3. Ein einzigartiger Fund und seine merkwürdige Geschichte

 „Deliae Hasenjagt“, 1625, im Weltkatalog  

Es gibt einzigartige Dinge und Ereignisse, Merkwürdigkeiten also, die buchstäblich dokumentiert und erzählt werden wollen. So ein Ding ist ein Druckwerk aus dem Jahr 1625, das laut Weltkatalog (WorldCat) rund um den Globus nur noch einmal existiert und in einer einzigen öffentlichen Bibliothek aufbewahrt wird. Aber in welcher und wo? Der Standort wird nicht genannt. Es handelt sich um eine Schrift, so viel geht aus dem Eintrag im Weltkatalog zweifelsfrei hervor, die zu Ehren der Brautleute Johann Albrecht Mintzel und Maria, geborene Hase, gedruckt worden ist. Das Brautpaar wurde 1625 in Leipzig getraut. Und noch eine Tatsache verrät die im Eintrag stark gekürzte barocke Titelei: Sie ist von der „löblichen, damals in der Grossianischen Druckerei in Arbeit stehenden Gesellschaft“ zu Leipzig verfasst und vermutlich auch gedruckt worden. Es handelt sich also, so könnte man glauben, um eine Art Festschrift der gesamten Belegschaft der Verlagsdruckerei Große zu Ehren des Brautpaares. Doch was ist ihr Inhalt? Es trägt den rätselhaften Haupttitel: „Deliae Hasenjagt.“ Der Katalog gibt nichts Näheres preis. Die Anspielung ist allerdings leicht zu erraten. Die Braut ist gemeint, die aus einer Leipziger Familie namens Hase stammt. Delia, die Göttin der Jagd, jagt Hasen. Welche Geschichte mag sich hinter dieser Anspielung verbergen? Der bibliografische Eintrag im Weltkatalog, auf den ich im Jahr 2011 ganz zufällig beim Surfen im Internet stoße, versetzt mich in Spannung. Wie komme ich an das Druckwerk heran? Was kann ich, sollte ich es finden, daraus entnehmen? Werde ich seinen Inhalt entschlüsseln können?

Der Leipziger Bürger und Buchdrucker Johann Albrecht Mintzel (1600-1653) und seine Ehefrau Maria (1602-1679) sind in direkter Linie meine Vorfahren. Ich kenne ihre Lebensgeschichten bis in viele Einzelheiten hinein und weiß, dass sie in Leipzig am Sonntag, dem 12. Juni 1625 Hochzeit gefeiert haben. Doch was hat die Hasenjagd der Delia für eine besondere Bewandtnis? Meine Recherche beginnt.

Der nächste Schritt führt mich in die Universitätsbibliothek Passau. Ich lasse über den Leihverkehr nach dem Druckwerk suchen. Wie und wo ist es aufzufinden? Selbst die professionellen Bibliothekarinnen kommen ihm schwer auf die Spur. Nach wochenlangen Recherchen werden sie fündig. Die Überraschung ist groß: Das einzige noch existierende Exemplar wird in der British Library London aufbewahrt. Wie war es einstmals von Leipzig dorthin gelangt? Sieben Wochen nach meiner Bestellung im Fernleihverkehr trifft das Digitalisat aus London ein. 386 Jahre nach dem gefeierten Ereignis kommt der Druck wieder zum Vorschein.

Das Druckwerk

Das Druckwerk hat Quartformat und umfasst insgesamt zwölf nicht nummerierte Seiten: das Titelblatt, eine Leerseite und zehn in Fraktur gesetzte Textseiten. Ich sehe sofort, dass es sich nicht, wie ich vermutet hatte, um eine historische Beschreibung der Hochzeit handelt, sondern um ein Gedicht mit 290 Verszeilen, das die Belegschaft der renommierten Leipziger Verlagsdruckerei Grosse im Juni 1625 verfasst und wohl „heimlich“ gedruckt hat. Darin schildern die Druckergenossen Johann Albrecht Mintzels, der am 2. Mai 1625 die Grossesche Verlagsdruckerei gepachtet hatte, in Anlehnung an Bilder der griechisch-römischen Mythologie zwei Liebesdramen. Literaturhistorisch besehen zählt dieser Text zur Gattung der Gelegenheitsgedichte. Im 17. Jahrhundert war es in adeligen und vornehmen bürgerlichen Kreisen üblich, in Anknüpfung an antike Muster und Traditionen aus lebens- und berufsgeschichtlich wichtigen Anlässen Gedichte zu verfassen, so bei Todesfällen, Hochzeiten, Taufen, Bestallungen, öffentlichen Ehrungen, dynastisch-politischen Huldigungen und anderen Ereignissen. In akademischen bürgerlichen Kreisen wurden Gelegenheitsgedichte vielfach in deutscher Sprache verfasst. Auch in Buchdruckerkreisen, die sich als „gebildetes Handwerk“ verstanden, wurde diese Tradition gepflegt, und auch Johann Abrecht Mintzel trat mit zahlreichen Gelegenheitsgedichten hervor (Alf Mintzel, 2011, Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Band I, S.210-225).

Das Hochzeitsgedicht ist im damals beliebten Versmaß des Alexandriners verfasst. Verszeilen mit zwölf Silben wechseln mit dreizehnsilbigen Zeilen ab. Neben der literaturhistorischen Einordnung und poetologischen Analyse interessieren mich in diesem Fall besonders der reale Kern und der konkrete soziale Kontext, die in der mythologischen Verpackung verborgen sein könnten. Welche Tatsachen und Zusammenhänge haben die Verfasser in ihrem Hochzeitsgedicht angesprochen? Ich begebe mich auf die analytische Dekodierung des Inhalts und stelle dazu zunächst den gedruckten Originaltext in transkribierter Form vor.

In den Buchwissenschaften sind kritische Stimmen verstummt, die meinten, es bedürfe keiner Transkription alter Druckwerke.[1] Angesichts der Tatsache, dass heutzutage die wenigsten Leser in Fraktur gedruckte Schriften noch lesen können und nachwachsenden Generationen dieser Schrifttypus völlig fremd sein wird, scheint es mir unbedingt notwendig, den alten Text zu transkribieren und seine sprachlichen Eigenart verständlich zu machen. Deshalb sei zunächst der Text des Hochzeitsgedichtes in einem jedermann geläufigen modernen Schrifttypus wiedergegeben und mit kurzen Erläuterungen versehen. Er dient im Anschluss daran der inhaltlichen Interpretation.

Originaltext und Transkription

DELIAE Hasenjagt.

Dem Erbarn / Wolgeachten vnd Kunstreichen
Herrn

JOHANNI – ALBERTO
MINZELIO, Bürgern vnd Buchdru=
ckern in Leiptzig /

Als er mit der
Erbarn vnd Vieltugendreichen Frawen
MARIA,

Des Ersamen Andreæ Hasens / Bürgers vnd
Meurers daselbst Eheleiblichen Tochter. Zuvor aber des
Ersamen Michael Weidlichs auch weyland Bürgers vnd
Meurers hinderlassenen Wittib

Den 12. Junij Anno 1625. seinen hochzeitlichen
Ehrentag begieng /

Zu sonderlichen Ehren vnd gefallen beschrieben

Von

Der löblichen / damals in der Grossianischen Druckerey
In Arbeit stehenden / Gesellschaft.

[Leiste]

Geschehen im Jahr M. DC. XXV.

