zeit und unter Geschrei in den Wirtshäusern auf, während ihre Familien zuhause womöglich darben mussten. Schändliches Reden, Schreien und Schelten waren ebenso verbreitet wie Schwören, Fluchen und Gotteslästerung. Als Beleg für die sittliche Verfasstheit der Stadtbevölkerung wurde angeführt, dass bereits im laufenden Jahr etliche uneheliche Kinder zur Welt gebracht worden seien. Die diversen Amtsträger sprachen immer wieder davon, dass es in der Stadt Personen gebe, die mit Zauberei, Magie und allerlei sonderbaren Künsten Umgang hätten“ (Frieb 2006, 195f). Lesen wir solche und ähnliche Berichte nicht jeden Tag in der Heimatpresse?

Kein Wunder also, dass die Zöglinge des kurfürstlichen Pädagogiums, die später vorbildhaft die calvinische oder lutherische Lehre festigen und verbreiten sollten, im Internat unter strenger Kontrolle gestanden hatten und Tag und Nacht zu eiserner Disziplin und Gehorsam angehalten worden waren. Ob diese Abschirmung vor der sündigen Außenwelt wirklich hermetisch dicht gewesen war, darf bezweifelt werden. Der Preis ihrer vollen Rundumversorgung war in der Anstalt der einer asketischen Ausbildung und Lebensführung gewesen. In die „Welt draußen“ entlassen mussten sich die ehemaligen Zöglinge rasch zurechtfinden und gerieten selbst leicht in prekäre Situationen.

In Ansehung seiner fleißigen Amtsführung

Schulmeister Mintzel, über den berichtet wurde, er tränke gern, scheint in der Öffentlichkeit nicht sonderlich auffällig geworden zu sein. Vielleicht war er, wenn er sich, ohne sich abzumelden, „außläuferisch“ von Speinshart entfernt hatte, anderenorts in eine Wirtschaft oder auch nur in der schönen Umgebung spazieren gegangen. Ein Trunkenbold scheint er jedoch nicht gewesen zu sein. Das wäre der Obrigkeit sicher zu Ohren gekommen. Seine späteren Bittschriften mit Gesuchen um „Additionen“ wurden in den Jahren 1591, 1606, 1607, 1608, 1609 und 1610 von der Obrigkeit mit Ausnahme der ersten von 1591 jedes Mal positiv beschieden. In den Begründungen wurde wiederholt ausdrücklich auf Mintzels gute Amtsführung und Fleiß hingewiesen. Die Bewilligung eines Zuschusses für das Jahr 1606 wurde zum Beispiel am 15. August 1606 mit der Bemerkung begründet:

„…um seines uns berümbten Fleißes auch an die 20 Jahr geleister diensts willen…“

Und 1609 wird Mintzels Bittgesuch um eine Addition mit den Worten beschieden:

„…haben wir in ansehung seiner langwierigen [langwährenden – A.M.] Diensten und geclagten dürfftigkeit gnädig bewilligt…“

Mintzels Gesuche und die amtlichen Stellungnahmen und Verfügungen weisen ihn ohne Zweifel als einen gut beleumundeten und seinen dienstlichen Pflichten genügenden kleinen Staatsbeamten aus. Seine Lebens- und Amtsführung gaben keinen Anlass, ihm Extrazuschüsse in Form von wenigen Gulden und Naturalien zu verweigern.

Speinshart war von Anfang an eine Ortschaft mit nur wenigen Insassen. Es behielt seinen idyllischen, architektonisch in sich abgeschlossenen Charakter über viele Jahrhunderte bis in unsere Gegenwart hinein.

[Abbildung: Postkartenansicht der 1960er Jahre]

Über lange Zeit zählte es wohl höchstens 200 bis 300 Seelen. Heute leben dort knapp über 1000 Personen. Ich habe einen „nobody“ der langen Stifts- und Ortsgeschichte aus dem Dunkel der Vergangenheit hervorgeholt, meinen direkten Vorfahren Johann Mintzel. Er, der Pfarrer, der Richter, der Gerichtsschreiber und wenige andere Personen hatten am Ort zu den gebildeten Honoratioren gehört. Sie waren die studierten Herren, die lesen und schreiben konnten und die Sprache der Gelehrten, das Lateinische, leidlich beherrschten. Ihren schriftlichen Hinterlassenschaften verdanke ich tiefe Einblicke in die Lebens- und Erlebniswelt vergangener Zeiten. Ich schreibe gegen das Vergessen und vergessen zu werden an. Alles ist Windhauch. „Eine Generation kommt und eine Generation geht (…) Da gibt es keine Erinnerung an die Früheren. Und an die Künftigen, die sein werden, auch an sie wird man sich nicht mehr erinnern, bei denen die später sein werden.“

 

Literatur (Auswahl): Denk, Julius: Zwei ehemalige Lehr- u. Erziehungsanstalten Ambergs, Amberg 1904; Katharina Frieb, 2006, Kirchenvisitation und Kommunikation. Die Akten zu den Visitationen in der Kuroberpfalz unter Ludwig VI. (1576-1583) Verlag C.H. Beck. Maximilian Weigel, 1967: Ambergisches Pfarrerbuch, Kallmünz.

Krebs, F.: Das deutsche Schulwesen Ambergs von den Anfängen im 15. Jahrhundert bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts. Amberg 1931; Hartig, M.: Kloster Speinshart. Kleine Kunstführer. München: Schnell 1951; Motyka, Gustav,1972: Das Kloster Speinshart, Weiden 1972; Götz, J. B.: Die religiösen Wirren in der Oberpfalz 1576-1620; Ammon, Hans: Beiträge zu einem Schulmeisterlexicon Oberpfalz. Neuausgabe, bearbeitet von Georg Paul. Familienkundliche Beiträge Nr. 39, 2006; Scherl, Josef,1940: Die Grundherrschaft des Klosters Speinshart, Neudruck; Weigel, Maximilian: Beiträge zu einer Geschichte des kurfürstlichen Pädagogiums in Amberg, 1939;

Archivalien: Staatsarchiv Amberg, Oberpfälzer Religions- und Reformationswesen 2 (folio 396v), 52(folio 205-207, 208-209), 55,922,923 Ambergische Kirchenratsprotokolle 1577-1581;

Meine bisherigen Forschungsergebnisse und Quellenbelege habe ich zusammengefasst in:

Alf Mintzel: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie: Die Buchdruckerei Mintzel und ihr Zeitungsverlag. Ein Familienunternehmen in fünf Jahrhunderte, Bd. I: Vom Dreißigjährigen Krieg bis 1800, XXII, 693 Seiten; Bd. II: Von 1800 bis zur Gegenwart, XXV, 895 Seiten. Duncker & Humblot: Berlin, 2011.