1 HImmlische Delia, Göttin der Jagt vnd Wälde /
2 Gros ist dein Lob vnd Ruhm (dir zu Ehrn ich solchs melde)
3 Deiner Fürsichtigkeit / Geschwindigkeit vnd Rencken /
4 Vnd daß so wunderlich / vbr alles vnser dencken
5 Du dein Weidwerk anstellst / wie du bald diesen Jäger
6 Bald jenem ein Häßlein wirffst in sein Garn vnd Läger:
7 Für Augen wir solchs sehn / ob wir gleich nicht rumb kriechen
8 Uff deinem Forst / vnd suchn / wo deine Wildbahn ligen /
9 Sieh da ein schnell Häßlein ligt jetzt in vnserm Garrn /
10 Vnd wartet deiner Hülff / thut auch deins Segens harrn;
11 Das ist das fein Häßlein / mit Tugend wol gezieret /
12 Welchs du / O Delia, vor kurtzer zeit geführet
13 Auff eine hohe Wart / daß sichs mit Lust vnd Frewden
14 Vntr einem grünen Pusch in Blumn vnd Graß solt weiden /
15             Wie gieng dirs aber da / mit dem zart schönen Häßlein?
16 Zu sagen mirs vergönn / Als es die grünen Gräßlein
17 Mit lust abfraß vnd sprang / theten sich alsbald finden
18 Zween hurtige Jäger mit jhrem Spiel und Winden[2] /
19 Erblickten das Häßlein / vnd gegen es entbrandten /
20 In sehr brünstiger Lieb / daß sie alln fleiß anwandten:
21 Setzten jhr Hörnlein an / machten los jhre Winden /
22 Ein jeder wolt voran / den andern zu vberwinden.
23             Abr einer vnter denn ein Weidelicher Jäger
24 Nam die schantz wol in acht / schlug vorn an sein Läger
25 Vnd weil er war geübt mit steigen in den Lüfften /
26 Schwang er in grosser eil sich mit beweglichen Hüfften
27 Vffn hohen Forst vnd Felß / da das Häßlein sich weidet /
28 Macht sich fertig zur Jagt / sein Wind vnd Spiel bereitet /

 

29 Ehe aber hetzt / thet er vor veneriren[3]
30 Die Göttin Deliam mit warhaftgn voviren[4]:
31 Er wolte jhr zu Ehren / wenn sie geb gutes Glücke
32 Zu seiner Jagt / auffbawn ein Tempel / ein schön Stücke.
33             Drauff ließ er seine Wind mit guter Hoffnung springen /
34 Sein Hörnlein in den Wald ließ er gar süß erklingen;
35 Vnd weil das Häßlein sich vnterm Gestriep verstecket /
36 Löst er seine Spürhund / daß er darmit erwecket
37 Ein hell gebell / dardurch er das Häßlein fürbrechte /
38 Vnd auff ein freyen Plan seinn Winden stellen möchte.
39             Die Sach gieng glücklich fort, gar nicht weit man marchiret,
40 Ein Hündlein mit seim Gruch / das fein Häßlein außspüret /
41 Welchs da es sahe jetzt / daß es auff allen seiten
42 In Gfahr war / stund es auff / sich zu salvirn bey zeiten /
43 Schlug bald auff sein Panier / floh wie ein Wind in eyle /
44 Der Jäger abr hernach mit seinen Spiel wie Pfeile /
45 Vbrfiel das Häselein / thets mit seinn Windn vmbringen /
46 Da es solchs hetzen sah / fiengs freundlich an zu springen
47 Auffn Weidlichn Jäger zu / vmbfieng jhn mit sein Armen /
48 Gab hiermit zuverstehn / er solt sich seinr erbarmen /
49 Sein Gfangner wolt es seyn / wolt sich jhm gantz ergeben /
50 Er solt jhm gnädig seyn / jhm nur schenken das Leben /
51 Sonst möcht ers machen mit jhm / wie es jhm thet gefallen /
52 Jhm wolts gehorsam seyn / fleissig folgen in allen /
53 Wolt sein ein trewer Gfert[5] / in Ruh in Fried in Frewden /
54 Bey jhm wolt es auch stehn in Creutz / Noth / Gfahr vnd Leiden.
55             Sih solche Freundligkeit thet den Jäger bewegen /
56 Daß er für Frewd auffsprang / vnd rühmbt Deliae Segen /
57 Strecket aus seine Arm nach dem freundlichen Häßlein /
58 Welches mit Frewd vnd Wonn schertzt in dem grünen Gräßlein /
59 Er greiffs vnd fassets starck mit allen beyden Händen /
60 Wust nicht vor grosser Frewd / wo er sich solt hinwenden /

 

61 Sprach drauff glückselig Stund da ich den Forst betreten /
62 Dich O zart Häselein hab ich von Gott erbeten /
63 Drumb weil ich dich erlangt solt du mein seyn vnd bleiben /
64 Mir solstu[6] auch nechst Gott weltlich unlust vertreiben.
65 Mein Hertzens Kron / mein Trost / mein AugenLust / mein Leben
66 Meine Hoffnung / Frewd / vnd Wonn solstu mir seyn darneben /
67 Sih da mein Hertz vnd Hand das sol dir seyn ein Zeichen /
68 Daß ich in keiner Noth vnd Gfahr will von dir weichen /
69 Bald drauff alß diese zwey in grossen Frewden schertzten /
70 Lachten vnd kütterten sehr in Ehren sich auch hertzten /
71 Gab drittman vnversehens die schöne Fraw der Wälder /
72 Delia von Schönheit lieblich / vnd jung von Alter /
73 Wandt sich zum Jäger [f]risch mit den freundlichen Worten /
74 O berühmbter Weidmann / erfrewt vbr dein Consorten[7].
75 Dein Freundligkeit vnd Lieb gegn mich nur thut behagen /
76 Drumb auch durch meine gunst hab ich dich lassn erjagen /
77 Diß Häßlein auff meinm Forst: Nun hör weiter mein Willen /
78 Du Jäger solst hinfort diß mein Mandat erfüllen /
79 Daß weil ich dir verknüpfft mit festn ehelichen Banden /
80 Diß Häßlein solstu es lieben als dein verwandten /
81 Ja als dein eigen Hertz / mit vernunfft bey jhm wohnen /
82 Mit vnträglicher Last vnd beschwerung sein verschonen /
83 Denn wirstu deine Lust vnd Frewd an jhme schawen /
84 Noch eins so lang lebstu / vnd wird dich nichts gerawen.
85             Amen der Jäger sprach: Drauff Delia in Winden[8]
86 Verschwandt / vnd ließ die zwey beysammn im Wald dahinden.
87             Bald der Weidlich Jäger fasst auff sein Raub mit frewden /
88 Führt jhn mit seim Windspiel zu Hauß mit Pfeiffen vnd Seiten[9] /
89 (Denn die WaldGötter all; die Fauni mit den Nimfen[10]
90 Spielten vnd sungen schön das Echo auff jhr Stimmen /
91 Ein schönen Resonantz aus den Thal ließ verlauten /
92 Den Weidlichen Jäger zu Ehrn vnd seinr vertrawten /)

 

93 Hernach die zwey beysam in einem Häußlein lebten
94 In rechter Lieb vnd Trewe in steter Frewd sie schwebten /
95 Der Jäger (nach seim Wort) sein Häßlein admittiret[11]
96 In sein Bett / an sein Tisch / vnd sich mit jhm foviret[12],
97 Sie waren beyd ein Leib / ein Will vnd wolgefallen /
98 Daß darob jhr Gerücht ist vnter vieln erschallen.
99             Wie gieng es aber denn dem andern jungen Weidmann /
100 Welcher mit seinem Garn thet auch nach dem Häßlein stahn:
101 Er lieff zwar hin und her im Wald mit seinen Winden /
102 Kund aber das Häßlein nicht aufspüren noch finden /
103 Drumb entfiel in des Hertz; höret auch bald die Posten
104 Er durfft sich ferner nu keine mühe lassen kosten /
105 Er wär mit seinem Spiel zu langsam in Wald kommen /
106 Das Häßlein daß er sucht / wer [war] jhm schon weggenommen /
107 Er würds nicht wiedersehen / noch seiner Huld geniessen /
108 Es möchte jhn gleich schmertzen odr im Hertzen verdrüssen /
109 Wer war in grösser Angst / damals als dieser Jäger /
110 Daß er mit seinem Weidwergk were gewesen träger
111 Als jener: drumb vor schmertzn danckt er sein Hündlein abe /
112 Sein Garn warff er weck / bracht sein Hörnlein zu grabe /
113 Drauff fiel er auff die Erd in grossen Trawrigkeiten /
114 Seufftzet sehr tieff vnd klagt von seinen grossen Leiden
115 Ich unglückselig Mensch / wie wil mir noch geschehen
116 Vor schmertzen vnd hertzleid muß ich noch gewiß vergehen /
117 Denn mein Trost ist dahin / mein Hoffnung ist erstorben /
118 O daß ich auch mit jhr nicht zugleich bin verdorben /
119 Daß nicht mein btrübter Leib in diesen Thal begraben /
120 Mög werdn zu Staub vnd Asch / vnd doch so viel Krafft haben /
121 Daß er wiedr herfürgeg viel wolrüchende Blumen /
122 Die den lieben Häßlein zu nutz vnd gut möchtn kommen /
123 O daß ich mit mein schreyn Charontem den Schiffmanne
124 Könt zu mir bringen her daß er mit seiner Danne[13] /

 

125 Auff diesen Bächlein jetzt fürvber segelt gschwinde /
126 Ich weiß er würd sich mein / wenn ich mein Hende winde /
127 Erbarmen vnd nehmn mit ins Elysisch gefülde /
128 Daß sich nur die Vnruh vnd Angst meines Herzen stilte.
129             O Häßlein / schön Mündlein / hie sitz ich in der Wüsten
130 Einsam / elend / betrübt / kan mein Leben nicht fristen /
131 Mich schrecket das rauschen der hohen Bäum vnd Fichten /
132 Die Vöglein mit Gesang / deucht mich / mich auch vernichten /
133 Ich bin sogar bestürtzt daß ich mich selbst nicht kenne /
134 Fehlt nicht / die grosse Hitze deinr Lieb mich noch so brenne /
135 Daß mein Verstand abnimpt / vnd werde immutiret[14] /
136 In einem wilden Hirsch / wie der Poet fingiret[15] /
137 Das widerfahren sey Actaeoni den Weidmann /
138 Als er auff grüner Heyd Dianam sah nackend stahn /
139 Solch kläglich lamentirn führt er bey Tag vnd Nachte /
140 Auch in vnstetn Schlaff Morpheus jhm schrecken brachte.
141             So hatte grosse Frewd jen Weidlichr Jäger stetig /
142 Der aber groß Hertzleid / mit zittern vnd Furcht thätig /
143             Es wehrt abr beyds nicht lang Fortuna sich mutiret[16];
144 Der fröhlich trawrig wurd / der betrübt exhilaciret[17].
145 Denn Jupiter der Gott des Todes vnd des Lebens /
146 Ließ solche trawrig Klag vnd Stimm nicht seyn vergebens /
147 Schickt bald Proserpinam auß seinm himlischn Gezelde /
148 Daß sie mit jhrer Scher sich vor den Jäger stelte /
149 Welcher diß Häßlein hat / vnd schnied ab seine Haare /
150 Solchs vnverruckter zeit nam diese Göttin wahre /
151 Ergreiff der Haarlocken des Jägers mir jhrn Henden /
152 Vnd schneids jhm ab / drauff bald er sein Leben thet enden.
153 Scheid ab von dieser Welt mit gantz betrübten Hertzen /
154 Vnd ließ sein Häselein hindr sich in grossen schmertzen /
155 O wie so manchen Tag bracht es zu nur mit weinen /
156 O wie so manche Nacht war kein Ruh in seinn Beinen /

 

157 Wie offt mit seufftzen viel rufft es seinen Ehegatten /
158 Wie thet sichs doch so sehr vor trawren gantz abmatten /
159 Abr wie man spricht: die zeit verzehret alles schmertzen /
160 Wirfft alle Trawrigkeit aus dem bekümmertn Hertzen /
161 Also nach etlichr Zeit thet allmehlich verschwinden
162 Des Häßleins Trawrigkeit vnd kläglich Hende winden[18].
163 Denn es vermercket wol / daß es nicht könnte geben
164 Seinm leblosen Ehschatz das hingerissne Leben.
165 Drumb als einsmals Phoebus[19] ein herrlich Fest begienge /
166 Daß er mit seinem Glantz Laub / Bäum vnd Graß behienge /
167 Darvon all wilten Thier / die Bächlein / Brünn / vnd Felder /
168 Die Gärten klein vnd groß / vnd auch die grünen Wälder /
169 Wurden so sehr erfrewt / daß sie gar lieblich lachten /
170 Vnd sich zu Ehrn vnd Ruhm des Phoebi lustig machten.
171 Legt auch diß Häßlein ab den Schleyr vnd Trawerkleider /
172 Weil der Tag war so schön / so warm vnd auch so heider /
173 Vnd putzt sich gar lieblich / wischt ab jhr Wenglein zarte /
174 Zog an jhr weiche Schue / vnd macht sich auff die farthe[20]
175 Herauß in grünen Wald / mit Delia zu sprachen
176 Von jhrm elenden Glück / das sie jetzt müste tragen:
177 Als aber diß Häßlein war auff den Weg und eylet /
178 In einer grünen Aw / welche ein Bächlein theilet /
179 Wurd es gespüret aus: Denn allda zween Schaaffhirten
180 Die gleichen wegs die Herd der Schaaffe hinder führten /
181 Diß Häßlein wurden inn / vnd besahns wol von ferne /
182 Drauff einr zum andern sprach: Ich möcht doch wissen gerne
183 Woher diß Häßlein köm? Ists nicht diß / darnach stunde
184 Vor zeiten ein Jäger / der dort in jenem Grunde
185 Vns nechst zu handen kam mit trewrigen Geberden?
186 Warlich es ists gewiß: ein gut Lohn wird mein werden /
187 Ich lauff vnd such mit fleiß denselben Jägr im Walde /
188 Bring jhm die gute Post[21] / dass er nicht gar erkalte.

 

189 Drauff lieff er gschwind / vnd kam an die vorige stelle /
190 Fand den trawrigen Jäger ligend in einer Höle /
191 Dem rufft er zu: Gut freund / mit mir solstu dich frewen /
192 Dein liebes Häselein / jag ich bey meinen Trewen /
193 Hab ich newlich gesehn im Walde wieder springen /
194 Mach dich geschwinde auff / vnd thu dich in Forst schwingen /
195 Jetzt blüht dein Glück vnd Heil / es wird dir nicht entgehen /
196 Nim dir nur einen Muth / thu steiff vnd feste stehen.
197 O Hertzens freund / sagt bald der Jäger / jetzt mein Leben
198 Mit der fröhlichen Post thustu mir wieder geben /
199 Danck hab deines Dienst: Nun will ich mich auffmachen /
200 Jetzt besser als zuvor anstellen meine Sachen:
201             Alsbald er wieder sucht sein Hörnlein / vnd thet blasen /
202 Seinen Winden[22] vnd Spür / so da von ferne sassen:
203 Vor allen dingen aber rufft er mit heissem flehen
204 Daliae der Göttin / die woll jhm jetzt beystehen /
205 Hab jener jhr vovire[23]t, ein Tempel auffzuführen /
206 So thet er jhr vielmehr mit Trew vnd Glauben spondiren[24],
207 Er durch der Bücher Hülff[25] wolte helffen außbreiten
208 Jhr Ehr vnd Majestet / jetzt vnd zu allen zeiten.
209             Alsbald stellt er die Netz / fieng an getrost zu hetzen /
210 Vnd mit seinen Winden dem Häßlein nachzusetzen.
211 Fortuna abr geneigt / thet jhm bald Raub beschehren /
212 Das Häßlein must zu jhm vnd in sein garn einkehren /
213 Des wurd der Jäger jnn / eylt zu mit seinen Winden /
214 Vnd ob sonst auch viel Wild sich in sein garn thet finden /
215 Griff er doch nur allein nach seinem Häßlein balde /
216 Hub an ein groß Geschrey vbr seinem Glück im Walde /
217 Daß Echo süsser Mund freundlich mit jhr certiret[26],
218 Vnd aus besonder Gunst seine Wort repetiret[27],
219 Vntr des gab gute Wort / das Häßlein in dem Garren /
220 Der Jäger woll mit jhm glimpfflich vnd sanfft verfahren /

 

221 Darauff sprach er für Frewd; nichts args darffstu gedencken /
222 Mein Hertz / mein Sinn vnd Muth / will Ich stets zu dir lencken /
223 Mein Lieb vnd Trew sol sich auch nimmer in dir enden /
224 Du bist die Liebste mein / von dir sol mich nichts wenden /
225 Wenn gleich Fraw Helena die schönst in GriechenLande /
226 Oder Cleopatra die Reiche käm zum stande /
227 Odr geb sich bey mir an Lycaste die geschwinde /
228 Odr die gelehrte Fraw Erinna, oder
229 Suadam, die wol beredt / als mein eigen / heimführen /
230 Könt auch michs starcke Weib Penthesilea zieren /
231 Odr könt bekommen jetzt Abigail die Weise /
232 Doch sag ich dir fürwar / daß mich gar keine reisse
233 Von dir / biß mir zerschneid Atropos meinen Faden /
234 Daß ich von dir getrennt durchn Fluß Lethen[28] muß waden,
235             O wunderliche Jagt! O Delia du frone[29] /
236 Wie wundersam bistu vff deinem Forst vnd Throne?
237 Wie weist du doch so fein wieder zusammen zu führen
238 Zwey LiebesHertz / die vor theten gantz desperiren[30],
239 Darvon könt man noch viel herrlicher sachen schreiben /
240 Wo nicht die kurtze zeit die Feder thet fort treiben.
241             Nun hat was haben sol vnser berühmter Weidmann /
242 Nemlich sein Häselein / darnach er sehr hat gethan /
243 Das führt er jetzt zu Hauß auff der Veneris Wagen /
244 Stellt an ein Frewdenfest in diesen lustign Tagen /
245 Drumb kompt zu hauffen all jhr Satyri vnd Hirten /
246 Jhr Nimfen all die jhr jetzt wohnt vnter den Myrten,
247 Kompt mit ewrn Instrument vnd helffet zu Hauß führen
248 Dem Jäger sein Häßlein; fangt an zu intoniren[31]
249 Ein lustige Concert, machts gut / jhr wird gepriesen /
250 Jhr Nimfen O thut nicht jetzt schonen ewrer Füssen /
251 Hüpffet vnd springt hoch auff / jhr Hirten acceptiret[32]
252 Was Ceres vnd Bacchus aus jhrn Kammern spendiret,

 

253 Vornemlich ab hört / jetzt solt jhr hoch erheben
254 Ewre hellen stimmlein / vnd der Deliae geben
255 Mit vnserm Jäger Lob / vnd Preiß vnd Danck / vnd Ehre /
256 Daß jhre Gnad vnd Güt sich in der Welt vermehre.
257 Merckt doch wie sie rumbführt so seltzam junge Leute /
258 Wie sie vnter jhnen anrichtet Leid vnd Frewde /
259 Wie sie aus wolmeynen gibt einen vmb den andern /
260 Doch aber nicht also wie etliche von Flandern /
261 Welcher Hertz eben ist wies Taubenhauß formiret[33].
262 Daß einer fleuget ein / der ander außspatziret /
263 Sondern in Zucht vnd Ehr / daß es bey den bringt Frewden /
264 Wie sie auch hat gethan diesn zwey newen Ehleuten /
265 Denen wolln wir jetzt auch ein geschenck praesentirn
266 Aus vnserm Wald vnd Feld / vnd wollen so vovirn,
267 Gott / der allmechtig ist / las sie beyde reich werden /
268 Von dem Thaw des Himmels / vnd Fettigkeit der Erden /
269 HErr Breutigam hinfort ewrn Forst mit fleiß verwaltet /
270 Last euch nicht finden feig / euch allzeit hurtig haltet /
271 Denn wird ewer Häßlein euch viel Häßlein zuführen /
272 Die mit jhrr Freundligkeit ewr Hertz werden erlustirn /
273 Denn auch die Delia wird es sehr fruchtbar machen /
274 Daß es euch alle Jahr wird zurichten ein Lachen /
275 Vbr das wird ewr Häßlein mit auffgerichten Ohren /
276 Nach ewres Hörnleins schall vnd willn gar leise hören /
277 Vnd daß in ewrn Geheg es alls wol werd bestellet /
278 Wird ewer Häselein / das jhr euch zugesellet /
279 Mit halb geschloßnen Augn des Nachts jhrs schlaffs abwarten /
280 Ja es wird vber diß an sich han schöne Arten /
281 Die euch / Herr Breutigam / vbr aus schön werden machen /
282 Denn von des Hasens Fleisch hat man noch diese sachen

 

283 Von alters / daß wer nur thet essen von eim Hasen /
284 Solt gantzer sieben Tag schön bleiben aus dermassen.
285             Nicht mehr / Herr Bräutigam in der That wird jhr spüren /
286 Was ein tugendsam Weib vor Nutz werde zu führen
287 Jhrem Mann / wenn sie stets in Gottesfurcht in frieden /
288 In Lieb / in Trew / vnd Zucht / im Glauben fest behüten
289 Jhr ehlich Band / darmit jhr Hertz Gott hat gebunden:
290 Derselbe gebe euch Glück / geb euch viel guter Stunden!

Ende

 

Dramaturgie der Hasenjagd

Personen, Handlungs- und Ereignisabläufe, Dekodierungen

Wir haben vor uns ein 290 Verszeilen umfassendes Gelegenheitsgedicht, dessen Inhalt die Verfasser, die „in der Grossianischen Druckerei[34] in Arbeit stehende Gesellschaft“, durch Absätze in Handlungs- und Ereignisblöcke gegliedert haben.  (Verszeilen 1-15; 16-22; 23-32; 33-38; 39-54; 55-84; 85/86; 87-98; 99-128; 129-140; 141/142; 143-200; 201-208; 209-234; 235-240; 241-268; 269-284; 285-290). Der Text berichtet von zwei Liebesdramen. Das erste geht letztendlich traurig aus, das zweite nach ausgestandenem Liebesleid glücklich. Ein tödlicher Schicksalsschlag bringt die Wende und treibt die Handlung voran. Die Verfasser schildern in ihrem hoch dramatischen Gedicht, wie sich die jungen Brautleute gefunden und was sie alles durchzustehen und zu überwinden haben, bis sie endlich den Ehebund schließen können. Die Handlungsabläufe und Gemütszustände werden in barocker Stilistik hochemotional aufgeladen, Personen und Geschehnisse in einer bukolischen Landschaft angesiedelt. Das Hochzeitsgedicht steht im Bann der Leipziger Barockdichtung. Es ist ein lyrisches Echo auf das „Buch von der Deutschen Poeterey“, das der Leipziger Barocklyriker Martin Opitz 1624 veröffentlicht hat (Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Band I, S.66-81).

Jeder Leser kann den Text verstehen, sieht man einmal von dem Schrifttypus der Fraktur und den sprachlichen Eigenarten des 17. Jahrhunderts ab. Allerdings muss er sich mit dem darin angesprochenen Personal der antiken griechisch-römischen Mythologie vertraut machen. Allein aus der mythologisierenden Beschreibung der Liebesdramen mit ihrem Leid und ihren Liebesklagen würde der heutige Leser nichts über die tatsächlichen Ereignisse und Tatsachen erfahren, auf die im Text angespielt wird. Nur mit Hilfe genealogischer, historisch-biografischer und gewerbegeschichtlicher Daten und Kenntnisse lässt sich erschließen und entschlüsseln, was hinter der Dramaturgie des Hochzeitsgedichtes verborgen ist.

Die Verfasser, in der damaligen Zunftsprache der Buchdrucker „Kunstverwandte“ genannt, hatten gute Kenntnisse über die reale Vorgeschichte der Eheschließung Mintzels mit Maria, geborene Hase. Sie kleiden diese Vorgeschichte in ein griechisch-römisches mythologisches Gewand. In den zwei Liebesdramen treten „zwei hurtige Jäger“ (18) auf, „ein Weidelicher Jäger“ (23, 47, 87, 92, 141) und ein anderer, der ebenfalls das Häslein liebt und begehrt. Beide stellen dem Häslein „in inbrünstiger Liebe“ (20) nach und versuchen es zu umgarnen. Sie blasen in ihr „Hörnlein“ (217, 34) und werfen ihre Netze (Garn, 9, 100, 112) nach dem Häslein aus, das sich im Gras verborgen hält und – wenn es sich sicher fühlt – umherspringt (17). Im Gegensatz zum „Weidelichen Jäger“ wird der andere als ein noch unerfahrener Wettbewerber um die Gunst des Häsleins geschildert. Dem „Weidelichen Jäger“ gelingt es mit allerhand Kunststücken und Tricks, das Häslein einzufangen. Er ist darin geübt in die Lüfte zu steigen, mit den Hüften zu schwingen (25, 26), aus hoher Warte das Häslein zu beobachten und mit seinem Windspiel, einem Jagdhund (28, 36, 40), das Häslein aufzuspüren. Der Jagdgöttin Diana verspricht er, ihr zu Ehren einen schönen Tempel zu bauen, wenn sie ihm bei der Jagd auf das Häslein Glück bringe (29–32, 78-84). Dem gewandten Jäger gelingt es in der Tat, das Häslein einzufangen (33–45). Es ergibt sich dem Jäger, umarmt ihn, verspricht ihm gehorsam, fleißig und eine treue Gefährtin zu werden und in allen Nöten und Gefahren zu ihm zu stehen (46–54). Der überglückliche Jäger nimmt es in seine Arme und erlebte mit ihm bald große eheliche Freuden (55–70). „Hernach die zwey beysam in einem Häußlein lebten In rechter Lieb und Trewe in steter Frewd sie schwebten“ (93, 94).

Daten und soziale Zusammenhänge

Die beiden „hurtigen Jäger“ waren Michael Weidlich (Leipzig, um 1570-1624) und Johann Albrecht Mintzel (1600-1653). Das Häslein war Maria Hase, geboren Anfang November 1602. Michael Weidlich, wie sein Vater Maurer von Beruf, hatte am 07.08.1605 die Leipziger Bürgerschaft erworben. Er hatte zwei Ehen hinter sich, aus denen fünf Kinder hervorgegangen waren. Die Ehefrauen waren verstorben, die erste um 1605/07, die zweite um 1621/22. Er suchte für seine Kinderschar und seinen Haushalt dringend eine neue Ehefrau. Der Witwer war um die fünfzig, als er um Maria Hase warb. Maria war noch im jugendlichen Alter von etwa zwanzig Jahren. Auch Marias Vater, Andreas Hase, war Maurer, also ein Zunftgenosse. Alle Akteure kamen aus dem Leipziger handwerklichen Milieu und kannten sich persönlich. Der alte Weidlich war ein lebenserfahrener und wahrscheinlich liebesgewandter Mann, der seine Werbekünste gut einzusetzen verstand. Jedenfalls erlag das junge Häslein seinem Werben, was in dem Gedicht in blumiger Sprache mit Bildern und Szenen aus der griechischen Mythologie beschrieben wird. Maria heiratet den wesentlich älteren Leipziger Maurermeister Michael am 29. September 1622 und wurde somit schon im Alter von 21 die Stiefmutter von fünf Kindern aus den zwei ersten Ehen Weidlichs.

Im Hochzeitsgedicht nimmt Delia den Jäger Weidlich in Pflicht (74–86). Seine „Freundlichkeit und Liebe“ ihr gegenüber, der er einen Tempel zu bauen verspricht (130-132), nimmt die Jagdgöttin nur unter den  Bedingungen an: Er müsse sein Häslein lieben wie einen Verwandten, er müsse sie mit Vernunft behandeln und ihr keine „unerträgliche Last“ aufbürden (81/82). Dann werde ihn sein Leben lang nichts gereuen. Der Jäger besiegelt mit einem „Amen“ (85) das „Mandat“ der Göttin (78), die daraufhin in den Winden verschwindet (85). Die Bedingungen können als Hinweis auf die familiäre Situation verstanden werden, auf die schwierigen Aufgaben, die der jungen Stiefmutter und Hausfrau bevorstehen.

Die Hochzeit wird mit Musik (Pfeifen und Saitenspiel) und mit Gesang gefeiert (88–90), alle Waldgötter, Faune und Nymphen, stimmen ein. Ihr Gesang klingt als Echo herüber aus Wald und Tal (89–91). Michael Weidlich und seine dritte Frau, das Häslein, leben nach der Hochzeit zusammen „in einem Häußlein“ (92/93). „Sie waren beide ein Leib / ein Wille“ und hatten „Wohlgefallen“ aneinander (96, 97). Die Verfasser des Gedichtes beschrieben die eheliche Gemeinschaft der beiden als eine vorbildliche Verbindung. Es spricht sich herum (96–98).

Wie geht es aber dem Rivalen und Verlierer? In den Verszeilen 99 bis 140 wird geschildert, wie er darunter leidet, vergeblich um Marias Gunst geworben zu haben und seinem Rivalen unterlegen zu sein. Er verzehrt sich in Selbstzweifeln. Er wirft sich vor, in der Konkurrenz mit dem Konkurrenten nicht beherzt und mutig genug um Marias Hand geworben zu haben (102–105). Er sei „mit seinem Spiel“ (Jagdhund) zu langsam gewesen, der Rivale sei schon vor ihm dagewesen und habe ihm das Häslein weggenommen (105–107, 110). Er ist zu Tode betrübt, niedergedrückt, bar jeder Hoffnung, das Häslein jemals gewinnen zu können (113–117). Er schreit vor Unglück und Traurigkeit laut hinaus, läuft im Wald kopflos hin und her und wisse nicht, ob er sein Unglück verkraften könne. Todessehnsucht verdüstert sein Gemüt. Charon, der Fährmann ins Jenseits, möge ihn auf seinem Kahn hinüberfahren in die elysischen Gefilde (123-127). Alles erschrecke ihn: das Rauschen der Bäume und der Gesang der Vögel (131, 132). Ihm sei zumute, als säße er in der Wüste, einsam und elendig (129, 130). Er sei dabei, seinen Verstand zu verlieren (133-135) und werde wie Actaeon in einen wilden Hirsch verwandelt (135-138). Er sei um seinen Schlaf gebracht und klage Tag und Nacht über seine Lage (139, 140).

Zweifache Schicksalswende

Das Glück des alten Weidlich und seiner jungen Ehefrau Maria währt jedoch nur kurz, tatsächlich nur sechzehn Monate (143). Im Gedicht hört Jupiter, Gott des Lebens und des Todes, die herzzerreißenden Liebesklagen des traurigen Verlierers und schreitet ein (145-156). Er schickt Proserpina, die Tochter des Jupiters und der Ceres, mit einer Schere ins Haus der Eheleute (Weidlich). Proserpina schneidet dem Ehemann eine Haarlocke ab, was dessen Tod bedeutet (151-153). Der „Weidliche Jäger“ wird aus dem Leben gerissen. Sein Häslein trauert „in grossen schmertzen“ um ihren Ehemann und bringt „so manchen Tag“ und „so manche Nacht“ mit Weinen zu (154-156).

Tatsächlich starb Michael Weidlich im Januar 1624. Sein Tod machte Maria schon mit 22 Jahren zur Witwe mit fünf Kindern aus Weidlichs ersten Ehen und einem eigenen Kind, Sabina Weidlich, die im September 1623 zur Welt gekommen war. Im Hochzeitsgedicht wird generell auf diese schwierige und tieftraurige Situation hingewiesen, jedoch ohne konkret auf die familiären Verhältnisse und existenziellen Nöte der jungen Frau einzugehen.

Maria gewinnt mit der Zeit wieder Lebensmut. Ein Sprichwort sagt: „Die Zeit verzehret alles Schmerzen und wirft alle Traurigkeit aus dem bekümmerten Herzen“ (159, 160). Maria legt den Trauerschleier und ihre Trauerkleider ab und beginnt wieder an den Freuden des Lebens teilzunehmen. Sie wischt die Tränen von ihren Wangen, kleidet sich hübsch, zieht „weiche Schuhe“ an und geht hinaus [aus der Stadt] zu den Vorgärten und den Wäldern hin (168-178). Auf ihrem Weg durch die Auen wird sie von zwei Schafhirten beobachtet, die sich verwundert fragen, woher das Häslein komme. Sei es nicht ein Jäger gewesen [Mintzel], der hier mit traurigem Gebärden gelaufen sei? Einer der Schafhirten eilt geschwind an die Stelle, wo sich der unglückliche Jäger aufgehalten haben soll, und findet ihn in einer Höhle (179-188). Der Schafhirte bringt ihm die frohe Botschaft, dass das Häslein wieder im Walde umherspringe und fröhlicher Dinge sei, und spornt den Jäger an: „Mach dich geschwind auf“, fasse Mut und greife nach deinem Glück! (189-196) Der Jäger folgt diesem Zuruf, holt wieder sein „Hörnlein“ hervor und beginnt von neuem, mit seinen Windspielen dem Häslein nachzustellen. Er ruft „mit heissem flehen“ Delia an und bittet die Göttin, ihm beizustehen. Im Gegensatz zu Weidlich, der versprochen hatte, nach erfolgreicher Hasenjagd der Göttin einen wunderbaren Tempel zu errichten, wolle er den Ruhm der Göttin „durch der Bücher Hülff“ ausbreiten helfen (203-208). Die Verfasser spielen hier auf den jeweiligen Beruf an, auf den des Maurers bei Weidlich und den des Buchdruckers bei Mintzel.

Es gelingt dem jungen Jäger mit Hilfe der Göttin und Fortuna, sein Häslein zu haschen. Er schreit sein Glück in den Wald hinein. Wenngleich Helena, Cleopatra, Lycaste, Penthesilea, Abigail und andere starke Frauen versuchten dazwischen zu treten, er wolle sein Herz, seinen Sinn und Mut stets auf sein Häslein richten (222-233). „Mein Lieb und Trew sol sich auch nimmer in dir enden /Du bist die Liebste mein / von dir sol mich nichts wenden“. Nur Atropos, in der griechischen Mythologie die Unabwendbare und Zerstörerin, könne ihn trennen, wenn sie seinen Lebensfaden abschneidet. Dann müsse er „von (ihr) getrennt durch den Fluss Lethe waden“ (233, 234). Delia wird mit viel Lobpreis bedacht. Sie habe die zwei Liebesherzen so wunderbar zusammengeführt. Alle sind eingeladen, Satyre, Nymphen und Hirten, mit den zwei neuen Eheleuten das Freudenfest zu feiern und zu genießen, was Ceres und Bacchus aus ihren Kammern spendiert haben (243-252). Die Hochzeitsgäste werden aufgefordert, ihre Stimme zu erheben und mit Lob- und Preisliedern der Göttin zu danken, die in ihrer „Gnad und Güte“ junge Leute zwischen Leid und Freude herumführt (253-264). Das Hochzeitsgedicht endet mit guten Ratschlägen und Glückwünschen, und dies nicht ohne Anspielungen auf die Fruchtbarkeit der Ehe. (265-282) Wenn die beiden Eheleute sich „allzeit hurtig“ halten, dann wird das Häslein (Maria) noch viele Häslein zuführen.

Fünfzehn Monate nach dem Tode ihres ersten Ehegatten heiratete Maria in zweiter Ehe den jungen Buchdruckermeister und Druckereibesitzer Johann Albrecht Mintzel. Das Paar wurde in der Sankt Nicolaikirche getraut. Zum Zeitpunkt ihrer zweiten Eheschließung war Maria 22 Jahre alt, also eine noch junge Frau. Mintzel hatte am 2. Mai 1625 die Bürgerschaft der Stadt Leipzig erworben und am gleichen Tag die Verlagsdruckerei Große gepachtet. Er war in Leipzig vom Buchdruckergesellen zum Buchdruckereibesitzer aufgestiegen und 1625 als frisch gebackener Buchdruckermeister in die Vorstandschaft der Buchdruckerinnung gewählt worden. Das Hochzeitsgedicht „Der löblichen / damals in der Grossianischen Druckerey In Arbeit stehenden / Gesellschaft“ war folglich auch eine Huldigung auf den neuen Buchdruckerherrn und seine Ehefrau. Er war ihr neuer Chef und Arbeitgeber, Maria die Seele der Offizin (Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Band I, S.49-55 mit Quellenangaben).

Wer waren die Verfasser des Hochzeitgedichtes?

Die Belegschaft der Offizin

Wer „der löblichen/damals in der Grossianischen Druckerey In Arbeit stehenden/Gesellschaft“ mag an der Abfassung des Hochzeitgedichtes mitgewirkt haben? Wir wüssten es heute zu gern, gäben die Namen doch interessante Auskünfte über das Personal. Die Verlagsdruckerei Große war mit ihren vier Pressen eine der fünf größten Leipziger Offizinen. Ihre   Belegschaft war sich offensichtlich darin einig gewesen, als Betriebsgemeinschaft aufzutreten. Das Titelblatt bestätigt jedenfalls, dass keiner namentlich hervorgehoben werden sollte. Ich spekuliere ein wenig. Wer könnte, im doppelten Sinne gemeint, maßgeblich mitgewirkt haben? Die damalige personelle Ausstattung und Betriebshierarchie einer Großdruckerei mit vier Pressen lässt gewisse Schlüsse zu.

[Abbildung: Holzschnitt Druckereioffizin]

An jeder Holzpresse standen ein sogenannter Ballenmeister und ein Pressenmeister, bei vier Pressen folglich insgesamt acht Meister an der Zahl. Der Pressenmeister bediente den „Bengel“, mit dem er den richtigen Anpressdruck herstellte, um einen guten Druck zu erhalten. Der Ballenmeister war für die Qualität der Druckerfarbe und für den Auftrag der Farbe auf die Matrize verantwortlich. Die Druckfarbe wurde mit Ballen aufgetragen. An jeder Presse waren in der Regel fünf bis sechs Setzergesellen tätig. Bei völliger Auslastung der vier Pressen arbeiteten insgesamt an die zwei Dutzend Setzer mit. Zur Belegschaft zählten außerdem der Faktor, der die „Gespanne“ (Arbeitsgruppen) anleitete, sowie die Korrektoren. Hinzukamen noch die Lehrlinge und Knechte. Letztere waren ungelernte Helfer, die Papierbögen zum Druck reichten, frisch gedruckte Papierbögen zum Trocknen der Druckerfarbe auf Gestänge aufhängten und sonstige Hilfsarbeiten verrichteten. Waren alle vier Pressen ausgelastet, zählte die Belegschaft bis zu dreißig Personen.

Um dieses Hochzeitsgedicht zu verfassen, bedurfte es einer relativ hohen literarischen Bildung und guter Kenntnisse der griechisch-römischen Götterwelt und mythischen Gestalten, außerdem einer Dramaturgie, um die mythologische Verpackung realer individueller Charaktere und Lebensverläufe „zu sonderlichen Ehren und Gefallen“ (Titelei) zu gestalten. Gelernte Buchdrucker und Setzer grenzten sich damals als gebildete Handwerker vom gemeinen Handwerk ab. Die Gelehrtensprache war das Lateinische und zum Teil auch das Griechische. Ein Gutteil der Druckwerke erschien bis ins 18. Jahrhundert hinein in diesen alten Sprachen. Wer im sogenannten „gebildeten Handwerk“ arbeiten und vorankommen wollte, hatte zuvor eine Lateinschule und sogar mehrere Klassen eines Gymnasiums besucht. In einer anspruchsvollen Offizin wie der Verlagsdruckerei Große/Mintzel, die aufs Engste mit der Welt der Gelehrten verbunden war, waren diese Qualifikationen gefragt. Wir dürfen jedenfalls mit guten Gründen annehmen, dass aus der Gesamtheit der Belegschaft tatsächlich nur ein kleiner Kreis literarisch versierter und kenntnisreicher Mitarbeiter das Hochzeitsgedicht verfasste und die einzelnen Partien ausfeilte. Sie hatten sicher ihren Spaß daran, Einfälle zu sammeln, bunt gemischt Personal der griechisch-römischen Mythologie auftreten zu lassen und, für die Adressaten leicht zu erkennen, die Liebesgeschichte ihres Chefs und seiner Ehefrau in Alexandriner zu kleiden. Das Gedicht war, das scheint mir gewiss zu sein, Ergebnis wochenlanger „heimlicher“ Arbeit gewesen.

Die Dekodierung des einzigartigen Fundes führt mich ganz nahe an das Leben und die Erlebniswelt von Johann Albrecht und Maria Mintzel heran. Mögen ihre Motive, Handlungsweisen, Gefühle und Hoffnungen auch idealisiert und mythologisch überhöht worden sein, unter dem barocken Firnis scheint doch ein wenig die Wirklichkeit jener Tage und Ereignisse hervor.

Kommendes Unheil

1625 war ein relativ ruhiges Jahr zwischen den Teilkriegen oder Phasen des „Großen Krieges“. Der Böhmisch-Pfälzische Krieg (1618-1623), der sich, wie seine Bezeichnung sagt, in Böhmen und in der unteren Pfalz abgespielt hatte, war nach mehreren Schlachten zu Ende gegangen. Der Niedersächsisch-Dänische Krieg (1625-1629) wütete in Norddeutschland und hatte erst begonnen. Bis 1630 blieb Leipzig von der Kriegsfurie weitgehend verschont. Die Kriegsschauplätze lagen weit entfernt, in Leipzig blühten Gewerbe und Handel. Die Leipziger Bürgerschaft und das Druckerehepaar Mintzel konnten auf ruhige und geschäftlich ertragreiche Jahre hoffen. Noch waren keine Anzeichen für das kommende Unglück zu sehen. Erst der dritte Teilkrieg, der sogenannte Schwedische Krieg (1630-1635), veränderte in den Jahren 1630/31 schlagartig die politischen und kriegerischen Verhältnisse. Die schwedische Großmachtpolitik eröffnete eine neue Phase des “Großen Krieges“. Im Jahr 1630 landete der schwedische König Gustav II. Adolf mit seiner Flotte unbehelligt an der pommerschen Ostseeküste und kam mit seiner Streitmacht dem Protestantismus zur Hilfe. Erst dieser dritte Teilkrieg traf Sachsen und die Messestadt Leipzig mit voller Wucht und fügte der Bevölkerung große Beschwernisse und ungeheures Leid zu. Johann Albrecht und Maria Mintzel gingen schweren Tagen entgegen. Leipzig erlebte von 1631 bis 1642 fünf Belagerungen und Besetzungen: nach der 1. Schlacht bei Breitenfeld und durch Tilly im September 1631, nach der Schlacht bei Lützen im Oktober 1632, die Belagerung und Besetzung durch schwedische Truppen im August 1633, die sogenannte Bauersche Belagerung und Besetzung vom Ende 1636 bis zum Februar 1637 und zuletzt durch die der  Schweden nach der 2. Schlacht bei Breitenfeld. Nach der 1. Schlacht bei Breitenfeld ging das 1627 erworbene Wohnhaus und die Offizin der Druckerfamilie in Flammen auf. Von den elf Kindern des Ehepaars, die im Zeitraum von 1627 bis 1642 zur Welt kamen, starben allein im September 1633 innerhalb von drei Wochen fünf an Seuchen, die von der Soldateska eingeschleppt worden waren. Die Kriegsereignisse stürzten die Familie in eine schier unerträgliche Katastrophe. Das Massensterben führte dazu, dass nicht einmal die Namen der verstorbenen Kinder in den Sterberegistern eingetragen wurden. Später, 1649, klagte Johann Albrecht Mintzel in einem seiner Trauergedichte:

„In einer Summ: was uns allhier nur kann erfrewen /

Was lieb vnd angenehm: das führt er an den Reyen

Des finstern Toden-Tantzes / gantz grausam und geschwind /

Macht Wittwen / Waisen viel / und manch betrübtes Kind!

Diß haben wir / leider! ach!  Mit Hertzens Schmertz erfahren…“

Treten er und Maria mir in den Spiegelungen eines Hochzeitsgedichtes als liebende und leidende Personen entgegen, so teilt er sich hier ganz persönlich mit. Was uns hier auf Erden erfreut und uns lieb und angenehm ist, die Menschen um uns, die wir gerne haben und lieben, die reißt der Tod aus dem Leben und reiht sie in den Reigen der Toten ein. Johann Albrecht Mintzel starb am 15. Mai 1653, Maria am 9. August 1679. Sie hatte in Hof an der Saale nach dem Tod ihres Mannes die Mintzelsche Buchdruckerei übernommen und so lange in Schwung gehalten, bis ihr einziger Sohn, der die Kriegswirren überlebte, ab 1662 die Offizin fortführen konnte. Sie war eine tapfere, vitale und geschäftstüchtige Frau, ohne deren Tatkraft und Durchhaltevermögen der Betrieb Gefahr gelaufen wäre, schon mit dem Ableben ihres Gründers unterzugehen. Sie wurde in Hof respektvoll auch offiziell die Buchdruckerin genannt.  Ihr Lebensmut und ihre Lebensleistung haben mich tief beeindruckt (Alf Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Band I, Kap. VIII, S. 276-313 mit zahlreichen Belegen).

[Abbildung; Titelblatt Druck von Maria Mintzel]

 

 

Anhang I: Das mythologische und antike Personal

(Verszeilen in der Reihenfolge ihrer Nennung)

 

Delia 1, 32, 56, 72, 85, 204, 235, 254, 273
Diana 138
Faune 89
Nymphen 89, 246, 250
Charon 123
Actaeon 137
Morpheus 140
Fortuna 143, 211
Proserpina 147
Jupiter 145
Phoebos 165, 170
Helena 225
Cleopatra 226
Lycaste 227
Erinna 228
Penthesilea 230
Abigail 231
Atropos 233
Venus 243
Satyre 245
Ceres 252
Bacchus 252

Anhang II: Genealogische Daten und Übersichten

Genealogische Übersicht I

Leipziger Herkunftsfamilie von Maria Mintzel, geb. Hase

 

Hase,

Leonhard

* ~ 1555 (?)

? Heberlein,

Christoph

* ?, † ?

?
Hase, Andreas

* 1570, † □?

Beruf: Maurermeister

1600

Trinitatis

Heberlein, Elisabeth

* ?, † □ ?

Sechs Kinder:
1. Maria          getauft 05.11.1602

I. ∞ 20.09.1622 mit Michael Weidlich (*?, □ 17.01.1624)

II. ∞ 12.06.1625 mit Johann Albrecht Mintzel (* 1600, † 1653)

2. Christoph    getauft 16.06.1605, † □  ?

3. Andreas      getauft 02.08.1608, † □  ?

4. Magdalena  getauft 04.01.1611, † □  ?

∞ 04.03.1633 mit Julius Holwein, Druckergeselle bei Johann Albrecht

Mintzel

5. Leonhard    getauft 22.11.1613, † □  ?

6. Catharina    getauft 08.01.1616, † □  ?

 

Quellen: Informationen des Sächsischen Staatsarchivs / Stadtarchiv Leipzig; StA-L, Moritz-Kartei. Schreiben vom 18.01.2011

 

Genealogische Übersicht II

Leipziger Familienverhältnisse Maria Mintzels, geb. Hase,

verwitwete Weidlich, in erster Ehe

(Michael Weidlich war drei Mal verheiratet, in dritter Ehe mit Maria Hase, 1622-1624)

 

Weidlich,

?

* ? † □ ?

? Finstermerten,

Sebastian

* ? † □ ?

Greger,

Anna

* ? † □ ?

∞ 1567
Weidlich, Michael

* ~ 1570, □ 17.01.1624

Beruf: Maurer

I. ∞

27.01.

1605

Finstermerten, Anna

* ?, † □ ?

Sechs Kinder aus drei Ehen:
I.
1. Christoph    getauft 03.05.1605
II. ∞ 31.07.1608 mit Maria Pantzer

getauft 05.11.1584, † □ um 1621/22

2. Georg          getauft 21.06.1609, † □  ?

3. Michael       getauft 29.08.1611, † □  ?

4. Leonhard    getauft 04.11.1616, † □  ?
5. Michael       getauft 13.02.1621, † □  ?
III. ∞ 29.09.1622 mit Maria Hase

getauft 05.11.1602

6. Sabina         getauft 17.09.1623

 

Quellen: Informationen des Sächsischen Staatsarchivs / Stadtarchiv Leipzig; StA-L, Moritz-Kartei.

 

Genealogische Übersicht III

Eltern und Geschwister Johann Albrecht Mintzels (01.10.1600 – 15.05.1653), Buchdrucker und Verleger zu Leipzig (1625 – 1642) und Hof/Saale (1642 – 1653)

 

Mintzel, Johann

* ~ 1560, □ 1611

Schulmeister in Speinshart/ Oberpfalz 1580 – 1611

1586

?

 

Zehn Kinder (mindestens vier Kinder verstarben in Speinshart):
1. Name?        Speinshart; *?, † □?
2. Name?        Speinshart; *?, † □?

3. Name?        Speinshart; *?, † □?

4. Name?        Speinshart; *?, † □?
5. Name?        Speinshart; *?, † □?
6. Name?        Speinshart; *?, † □?
7. Name?        Speinshart; *?, † □?
8. Johann Christoph    Speinshart; * 1598, † □?
9. Johann Albrecht     * 01.10.1600, Speinshart

† 15.05.1653, Hof/Saale

10. Germanus Speinshart * 1602, † □?
Quellen und Belege siehe Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Bd. I, S. 22-41.

Die lokale und regionale Geschichtsschreibung, die sich mit dem Prämonstratenserstift Speinshart und mit den umliegenden Ortschaften befasst, stammt von katholischen Autoren. Bis auf wenige Ausnahmen hat diese Geschichtsschreibung die protestantische Zeit zwischen 1556 und 1623 ausgespart und Protestanten aus dem kulturellen Gedächtnis getilgt. Das Familienbuch von Tremmersdorf beginnt erst mit dem Jahr 1602.

Fußnoten

[1]              Ich will mich hier nicht abermals mit der elitär-bildungsbürgerlichen Attitüde auseinandersetzen, die meint auf eine erläuternde  Transkription des Originaltextes verzichten zu können.

[2]              Winden = Windspiele, eine Hunderasse

[3]              veneriren = huldigen

[4]              voviren = versprechen

[5]              Gfehrt = Gefährte

[6]              solstu = sollst du

[7]              Consorten = Gefährten

[8]              Hier in den Lüften.

[9]              Musikinstrumente: Pfeifen und Seiteninstrumente

[10]            Nimfen = Nymphen

[11]            admittiret = einlässt

[12]            foviret = erwärmt, warm hält, umarmt

[13]            Danne = Boot, Zille?

[14]            verwandelt

[15]            vorgibt

[16]            mutiret = verwandelt; sich eines anderen besinnt,

[17]            exhilaciret = ausatmet (?)

[18]            Hende winden = Hände ringen

[19]            Phoebus = Sonnengott

[20]            farthe = Fährte

[21]            Nachricht

[22]            Windspielen

[23]            voviret = gelobt, feierlich versprochen

[24]            spondieren = versprechen

[25]            Bücher Hülff = Anspielung auf seine Buchdruckerei

[26]            certiret = wettgeeifert

[27]            repitiret = wiederholt

[28]            Lethe = Fluss der Unterwelt

[29]            frone = ?  Fromme?

[30]            desperiren = verzweifeln, alle Hoffnung aufgeben

[31]            intonieren = einzustimmen

[32]            acceptiret = annehmen, akzeptieren

[33]            formiret = gestaltet

[34]            Die renommierte Verlagsdruckerei der Leipziger Verlegerfamilie Grosse wurde von Faktoren und Pächtern geführt, seit dem 2. Mai 1625 von dem Buchdruckerherrn Johann Albrecht Mintzel, der sie 1637 kaufte. Die Verlagsdruckerei gehörte mit vier Pressen zu den fünf größten Offizinen Leipzigs. Ausführlich beschrieben und mit vielen Quellenangaben belegt bei Alf Mintzel, 2011: Von der Schwarzen Kunst zur Druckindustrie, Band I.

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